VAMV in Bonn Seit zehn Jahren gibt es eine Initiative für Eltern behinderter Kinder

BONN · Vier Jahre lang zog Judith Braun mit ihrem Sohn Marlon von Arzt zu Arzt. "Das wird schon, nicht alle Kinder entwickeln sich gleich." Immer wieder habe die alleinerziehende Mutter diesen Satz gehört. "Dann endlich bekam ich die Diagnose, dass mein Sohn an frühkindlichem Autismus leidet", erzählt sie.

Mit diesem Befund änderte sich ihr Leben: Sie musste nicht nur Familie und Beruf unter einen Hut bringen, sondern zudem allein die Betreuung, Förderung und Erziehung ihres behinderten Sohnes meistern. "Und das ist eine 24-Stunden-Aufgabe", weiß sie. Judith Braun gehört zur Initiative "Alleinerziehender mit chronisch kranken oder behinderten Kindern" in Bonn. Seit zehn Jahren gibt es diese Gruppe im Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV).

Eine ähnliche Erfahrung hat auch Ingrid Gerber gemacht. Sie hat zwei Söhne, Marcel und David. Der Ältere sitzt im Rollstuhl und hat in der Vergangenheit viele Wochen in Krankenhäusern verbracht. Während Gerber ihn begleitete, musste sie gleichzeitig die Versorgung des jüngeren Kindes regeln.

Neben den alltäglichen Sorgen und Problemen, die Gerber und Braun mit der Betreuung ihrer Kinder haben, versuchen sie allerdings auch, beruflich wieder Fuß zu fassen. "Jahrelang konnten wir keiner geregelten Arbeit nachgehen. Einen normalen Arbeitstag mit festen Zeiten können wir nicht leisten", beschreiben sie. Die Folge: Nachdem beide Frauen über einen langen Zeitraum nicht berufstätig waren, versuchen sie jetzt über Teilzeitstellen und die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, wieder in die Berufswelt zurückzukehren.

"Müssen wir auch", erläutern sie weiter. "Denn wir müssen ja unser Alter absichern. Schon heute ist Armut in Deutschland weiblich und alleinerziehend. Das können wir noch toppen mit weiblich und alleinerziehend mit behindertem Kind", so Judith Braun. Zudem würden Frauen in ihrer Situation zunehmend vereinsamen und kaum neue soziale Kontakte knüpfen. Über einen Job ergeben sich für viele erstmals wieder Perspektiven außerhalb der Familie.

Mittlerweile habe beide Frauen eine Arbeit gefunden, die sich mit ihren Pflichten verbinden lässt. Dennoch: "Es ist ein unglaublicher Balanceakt, die Zeit zu überbrücken, wenn die Schulen geschlossen sind", erzählen beide. Denn während innerhalb der Stadt für gesunde Kinder eine Vielzahl von Ferien- und Freizeitaktivitäten angeboten wird, fehle ein solches Programm für behinderte Kinder und Jugendliche ganz.

"Wir haben keine großen Ansprüche. Aber wird wünschen uns, dass auch für unsere Kinder ein ähnliches Angebot zur Verfügung steht. Allerdings muss eine solche Freizeitbetreuung kompetent und vor allem bezahlbar sein", appellieren Braun und Gerber.

Info: Das nächste Treffen der Gruppe "Alleinerziehende mit chronisch kranken oder behinderten Kindern" beginnt am Montag, 17. Februar, um 8.30 Uhr im Restaurant "Cassiusgarten", Maximilianstraße 28 d in der Bonner City. Interessierte Väter oder Mütter sind eingeladen.

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