Zeitreise ins Jahr 1900 So lebte es sich vor über 100 Jahren in Bonn

Bonn · Das Stadtmuseum Bonn zeigt mit der Ausstellung „Bonn um 1900“, wie das leben vor 120 Jahren war. Bei einem Familientag am Wochenende nahmen Beate und Kai-Ingo Weule die Besucher mit auf eine besondere Zeitreise.

In traditioneller Ausgehkleidung posieren Beate und Kai-Ingo Weule vor einem Fotoatelier der Jahrhundertwende. Neben einer gemalten italienischen Landschaft, die als Fotokulisse genutzt wurde, findet sich auch die Uniform eines Königshusaren.

In traditioneller Ausgehkleidung posieren Beate und Kai-Ingo Weule vor einem Fotoatelier der Jahrhundertwende. Neben einer gemalten italienischen Landschaft, die als Fotokulisse genutzt wurde, findet sich auch die Uniform eines Königshusaren.

Foto: Jan-Oliver Nickel

Das Stadtmuseum Bonn hatte am Sonntag zu einem besonderen Familientag eingeladen, Beate und Kai-Ingo Weule nahmen die Besucher dabei auf eine Zeitreise mit. Anlass dafür war die aktuelle Ausstellung zum Thema „Bonn um 1900“. Besonders der Lebensalltag der einfachen Bevölkerung steht dabei im Fokus, wobei sich zeigt, dass selbst ein Friseurbesuch damals eine brandgefährliche Angelegenheit sein konnte.

Bonn war eine sehr reiche Stadt

Zu Zeiten der Jahrhundertwende sei Bonn eine sehr reiche Stadt gewesen, so Weule. Wohlhabende Menschen im Ruhestand hätten das milde Klima am Rhein geschätzt und sich nach ihrem Arbeitsleben angesiedelt. Im Gegensatz zum Ruhrgebiet, wo laut Weule etwa 75 Prozent der Bevölkerung dem Proletariat zuzuordnen waren und ihren Lebensunterhalt teils mit Schwerstarbeit in den Bergwerken verdienten, seien es in Bonn weniger als 40 Prozent gewesen. Auch die Arbeit sei eine andere gewesen. „In Bonn gab es wenig Industrie, dafür aber viele Haushaltsangestellte“, sagt Weule. So sei es für eine wohlhabende Familie nicht unüblich gewesen, bis zu sieben Bedienstete zu engagieren, die sich die unteren Etagen eines Hauses teilten, während die Hausbesitzer in den oberen Etagen wohnten.

In Beuel wurde wegen des Wetters viel gewaschen

Ohne Waschmaschine musste die Wäsche damals noch mit einem Waschbrett saubergeschrubbt werden. Eine aufwendige Arbeit, an die heutzutage die Beueler Wäscherprinzessin zu Karneval erinnert. Dass viel in Beuel gewaschen wurde, habe primär mit dem Wetter zu tun gehabt. „Die weiße Wäsche musste gewaschen und gebleicht werden. Da in Beuel viel häufiger die Sonne schien als am anderen Rheinufer, waren die Beueler Rheinuferwiesen für den Bleichprozess hervorragend geeignet“, so Weule.

Verbrannte Haare und gestellte Fotos

Zwischen 1870 und 1914 wuchs die Zahl der Bonner Friseurbetriebe von 40 auf 128. Dass insbesondere Männer täglich den Friseur aufsuchten, scheint zunächst überraschend. „Wer etwas auf sich hielt, ließ sich vom Friseur täglich die Haare im Gesicht rasieren“, erklärt Weule. Doch so sicher wie heute war der Friseurbesuch damals nicht. Um etwa den hochstehenden Bart von Kaiser Wilhelm zu erzeugen, wurden Brennscheren in Spiritus-Öfchen erhitzt, die anschließend die Haare so lang verbrannten, bis sie sich kräuselten.

Beim Fotografen ließ man sich meist in der besten Uniform und im Ausgehkleid minutenlang ablichten. Wie Weule erklärte, wurde dabei auch gern der Schein einer Urlaubsreise künstlich erzeugt, wenn Paare im Fotoatelier vor Gemälden italienischer Naturszenen posierten. Die Realität zeigen diese Bilder allerdings selten, da die langen Belichtungszeiten dafür sorgten, dass Fotos aus der damaligen Zeit oft sehr gestellt anmuten.

Auch mit den Schattenseiten der damaligen Zeit will sich die Ausstellung beschäftigen. So soll etwa die Nostalgie für Institutionen wie dem „Tante-Emma-Laden“, der seinerzeit noch Kolonialwarenladen hieß und auf der Ausbeutung der Kolonialbevölkerung basierte, stärker hinterfragt werden, so Weule. Es sei problematisch, wenn der Import von Gütern wie Bananen und Kaffee damals, rückblickend als „heile Welt“ dargestellt wurde, sagte er.

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