Dunklen Jahreszeit bereitet Schwierigkeiten Diese Einschränkungen erleben Sehbehinderte in Bonn

Bonn · Nach der Zeitumstellung ist es früh dunkel. Für Menschen mit Sehbehinderung oder Augenerkrankung eine schwierige Jahreszeit in Bonn, die auch zu Einsamkeit führen kann.

Leitstreifen am Bahnsteig helfen Sehbehinderten wie hier am Bertha-von-Suttner-Platz, sich zurecht zu finden.

Leitstreifen am Bahnsteig helfen Sehbehinderten wie hier am Bertha-von-Suttner-Platz, sich zurecht zu finden.

Foto: Benjamin Westhoff

Die dunkle Jahreszeit schränkt sehbehinderte Menschen wie Jürgen von Block besonders ein. Er hat wegen einer altersabhängigen Makula-Degeneration mit der zunehmenden Dunkelheit und schlechter Beleuchtung zu kämpfen. „Wenn ich jemanden angucke, sehe ich das Umfeld, aber erkenne nicht das Gesicht. Wie ein Bierdeckel, der immer vor meinen Augen ist“, beschreibt er.

Wenn es dunkel ist und die Kontraste der Farben nicht stark sind, bereitet von Block das Schwierigkeiten. „In der Dämmerung bin ich auf Beleuchtung angewiesen“, so der 80-Jährige. Er nimmt sich manchmal eine Taschenlampe mit und klemmt sich das gelb-schwarze Blindenzeichen um den Arm. So schützt er sich und sein Umfeld. „Den Stock nehme ich nicht oft mit. Man möchte sich nicht eingestehen, dass man beeinträchtigt ist und das auch nicht zeigen.“ Er erledige alles, was er selber erledigen könne, „Nichts ist schlimmer, als das nicht mehr zu tun, was man gern machen möchte“, so der Pensionär. Trotzdem versuche er, die Dämmerung zu meiden, ebenso wie Termine nach 18 Uhr.

Die Stadt Bonn tue seiner Meinung nach viel für die Barrierefreiheit, aber hier und da könne sie nachhelfen. „An manchen Unterführungen oder Treppen helfen helle Markierungen, die reflektieren“, so der 80-Jährige. Wenn diese an Bahnhöfen oder Bussteigen zu schmutzig seien, sei das für sehbehinderte Menschen ein Problem.

Jürgen von Block berichtet von seinen Problemen, wenn es auf den Straßen dunkler wird.

Jürgen von Block berichtet von seinen Problemen, wenn es auf den Straßen dunkler wird.

Foto: Benjamin Westhoff

Markus Schmitz aus dem Presseamt der Stadt Bonn betont, dass die Stadt trotz Energiekrise keine Straßenbeleuchtung abschalte. Die Stadt müsse die Verkehrssicherungspflicht erfüllen. Wie berichtet, betreffen die Einsparungen auf Straßen und Plätzen vor allem die Außenbeleuchtung repräsentativer Gebäude. Verbesserungen auch für Sehbehinderte bringt laut Schmitz der weitere Ausbau barrierefreier Bus- und Bahnhaltestellen mit sich, weil dort immer Hilfen zur Orientierung angebracht werden.

Hilfsmittel gegen Sehebehinderung sind wichtig

Professor Ulrich Fries vom Augenzentrum der Johanniter bestätigt, dass Patienten mit Augenkrankheiten in der Dämmerung und im Dunkeln ohnehin schlecht sehen. „Der geringe Kontrast macht ihnen zu schaffen.“ Vor allem Patienten mit fortgeschrittenem Grünen Star hätten Probleme. Der Arzt rät, immer eine Lichtquelle dabei zu haben, am besten eine Stirnlampe. „Bei Taschenlampen haben die Betroffenen nur eine Hand frei und können sich nicht gut festhalten“, sagt er. Auch Nordic-Walking-Stöcke oder ein Rollator verschafften Sicherheit.

Philipp Herrmann, Oberarzt der Augenklinik am Universitätsklinikum Bonn (UKB), sagt: „Wir müssen uns bewusst machen, dass es viele Menschen gibt, die ein Handycap an den Augen haben. Diesen müssen wir bei Schwierigkeiten helfen.“ Er weiß, dass nicht nur die ältere Generation Sehschwächen und Augenerkrankungen hat. „Es leiden auch viele junge Menschen und junge Erwachsene unter massiver Nachtblindheit“, so Herrmann. Diese sähen mit Einbruch der Dämmerung nichts mehr.

Vereinsamung ist ein großes Problem

Der Verein Pro Retina mit Sitz in Bonn ist die größte und älteste gemeinnützige Patientenvereinigung für Menschen mit Netzhauterkrankungen. Der Vorstandsvorsitzende Dario Madani sagt: „Menschen mit einer starken Seheinschränkung, wie zum Beispiel Retinitis pigmentosa oder einer Spätform der altersabhängigen Makula-Degeneration, erleben in der dunklen Jahreszeit wesentlich größere Einschränkungen in ihrem Alltag als andere Menschen.“ Schon in der Dämmerung seien sie nahezu blind. „Daher verlassen sie immer seltener ihre vertraute Umgebung“, so Madani. Die Folge sei eine Vereinsamung, unter der viele der Betroffenen massiv litten.

Die Selbsthilfeorganisation informiert und berät Menschen mit Netzhauterkrankungen und hilft ihnen, ihren Alltag trotz Seheinschränkung oder Blindheit zu bewältigen. Zugleich verhindert die Gruppe, dass sehbehinderte und blinde Menschen vereinsamen. Von Block ist in der Regionalgruppe in Bonn aktiv. Er schätzt es, sich austauschen zu können und von den Erfahrungen anderer zu profitieren. „Ich kann den Menschen helfen und Ratschläge geben. Aber ich habe auch am Anfang viel Hilfe gebraucht“, so der Bonner. Von Block betont auch, wie wichtig es ist, regelmäßig zum Augenarzt zu gehen. So könnten viele Krankheiten erkannt und frühzeitig behandelt werden.

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