Amtsgericht Bonn Seniorin eingeklemmt: Busfahrer muss Geldstrafe zahlen

Bonn · Fast zwei Jahre ist es her, dass eine 86-jährige Frau in einem Bonner Linienbus schwer verletzt wurde, weil der Fahrer die hintere Türe zu früh schloss. Der Richter verurteilte den Fahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung.

 Justitia ist die Göttin der Gerechtigkeit

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Foto: dpa

Fast zwei Jahre nach dem schweren Sturz von Anna J. in einem Linienbus der Bonner Stadtwerke (SWB) kam es am Donnerstag zum Prozess gegen den Busfahrer. Am 2. Juli 2017 hatte der 45-Jährige an der Haltestelle Lannesdorf-Mitte offenbar den roten Tastschalter zum Schließen der hinteren Bustür zu früh gedrückt. Die Flügeltüren klemmten die 86-jährige Seniorin ein, die just die letzte Treppenstufe nahm, rissen sie regelrecht um, sodass sie mit dem Rücken auf der Bordsteinkante landete. Schwer verletzt blieb Anna J. liegen. Die Seniorin erlitt einen Oberschenkelhalsbruch, der sofort operiert werden musste. Seit dem Vorfall in der Linie 612 ist die heute 88-Jährige auf einen Rollator und umfangreiche Pflege angewiesen.

Zum Prozess vor dem Bonner Amtsgericht musste Anna J. am Donnerstag nicht als Zeugin kommen. Denn der Busfahrer, dem diese folgenschwere Geschichte passiert ist, hat mittlerweile die Verantwortung für sein Versagen übernommen. Er räumte ein, dass er damals im Rückspiegel den betagten Fahrgast im Ausstieg übersehen haben muss. Zunächst hatte der SWB-Mitarbeiter in seinem „ungläubigen Entsetzen“ behauptet, er habe den roten Knopf nicht gedrückt, es müsse einen technischen Defekt gegeben haben. Aber ein Gutachter hatte später den versiegelten Bus in Augenschein genommen und die Version widerlegt: Eine Fehlfunktion der Türautomatik jedenfalls konnte er nicht feststellen.

Den Busfahrer – nicht vorbestraft – hat das folgenreiche Missgeschick sehr getroffen und belastet, wie sein Anwalt am Donnerstag versicherte. Auch weil der Familienvater selber wiederholt von Schicksalsschlägen getroffen ist: Im Jahr 2012 musste der einstige Gastronom sein Bistro in Godesberg schließen, nachdem er überfallen, misshandelt und eingesperrt im Keller verbrannt werden sollte. Die Folgen: psychischer Zusammenbruch und hohe Schulden. Um zu überleben, hatte er sich erfolgreich bei den SWB beworben. Dann stürzte er 2014 selber als Fahrgast nach einer Vollbremsung und musste 18 Monate schwer verletzt aussetzen. Im vergangenen Jahr schließlich wurde er von einem Junkie im Bus überfallen, der ihm den Arm übel verdrehte.

„Zwei Lebensschicksale, die schwer in Einklang zu bringen sind“, kommentierte am Donnerstag der Amtsrichter und verurteilte den Angeklagten schließlich wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 1200 Euro Geldstrafe, allerdings auf Bewährung. Als Geldauflage muss der Busfahrer zudem 1200 Euro in Raten an den Kinderschutzbund zahlen.

„Ein Augenblicksversagen, ein Alltagsfehler“, hat es der Strafrichter bezeichnet, „wie es jedem mal passieren kann.“ Vieles in diesem Fall sei unglücklich verlaufen, auch dass der „Flügelschlag der Tür“ eine gesundheitlich labile Frau getroffen habe, die durch den Sturz nicht nur ihre Selbstständigkeit, sondern auch ihren Lebensmut verloren habe.

Die Stadtwerke haben der heute 88-Jährigen bislang ein Schmerzensgeld von 10 000 Euro sowie 700 Euro für materielle Schäden gezahlt.

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