Ungeahnte Vielfalt am Rhein Diese seltenen Tiere leben in Bonn und der Region

Bonn · In Bonn und Umgebung gibt es einige Tierarten, die hierzulande selten sind und die bislang vermutlich nur wenige Menschen zu Gesicht bekommen haben. Wir werfen einen Blick auf die ungeahnte Vielfalt der Region.

Der Hirschkäfer, der Feuersalamander, die Mauereidechse, die Wildkatze und sogar der Wolf: Sie alle kommen in Bonn und der Region vor. Einige von ihnen sind vor langer Zeit eingewandert, andere wurden vertrieben und erobern den Lebensraum nun wieder zurück. Wir haben ausgewählte Tierarten aufgelistet, die bislang vermutlich nur wenige Menschen jemals in freier Wildbahn beobachtet haben.

Wildkatze

In Bonn und der Region galt sie lange Zeit als ausgerottet, nun erobert sie sich ihren Lebensraum Schritt für Schritt wieder zurück: die Wildkatze (Felis silvestris). "Durch strengen Schutz nimmt ihr Bestand bei uns wieder zu", erklärt Wolfgang Böhme, ehemaliger Stellvertretender Direktor des Museums Koenig und heute Vizepräsident der Alexander-Koenig-Gesellschaft in Bonn. Wenngleich man sie aufgrund ihrer unauffälligen Lebensweise selten zu Gesicht bekommt, sei die Rückkehr der Wildkatze deutlich erkennbar. Einige Tiere seien in der Vergangenheit dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen. "Doch sie lassen sich mit Kamerafallen auch im lebenden Zustand nachweisen", so Böhme. Aus der Eifel seien die Wildkatzen bis zum Kottenforst und aus dem Westerwald bis ins Siebengebirge vorgedrungen. Ende Mai wurden im Kottenforst Wildkatzenjunge entdeckt.

Wolf

Ein anderes ehemals heimisches Raubtier bahnt sich ebenfalls seinen Weg zurück ins Bonner Umland. Die Rückkehr des Wolfes (Canis lupus) sorgt derzeit deutschlandweit für Schlagzeilen. Inzwischen wurden auch Nachweise – über Kamerafallen oder sogar genetisch über Risse von Schafen – aus dem Westerwald und der Eifel (bei Monschau) bekannt, "sodass mit einer weiteren Etablierung dieses ursprünglich immer hierzulande heimischen Raubtieres gerechnet werden muss", sagt Böhme. Im Museum Koenig ist der letzte heute noch erhaltene, ursprünglich aus der Eifel stammende Wolf, der dort vor 1860 geschossen wurde, ausgestellt – auch er sei damals der laut Böhme "rücksichtslosen Verfolgung" zum Opfer gefallen. Zuletzt wurde ein Wolf in Eitorf gesichtet.

Biber

Die Spuren in der Sankt Augustiner Siegaue im März 2018 waren eindeutig. Am Ufer lag ein abgefressenes Stück Holz. Ein Baumstumpf ragte wie der nach oben hin spitz zulaufende Teil einer Sanduhr empor. Nur ein Biber(Castor fiber) konnte laut Justus Siebert vom Bund für Natur und Umweltschutz Deutschland (BUND) dafür verantwortlich sein (der GA berichtete). Lange Zeit war der Biber hier nicht mehr zu finden, obwohl er einmal auf der kompletten nördlichen Erdhalbkugel heimisch war. Im 19. Jahrhundert hatten Jäger das größte Nagetier Europas hierzulande ausgerottet. Laut BUND wurde im Rheinland zuletzt 1877 ein Biber gesichtet. 1981 setzten Förster eine Population in der Eifel aus. Seitdem breitet sich der Biber weiter aus.

Feldhamster

Auch ein kleiner Nager ist im Rheinland sehr selten anzutreffen. Seit den 1980er Jahren ist die Zahl der Feldhamster (Cricetus cricetus) drastisch zurückgegangen. Die intensive Landwirtschaft habe zum beinahe totalen Verschwinden des Feldhamsters geführt, sagte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) Ende Mai im Zuge einer Rettungsaktion für das Nagetier. 128 Feldhamster aus einer Nachzucht waren soeben im rheinischen Pulheim ausgewildert worden. Für die Nachzucht waren freilebende Tiere bei Zülpich gefangen worden, etwa 50 Kilometer entfernt von der neuen Heimat. Das Projekt im Großraum Köln ist die erste amtliche Auswilderung von Feldhamstern durch eine Behörde in NRW.

Mauereidechse

Wer in den Weinbergen des Ahrtals bei sonnigem Wetter spazieren geht, bemerkt sicher die dort akrobatisch herumkletternden Mauereidechsen (Podarcis muralis). Diese Eidechsen sind Alteinwanderer, die sich nach der letzten Eiszeit aus dem Mittelmeergebiet nach Norden ausgebreitet haben, und zwar längs der großen Flusstäler. "Entlang des Rheins haben sie es aus eigener Kraft genau bis nach Bonn geschafft", erklärt Wolfgang Böhme von der Alexander-Koenig-Gesellschaft. Ihre nördlichsten Fundorte in ganz Europa seien der Kuckstein-Hang am Ennert und der Oberkasseler Bahndamm. Ihre Ausbreitung sei den Reptilien durch die alten Römer erleichtert worden. Diese hatten in ihrer damaligen Provinz Niedergermanien durch ihre Rodungsaktivitäten die nötigen Freiflächen für die sonnenhungrigen Tierchen im sonst dicht bewaldeten Rheinland geschaffen. Zudem lag die Temperatur in unserer Region laut Böhme damals zwei Grad höher als heute. Eine Bedrohung für die Tiere stellen zu viele Schattenflächen dar, sodass zum Schutz etwa am Oberkasseler Bahndamm immer wieder die Sträucher zurückgeschnitten werden müssen.

Schling- und Ringelnatter

Im Rhein-Sieg-Kreis gibt es nur zwei Schlangenarten: die Schlingnatter (Coronella austriaca) und die Ringelnatter (Natrix natrix). Die Schlingnatter lebt in warmen, trockenen Hängen, beispielsweise im Siebengebirge, erklärte Klaus Weddeling, Biologe und Herpetologe der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis, bei einem Besuch in Eitorf (der GA berichtete). Die Schlingnatter wird höchstens 60 Zentimeter lang und ernährt sich von Eidechsen. Im Eitorfer Krabachtal leben hingegen Ringelnattern. Sie fühlen sich in feuchten Gebieten wohl und ernähren sich von Fröschen. Eine ausgewachsene Ringelnatter kann bis zu 1,50 Meter lang werden. Ganz so einfach ist es jedoch nicht, eine Ringelnatter zu Gesicht zu bekommen. Im hohen Gras ist es laut Weddeling fast unmöglich, sie zu entdecken. Ein Schnappschuss gelang dafür in Röttgen.

Feuersalamander

Der Feuersalamander (Salamandra salamandra) bewohnt vor allem die Buchenwälder der Mittelgebirge und ist glücklicherweise im Bonner Raum noch beiderseits des Rheins anzutreffen. "Man kann die wie schwarz-gelb lackiert aussehenden Tiere vor allem in lauen Regennächten beobachten, wenn sie auf Beute- oder Partnersuche sind", erläutert Böhme. Die Eientwicklung ist in den Mutterleib zurückverlegt, und die kiemenatmenden Larven werden vor allem in den bei uns häufigen Waldbächen abgesetzt, von wo aus sie dann nach einigen Wochen als lungenatmende kleine Salamander an Land gehen. Doch es gibt laut Böhme Anlass zur Sorge: Eine neue Bedrohung ist der aggressive Hautpilz Batrachochytridium salamandrivorans, zu Deutsch der "Salamander fressende", der in den Niederlanden schon Populationen ausgerottet hat und in beängstigender Weise auch schon in der West-Eifel registriert wurde.

Geburtshelferkröte

Ein Froschlurch mit einzigartiger Fortpflanzungsstrategie ist laut Böhme die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), die für die Steinbrüche und Wälder in der Bonn und der Region typisch ist. Hier wickeln sich die Männchen nach der Paarung die Laichschnüre des Weibchens um die Beine und tragen sie so lange mit sich herum, bis die Kaulquappen in den Eiern schlupfreif sind. Die werden dann in ein Gewässer entlassen, wo sie ihre Entwicklung bis zur Umwandlung in ein fertiges Fröschlein vollenden. "Zu sehen bekommt man die Tiere nur, wenn man Steine oder altes Holz umwendet, unter dem die Tiere Unterschlupf gesucht haben", so Böhme. Im Frühjahr kann man aber nachts manchmal den leisen glockenartig klingenden Ruf der Männchen hören. Leider ist die Geburtshelferkröte im Kottenforst stark gefährdet.

Hirschkäfer

Das spektakulärste Insekt unserer Region ist laut Böhme zweifellos der Hirschkäfer (Lucanus cervus). Die bizarr gehörnten Männchen kann man an Sommerabenden am Waldrand beiderseits des Rheins auf Partnersuche herumfliegen sehen. "Und obwohl die Tiere nicht so selten sind, äußern sich immer wieder viele Bonner überrascht, dass es diese Käfer bei uns gibt und dass sie sie noch nie gesehen haben", berichtet Böhme. Die meiste Zeit ihres Lebens, bis zu sieben Jahre, verbringen die großen Käfer als Larve in totem Laubholz, verpuppen sich dann, um als fertiger Käfer für ein kurzes, nur wenige Wochen währendes Erwachsenenleben zu schlüpfen. Nach der Paarung sterben die Käfer. Fressen müssen sie während dieser Zeit nichts. Die Kiefer der Männchen sind zum "Geweih" umgebildet und taugen nicht mehr zur Nahrungsaufnahme. "Eine Kartierung der Hirschkäfer-Vorkommen im Bonner Raum hat gezeigt, dass sich die Verbreitung auf die rheinseitigen Hänge konzentriert, die aber im Venusberg- und Kottenforstbereich nicht im Bereich des Schutzgebietes liegen, was bei dieser bedrohten Insektenart sehr bedauerlich ist", erklärt Böhme.

Fremde Tierarten

In Bonn und der Region gibt es außerdem einige erst unlängst eingewanderte Arten. Dazu zählt zum Beispiel der Halsbandsittich (Psittacula krameri), der immer wieder auf der Insel Grafenwerth, in den Rheinauen, nahe der Nordbrücke und in Bonn-Tannenbusch zu sehen ist. Aus Amerika stammen sowohl der im Rhein lebende Kalikokrebs (Faxonius immunis) und der Ochsenfrosch (Rana catesbeiana). Beide schaden der hiesigen Tierwelt enorm. Nutrias (Myocastor coypus) kommen in der Bonner Rheinaue vor. Einen ausführlichen Artikel zu den fremden Tierarten in Bonn und der Region gibt es hier.

(buj)
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