Sharia-Police in Bonn Sitten-Patrouille zieht durch City

BONN · Trotz des Uniformverbots sind Salafisten nachts offenbar als Tugendwächter unterwegs. In der Bonner Innenstadt finden sie im Wochenende scheinbar nur wenig "Verirrte".

Ihre "Sharia Police"-Westen hatten sie dieses Mal wohlweislich nicht angezogen. Zu groß war der Wirbel nach ihrem ersten Auftritt, als die Behörden das Tragen der "Uniform" verboten. Was eine Gruppe von Salafisten aber offensichtlich von ihrer Mission nicht abhält: auch auf den Straßen der Bonner Innenstadt versuchen sie, Muslime, die aus ihrer Sicht vom rechten Pfad abgekommen sind, wieder auf selbigen zurückzuführen.

So stellt es einer der bekanntesten deutschen Salafistenprediger, Sven Lau, in einem neuen Internetvideo auf einem einschlägigen Kanal bei Youtube dar. Und die Botschaft an die Behörden ist unmissverständlich: "Wir machen weiter."

Es gibt zwei Versionen des Videos: Eine davon hat einen Vorspann, in dem ein Ausschnitt aus der Satiresendung "Heute Show" zu sehen ist. Der Kabarettist Serdar Somuncu macht sich darin auf bissige Art unter dem Motto "Die 100 nervigsten religiösen Splittergruppen" über Laus Scharia-Polizei lustig. Das Ganze endet mit dem Aufruf: "Kommt doch mal nach Köln. Da habt ihr so viel zu tun, dass ihr nach drei Stunden einen Burn-out habt."

Kurz darauf stellten die Salafisten ein Video ins Internet: "Wir sind hier auf den Kölner Ringen", erklärt einer von Laus jungen Mitstreitern, wie der 33-jährige Salafistenprediger leger im Trainingsanzug gekleidet. Und der junge Mann will den Adressaten des Propagandavideos weismachen, "dass die Leute uns kennen und viele sich freuen, uns zu sehen".

Eigenen Aussagen zufolge waren sie zuvor in Wuppertal und Leverkusen unterwegs. Die nächste Station nach Köln ist Bonn. Die Aufnahmen belegen, dass die Salafisten nachts durch Straßen und über Plätze der City schlendern, auf der Suche nach verlorenen Schafen. Was nicht ganz so leicht zu sein scheint, wie Lau feststellt: "Hier in Bonn ist nicht so viel los wie in den anderen Städten."

Das Düsseldorfer Innenministerium verwies auf Anfrage dieser Zeitung an die Pressestelle der Bonner Polizei. "Wir sind wachsam", sagte deren Sprecher Robert Scholten. Allerdings habe man bislang keine Hinweise darauf, dass die Gruppe um Sven Lau tatsächlich auch Personen angesprochen hat. Um gegen mögliche Umtriebe der Salafisten vorgehen zu können, müssten sich die Leute, "die konkret belästigt werden oder sich belästigt fühlen", aber bei der Polizei melden.

Dabei scheinen solche Aktionen wie die des aus einem katholischen Elternhaus stammenden und zum Feuerwehr-Brandmeister ausgebildeten Konvertiten Lau nicht neu und keine Ausnahme zu sein. Noch im vorigen Jahr zog Laus Mitstreiter Pierre Vogel nachmittags durch Tannenbusch und die Altstadt und ermahnte junge Leute, sich an die Gesetze des Islams zu halten. Sportpädagoge Younis Kamil, der in Tannenbusch beim Träger "Rheinflanke" Jugendsozialarbeit macht, weiß von seinen Schützlingen, dass manch eine Schule in Tannenbusch und Godesberg "massive Probleme mit Leuten hat, die strengreligiös sind und Druck auf Mitschüler ausüben".

Auch in seinem eigenen Sportverein Al-Hilal hat Kamil das Phänomen beobachtet. "Ich schreite da aber souverän ein." Beeinflussungen von Jugendlichen würden nicht geduldet. Andererseits stellt Kamil fest, dass immer mehr Jugendliche, auch die religiösen, "sehr genervt" auf Ermahnungen von Salafisten reagieren.