Aktion der Gruppe Seebrücke Bonn 100. Mahnwache für ertrunkene Flüchtlinge in Bonn

Bonn · Zum 100. Mal hat sich die Gruppe Seebrücke Bonn zur Mahnwache in der Innenstadt versammelt, um in Erinnerung zu rufen, dass Menschen auf der Flucht im Mittelmeer sterben. Eine Studentin erklärt, warum sie bei der Aktion mitmacht.

Rainer van Heukelum hört zu, wie Judith Rau auf dem Remigiusplatz über Menschenrechtsverletzungen an den Grenzen Europas spricht.

Rainer van Heukelum hört zu, wie Judith Rau auf dem Remigiusplatz über Menschenrechtsverletzungen an den Grenzen Europas spricht.

Foto: Stefan Knopp

Es ist eine Aufgabe, für die man sich Gelassenheit antrainieren muss: Gerade hatte Lara Weller, seit Februar 2020 bei der Bonner Seebrücke-Gruppe, bei deren 100. Mahnwache auf dem Remigiusplatz versucht, einen älteren Passanten von der Wichtigkeit der Seenotrettungsaktionen im Mittelmeer zu überzeugen. Aber der Mann war für ihre Argumente nicht zugänglich. Die Seenotrettung befördere die Fluchtbewegung in Richtung Europa, meinte er.

Weller hat schon viele Mahnwachen in Bonn mitgemacht und auch Negatives erlebt. „Menschen versuchten, uns das Mikrofon abzunehmen und ihre Meinung zu sagen.“ Das, so Weller, seien oft Aussagen wie die oben genannte, oder auch der Vorwurf, die Seenotretter würden die Schlepperbanden unterstützen. Einige hätten auch die Klimakrise verleugnet, die auch eine Fluchtursache sei. Oder aber: „Den Menschen hier geht es schlecht genug.“

Aber entmutigen lässt sie sich nicht. Dabei helfen ihr Menschen wie Marion Pohl. Sie hörte eine ganze Weile den Ausführungen der Mitglieder zu – über die Behinderung von Seenotrettungsteams, über umstrittene Praktiken der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache, Frontex, oder über den Ablauf eines Bergungseinsatzes auf hoher See. „Ich finde es toll, dass die das gegen alle Widerstände trotzdem machen“, sagte sie. „Wenn die nicht da wären“, beginnt sie und lässt unausgesprochen, dass dann wohl viel mehr Menschen ertrunken wären.

Weller macht mit, weil sie nicht einfach zuschauen wolle, wie an der EU-Grenze die Menschenrechte missachtet würden. Und darauf möchte sie andere aufmerksam machen, auch wenn es mühsam ist: „Es ist jedes Gespräch wert, das sich daraus ergibt.“

Studentin sieht kleine Erfolge

Studentin Judith Rau kam im September 2020 über eine Freundin dazu. „Meine erste Mahnwache war die, kurz nachdem das Flüchtlingslager Moria abgebrannt war“, erzählte sie. Sie stellte fest, dass immer dann mehr Menschen bei den Wachen stehen blieben und zuhörten, wenn das Thema vorher wieder in den Medien präsent war. So wie vor einigen Wochen, als wieder viele Menschen in den Fluten ertranken. Politisch sehe sie seitdem kleine Erfolge, aber am Großen und Ganzen habe sich nichts geändert. Immer noch werde die Arbeit der Seenotretter behindert und kriminalisiert.

2018 wurde die Seebrücke Bonn gegründet, bald darauf fanden die ersten Mahnwachen statt, damals noch wöchentlich – eine Frequenz, die man nicht auf Dauer durchhalten konnte, so Rainer van Heukelum, der seit 2019 dabei ist. Jetzt werden sie alle 14 Tage durchgeführt, in Corona-Zeiten ging das zeitweise nur online.

Für ihn ist es auch ein Erfolg, dass sich Bonn dem Bündnis „Stadt sicherer Häfen“ angeschlossen hat. Aber national kann auch er keine großen Fortschritte erkennen. Zwar seien jetzt acht Millionen Euro für die Seenotrettung bewilligt worden, so der Lehrer im Ruhestand, gleichzeitig erschwere aber die vom Bundesverkehrsministerium geplante Verschärfung der Schiffssicherheitsverordnung den Rettern die Arbeit. Seebrücke Bonn verteilte deshalb am Mittwoch auch Postkarten mit der Forderung, diesen Plan zurückzunehmen, den man unterschreiben und an Bundesverkehrsminister Volker Wissing schicken kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Bittere Platzlotterie
Kommentar zur Suche nach einem Platz an Bonner Gymnasien Bittere Platzlotterie