Sicherheit ist Prostituierten wichtiger als Duschen

Stadt sucht Gespräch mit Frauen und Lösung für Standort, an dem Straßenstrich auch tagsüber möglich ist

Bonn. Gut gemeinte Beschlüsse der Sozialpolitik müssen nicht immer im Sinne der Zielgruppe, in diesem Falle der Prostituierten sein: Weil nach Ansicht der Politiker die hygienischen Zustände auf dem Straßenstrich an der Gerhard-Domagk-Straße/Am Propsthof unhaltbar sind, beauftragten sie im August die Verwaltung zu prüfen, ob sich die Situation mit einem Container mit Toiletten und Dusche verbessern lasse.

"Doch die Prostituierten wollen das gar nicht", sagte Sozialdezernentin Angelika Maria Wahrheit im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Die Frauen hätten seit September, als die Prostitution auf die Nachtzeiten beschränkt wurde, ganz andere Probleme: beispielsweise Einnahmeverluste wegen des fehlenden Tagesgeschäfts oder aber auch Schwierigkeiten, eine Betreuung für ihre Kinder zu finden. Deshalb hat die Stadt nun lediglich eine Toilette in der Domagk-Straße aufgestellt, denn Anlieger hatten sich gerade darüber beschwert, dass die Prostituierten ihre Notdurft in den Vorgärten verrichteten.

Auch einem anderen Vorschlag der Politik stehen die Frauen - darunter einheimische, nicht selten drogenabhängige und osteuropäische Frauen - eher unentschieden gegenüber: den so genannten Verrichtungsboxen, wie es die Fraktionen von FDP, Grünen, Bürger Bund und die Ex-Sozialdemokratin Barbara Ingenkamp wünschen. "Wichtig ist den Frauen vor allem, dass sie ihre Dienste an einem sicheren Ort anbieten können", wie der letztlich aussieht, sei laut Wahrheit noch völlig offen. Wert legten die Frauen zweitens auf die gute Erreichbarkeit des Straßenstrichs, am besten mit Bus und Bahn.

Ein Anliegen ist der Politik und der Dezernentin auch die Sozialberatung, die nicht zuletzt den Ausstieg der Frauen aus dem Milieu zum Ziel hat. "Wir prüfen, ob wir die bisherige Beratung, die einmal die Woche abends stattfindet, eventuell zwei Mal anbieten."

Da die Stadt auf Aufforderung des Regierungspräsidenten bis spätestens April nächsten Jahres einen neuen Standort gefunden haben muss, an dem Prostitution auch tagsüber möglich ist, schaut sich Wahrheit um, wie andere Städte mit dem Phänomen Straßenprostitution umgehen.

Die Dortmunder Lösung gehe unter anderem wegen der zu hohen Kosten nicht, Oberhausen hingegen habe eine "kostenlose" Variante: "Diese Stadt hat offiziell gar keinen Straßenstrich", sagte Wahrheit.

Dennoch aber gebe es dort eine Szene, die unkontrolliert agiere und eine höhere Gewaltgefahr für die Frauen darstelle als bei einer von Stadt und Polizei kontrollierten Straßenprostitution. Sei der Ort des Straßenstrichs hingegen bekannt, böten sich die Frauen auch untereinander Schutz.

Wie weit die Suche nach Alternativstandorten zur Domagk-Straße/Am Propsthof gediehen sei, dazu mochte Wahrheit nichts sagen: "Ich will keine öffentliche Diskussion über die Standorte."

Die Prüfung laufe. Auf der Suche nach Ort und Art des Strichs steht sie auch im Kontakt mit der Polizei. "Ich bin in beiderlei Hinsicht noch nicht festgelegt", sagte Wahrheit, die sich weiter in anderen Städten und nach deren Lösungen umschauen will.

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