Umbau der ehemaligen Pestalozzischule So soll das neue Stadtarchiv einmal aussehen

Bonn · Die ehemalige Pestalozzischule wird derzeit zum künftigen Standort des neuen Stadtarchivs umgebaut. Dabei kommen auch Zeugnisse längst vergangener Tage wieder zum Vorschein.

Constanze Falke, Denkmalschutzberaterin beim Städtischen Gebäude-Management (SGB), zeigt ein Bild des historischen Vortragsraumes. Dort soll der Lesesaal des Stadtarchivs entstehen.

Constanze Falke, Denkmalschutzberaterin beim Städtischen Gebäude-Management (SGB), zeigt ein Bild des historischen Vortragsraumes. Dort soll der Lesesaal des Stadtarchivs entstehen.

Foto: Martin Wein

Die Fliesen fallen als erstes ins Auge. Bis in Schulterhöhe sind damit die Wände im Eingangsbereich der ehemaligen Pestalozzischule bedeckt. Ihre Farbe beschreibt man mit etwas gutem Willen als vollmilchschokoladenbraun. 1912 als Bonns erste Berufsschule mit Klassen für Jungen und Mädchen ihre Türen öffnete, war so etwas der letzte Schrei.

Die Pestalozzischule entstand, als Bonn in Blüte stand. Die Südstadt der Millionäre war schon fertig, die Nordstadt gerade im Werden, die Wilhelmschule und das Combahnviertel in Beuel ebenfalls im Bau. Der Historismus verklärte die „gute alte Zeit“ und Kaiser Wilhelm II. war ein gern gesehener Gast.

„Bonn war damals sehr stolz auf seine Berufsschule“, sagt Constanze Falke vom Städtischen Gebäude-Management (SGB). Zur Einweihung habe der Magistrat eine ganze Fotoserie in Auftrag gegeben. Die liegt heute gut verwahrt im Stadtarchiv. Als Denkmalschutz-Beraterin sorgt Falke dafür, dass beim Umbau des ehemaligen Schulgebäudes an der Budapester Straße möglicht viel von der alten Bausubstanz erhalten bleibt. Was hier entsteht, ist der neue Standort des Stadtarchivs.

Das ist eine ganze Menge, wie jetzt eine erste Begehung der Baustelle zeigt. Im Zweiten Weltkrieg blieb das Gebäude von Luftminen verschont. Lediglich für den Bau der unterirdischen Stadtbahntrasse und die Verbreiterung der B56 musste in den 1970er-Jahren der sogenannte Direktorenflügel an der Stirnseite weichen.

Eichenparkett von 1911 liegt noch

Ansonsten wurde binnen fünf Generationen zwar immer wieder übergespachtelt und gestrichen. Aber in den Klassenräumen liegt noch das alte Eichenparkett aus den Baujahren 1911/12. Im Flur empfängt unverwüstlicher Terrazzo-Boden in rot, weiß und schwarz die Besucher wie ein roter Teppich. Im geräumigen Treppenhaus zu den vier Stockwerken zeigt Falke die gusseisernen Handläufe, die schützenden Zierleisten an den Pfeilern und die Kapitelle mit Stuckrosetten darüber.

Und da sind die besagten braunen Fliesen, die einst Wessels Wandplattenfabrik aus Poppelsdorf geliefert hatte. Dazu passten früher die hölzernen Wandschränke in den Nischen im großen Flur, die zwar übermalt wurden, aber dennoch 110 Jahre überstanden haben. Sie sollen jetzt gebeizt werden und sich wie einst farblich den Fliesen anpassen.

Natürlich müsse auch ein Baudenkmal an die Bedürfnisse der neuen Nutzer angepasst werden, betont Volker Assenmacher, Teamleiter in der SGB-Abteilung Neubau. Deshalb wurde in den vergangenen Monaten in allen Räumen der Putz bis zum ursprünglichen Ziegelmauerwerk von den Wänden geschlagen. Darin hatte sich Asbest aus den Nachkriegsjahrzehnten gefunden. In den kommenden Jahren soll ein neuer Verputz in den alten Farben angebracht werden. Dabei werden auch alte Bogenfenster in der Vorhalle und ovale Fenster über den Klassentüren wieder geöffnet.

Auch energetisch wird das Gebäude saniert. So kommen Kastenfenster vor die alten Eichenfenster im Flur. Andere Fenster werden ausgetauscht. Auch die gesamte Installation wird erneuert und ein Fernwärmeanschluss gelegt.

Am ehesten soll der alte Vortragssaal im Originalzustand erhalten bleiben. Dort können Archivnutzer künftig im Lesesaal die Archivbestände nutzen. Für die Aufbewahrung des Archivguts ist hingegen eine moderne Lösung vorgesehen, die den heutigen Erhaltungsanforderungen von konstant 18 Grad Celsius und 40 Prozent Luftfeuchte entspricht.

Bau soll Ende 2024 fertig werden

Dazu entsteht anstelle des abgerissenen Anbaus aus den 1950er-Jahren ein fensterloser Neubau mit zwei Keller- und zwei Obergeschossen. Die Baugrube wurde seit November ausgehoben. „Wir hoffen, dass wir Ende 2024 mit dem Bau fertig werden“, sagt Assenmacher. Drei Monate später könnte dann der Umzug des Archivguts beginnen, wenn die 4500 Kubikmeter Beton getrocknet sind und die klimatischen Verhältnisse sich eingependelt haben. 3750 Quadratmeter Magazinfläche mit 30,5 Kilometern Regallänge stehen dann zur Verfügung. Auch für die Überlieferung der kommenden 25 Jahre ist damit ausreichend Platz. Danach wird wahrscheinlich das meiste digital gespeichert. Rund 29 Millionen Euro sind für das Gesamtprojekt eingeplant.

Archivleiterin Yvonne Leiverkus kann den Umzug kaum erwarten. Schließlich entsprächen die Magazinräume im Stadthaus aus den 1970er-Jahren nicht mehr den heutigen Lagerungsansprüchen. Bei Starkregen gebe es Feuchtigkeitseinbrüche. Außerdem müsse ein Teil des umfangreichen Archivguts längst an zwei Außenstandorten gelagert werden. Die Folge seien nicht nur Kosten für die Miete, sondern auch lange Fahrzeiten der Beschäftigten.

Logistisch dürfte der Umzug der riesigen Papiermengen zwar eine Herausforderung werden. „Aber zum Glück ist es ja nicht so weit“, tröstet sich Leiverkus. Ihr Chef Philipp Hoffmann weist als Leiter des Zentrums für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen - zu dem das Stadtarchiv gehört - dem Bauprojekt Pestalozzischule auch eine Leuchtturmfunktion für die neuen Standorte von Stadtmuseum und der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus zu. „Das wird uns alle beflügeln“, sagt Hoffmann.

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