Studien mit menschlichen Probanden So arbeitet die Ethikkommission der Mediziner an der Uni Bonn

BONN · Die Ethikkommission der medizinischen Fakultät der Universität Bonn bekommt immer mehr Anträge auf den Tisch für Studien mit menschlichen Probanden. Für solche gibt es genaue Vorschriften.

 Für Versuche an Menschen gibt es strenge Vorschriften.

Für Versuche an Menschen gibt es strenge Vorschriften.

Foto: dpa

Die Ethikkommission der medizinischen Fakultät der Universität Bonn bekommt jedes Jahr 420 bis 430 Anträge auf den Tisch, bei denen Wissenschaftler des Hauses klinische Studien mit menschlichen Versuchsteilnehmern machen wollen. In den Neunziger Jahren waren es nur rund 200 Anträge im Jahr, erläutert der Vorsitzende der Ethikkommission, Professor Kurt Racké.

„Der Anstieg ist vor allem ein Beleg dafür, wie aktiv die medizinische Fakultät in wissenschaftlicher Hinsicht ist“, erläutert Racké. Besonderes Augenmerk werde bei Anträgen darauf gelegt, dass die Probanden gut darüber informiert würden, wie die Studie ausgestaltet ist, auf die sie sich einlassen, und welche Risiken es gibt. Es gehe aber auch um Fragen, ob die Studienleiter und beteiligte Mitarbeiter über ausreichende Qualifikation und Erfahrung verfügen.

Es gibt in Deutschland genaue Vorschriften, welche Institutionen zustimmen müssen, wenn wissenschaftliche Versuche gemacht werden sollen, an denen Menschen beteiligt sind. Durch die Welle der Empörung nach dem Bekanntwerden von Versuchen mit menschlichen Probanden am Universitätsklinikum Aachen im Auftrag einer Lobbyvereinigung der deutschen Autoindustrie sind die Studien im Auftrag von Unternehmen ins Blickfeld gerückt.

Beim Experiment wurden 2013 junge, gesunde Personen untersucht, nachdem sie jeweils über mehrere Stunden NO2 in unterschiedlichen Konzentrationen eingeatmet hatten. Das Ergebnis war, dass keine Wirkung festgestellt werden konnte. Die Studie von 2013 habe sich mit dem Stickstoffdioxidgrenzwert am Arbeitsplatz befasst, erklärte der zuständige Institutsleiter Thomas Kraus am Montag. In der Diskussion über eine Absenkung des Stickstoffdioxidgrenzwerts am Arbeitsplatz hätten Experten kritisiert, dass es zu wenig Erkenntnisse dazu gebe, teilte das Klinikum mit. Darum seien für die Studie 25 gesunde Menschen Belastungen ausgesetzt worden, die deutlich unter denen vieler Arbeitsplätze lägen.

Wissenschaftler müssen sich um Drittmittel bemühen

Die von den Konzernen VW, Daimler und BMW gegründete Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) förderte die Studie. Auch beim Aachener Experiment hat die Ethikkommission des Universitätsklinikums zugestimmt. Racké weist darauf hin, dass Wissenschaftler angehalten seien, einen Teil ihrer Einnahmen über zusätzliche Mittel für Forschungsprojekte von anderen Geldgebern, Drittmittel genannt, einzuwerben. „Da bewegen sich Wissenschaftler gelegentlich in einem Spannungsfeld“, meint der Vorsitzende der Ethikkommission.

Universitäten haben oft eine knappe Finanzlage. Deshalb müssen sich Wissenschaftler um Drittmittel kümmern, die von Unternehmen, Stiftungen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gezahlt werden. Dazu kommen Stiftungsprofessuren. Diese werden von externen Geldgebern wie Konzernen finanziert. Wenn es um Studien mit menschlichen Versuchspersonen geht, die für die Entwicklung von Arzneimitteln wesentlich sind, muss das Bonner Institut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sie genehmigen. In bestimmen Fällen wie bei Impfstoffen ist das Paul-Ehrlich-Institut zuständig.

Nach jüngst veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes warb 2015 ein Professor an deutschen Universitäten (ohne medizinische Einrichtungen/Gesundheitswissenschaften) im Durchschnitt Drittmittel in Höhe von 257.600 Euro ein. Das waren 0,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Von den fast 6,8 Milliarden Euro Drittmitteln, die von den Universitäten (einschließlich medizinische Einrichtungen) eingeworben wurden, entfielen 25,8 Prozent auf die medizinischen Einrichtungen. Die Fächergruppe mit den höchsten Drittmitteleinnahmen je Universitätsprofessor war mit 591.000 Euro (plus 4,7 Prozent) die Humanmedizin (ohne Gesundheitswissenschaften).

Erste Ethikkommissionen in den Siebziger Jahren

An zweiter Stelle folgten die Ingenieurwissenschaften mit durchschnittlich 570.700 Euro. Die höchsten Drittmitteleinnahmen je Professor erzielten die Technische Hochschule Aachen, Universität Stuttgart und Technische Universität München.

Die ersten Ethikkommissionen an Unikliniken sind in den Siebziger Jahren entstanden. Seit 1972 macht die DFG die Forschungsmittel von der Beurteilung des Forschungsvorhabens durch eine Ethikkommission abhängig. Schon 1964 hat der Weltärztebund 1964 eine umfassende Forschungsrichtlinie für Ärzte, die als Deklaration von Helsinki bezeichnet wird, verabschiedet.

Diese Resolution verlangt vom Arzt, jedes humanmedizinische Forschungsprotokoll „einem besonders berufenen, von Prüfer und Auftraggeber unabhängigen Ausschuss zur Beratung, Stellungnahme und Orientierung“ vorzulegen. Ärzte sind auch durch ihre Berufsordnung verpflichtet, das jeweils zuständige Gremium zu konsultieren. Universitätsinterne Vorschriften legen das auch für nichtärztliche Forscher fest.

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