Ausblick in Bonn So sieht Beethoven den Münsterplatz
Bonn · Die Beethoven-Statue hat seit 1845 das Geschehen auf dem Münsterplatz im Blick. Nachdem das Standbild jetzt für eine notwendige Sanierung abgebaut wurde, übernimmt der GA für einen Tag den Blick auf das Treiben.
Die Beethoven-Statue hat sich sicher längst daran gewöhnt, dass ständig Kameralinsen auf sie gerichtet sind. Und selbst ihre Abwesenheit wird fotografiert: Seit Mittwoch steht das Abbild des Komponisten wegen der notwendigen Sanierung nicht mehr auf seinem Sockel. Doch kehren wir den Blick einmal um: Vielleicht waren es nicht wir, die Beethoven ständig betrachtet haben, sondern die Statue war es, die unser Treiben stetig mitverfolgt hat. Während sich Beethoven nun für weitere Fotos herausputzt, hat der GA am Samstag seine Beobachterrolle auf dem Münsterplatz übernommen.
„Wo ist er denn?“, fragt eine Frau, als sie am Sockel ankommt. „Ist abgeholt worden“, antwortet ihre Begleiterin. „Kommt aber wieder“, fügt sie hinzu, nachdem sie den Infozettel der Stadt gelesen hat. Ob Beethoven wohl noch wusste, was hinter seinem Rücken lag? Spätestens nachdem er am Mittwoch mit einem Kran von seinem Sockel geholt wurde, hat er alles einmal gesehen: das historische Postgebäude, das ihm stets eine gelb-strahlende Kulisse verlieh, das Modekaufhaus TK Maxx, die Straßen, die zum Bottler- und Friedensplatz führen. Oder das ehemalige Karstadt-Gebäude, in dem derzeit nur das Untergeschoss von den Kunden der Filialen von Aldi und DM belebt werden.
Gedanken über das Kommen und Gehen am Münsterplatz
Gehen vielleicht all die Menschen, die nun auf den Sockel zukommen, auf die Post zu, um einen Liebesbrief abzuschicken? Wollen sie eine warme Winterjacke kaufen oder wollen sie ihren Kühlschrank füllen? Und wohin gehen all jene, die aus Beethovens Blickfeld in die Remigiusstraße oder Richtung Bahnhof verschwinden? Sind es Bonner oder Menschen, die die Stadt besuchen?
Vielleicht treffen sie sich mit einem alten Freund im Café, vielleicht machen sie einen Winterspaziergang, vielleicht wollen sie Weihnachtsgutscheine einlösen oder sie gehen gerade einem guten Vorsatz fürs neue Jahr nach. All das vermag Beethoven nicht zu sagen. Er sieht immer nur Momentaufnahmen, ist aber wohl der einzige Zeuge, der so viele Momentaufnahmen über eine so lange Zeit von 1845 bis heute gesammelt hat.
Auch das nahe Münster putzt sich gerade heraus
Neben all dem sich minütlich ändernden Treiben gibt es auch Konstanten in seinem Blickfeld: Die Gebäude. Beethoven schaut auf Turmspitzen – die des Universitätsgebäudes, der Kreuzkirche und natürlich die des zweiten prägenden und namensgebenden Denkmals auf dem Platz: Auch das Münster putzt sich weiterhin heraus. Lange haben Beethoven und die Bonner das sakrale Gebäude nicht mehr ohne Gerüste, Bauzäune oder Werbeplakate an seinen Mauern gesehen. Seit rund vier Jahren wird es jetzt schon saniert.
Während der Kreuzgang bereits wieder zugänglich sind, wird die Außensanierung noch voraussichtlich bis 2023 andauern. Was würde Beethoven dazu sagen? Seine Liebe zu dem sakralen Gebäude hat der Komponist einst im Gespräch mit seinem Bonner Freund Franz Gehard Wegeler geäußert. Er denke „an das alte liebe Rathaus und an den Münsterplatz mit dem schönen alten Münster, und an das Schloss am Rhein - dafür gäbe ich ganz Wien hin.“
Aktuell lockt eine Ausstellung auf den Platz
Auf seinem hohen Sockel steht die Beethoven-Statue über allem und kann den Blick so auch über jegliche Aufbauten auf dem Münsterplatz schweifen lassen. An diesem Samstag hätte er die Ausstellung „Mensch-Arbeit-Handicap“ der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BWG) und die Infostände des Vereins Grünes Licht für Kinder überblickt. Während er in seinem Rücken einer Corona-Demo mit etwa 40 Teilnehmern hätte zuhören können, wäre er frontal mit lauter Popmusik beschallt worden.
Wie viel Musik, wie viele Demos, wie viele Veranstaltungen hat die Beethoven-Statue wohl schon beobachtet? Zuletzt tauchte der Weihnachtsmarkt Beethovens Heimat in weihnachtliche Vorfreude und Gerüche. 2021 konnte Beethoven die Buden und das winterliche Treiben wieder erleben, nachdem er den Weihnachtsmarkt 2020 aufgrund von Corona vermissen musste.
Der alte Meister ist von der Maskenpflicht befreit
Ein gewohntes Bild kehrte mit dem Weihnachtsmarkt wieder in sein Blickfeld zurück: Die Masken. Seit dem Markt gilt die Maskenpflicht in der Innenstadt wieder, vorerst bis zum 12. Januar. Und so sind auch an diesem Samstag die Gesichter der Menschen von Masken bedeckt, die auf dem Münsterplatz schlendern, sich fragen, wo Beethoven ist, den Infozettel der Stadt lesen oder den leeren Sockel fotografieren. Wie das aussehen wird, wenn Beethoven im Sommer auf seinen Sockel zurückkehrt, vermögen wir nicht zu sagen. Beethoven wird sich dann aber sicher ganz genau anschauen, wie sich sein Platz in der sechsmonatigen Abwesenheit verändert hat.