In der Müllverwertungsanlage So verlief die erste Kleidertauschparty in Bonn

Bonn · Gelungene Premiere an einem ungewöhnlichen Ort: Die erste Kleidertauschparty in der Bonner Müllverwertungsanlage war nicht leicht zu finden, dafür aber umso besser vorbereitet.

 Laura Lütz (links) und Viktoria Pinsdorf haben Spaß am nachhaltigen Kleidertausch.

Laura Lütz (links) und Viktoria Pinsdorf haben Spaß am nachhaltigen Kleidertausch.

Foto: Stefan Hermes

Rund 60 Kleidungsstücke kauft durchschnittlich jede Person in Deutschland pro Jahr. Jeder fünfte Kauf kommt dabei erst gar nicht zum Tragen. So landen in Deutschland jährlich 1,5 Milliarden Kleidungsstücke im Müll. „Fast Fashion ist für Dich keine Option?“, fragte die SWB Verwertung und lud damit am Mittwochabend zu ihrer ersten Kleidertauschparty in die Müllverwertungsanlage (MVA) am Dickobskreuz.

Wer es einmal geschafft hatte, den im Dunkeln liegenden Eingang des Verwaltungsbaus zu finden und das Überfahren der roten Ampeln auf dem Betriebsgelände hinter sich brachte, fand sich in einem aufgeräumten Saal wieder, in dem die abgegebenen Kleidungsstücke von SWB-Mitarbeiterinnen nach Größen sortiert auf Tischen ausgelegt waren, und jeder konnte sich nach Herzenslust „neu“ einkleiden. Die Idee ist nicht neu. Tauschpartys gibt und gab es in Bonn bereits von verschiedensten Umweltinitiativen sowie von kommerziellen Anbietern. Doch die Bonner Stadtwerke (SWB) konnten nun im Rahmen der aktuellen Abfallvermeidungswoche den ausrangierten Kleidungsstücken mit einem außergewöhnlichen Ambiente eine Zukunftsperspektive geben.

„Es sind immer mehr Bürger in Bonn, die sich für Nachhaltigkeit engagieren“, sagte Saskia Kutsche von der SWB Verwertung und ließ sodann über einige imposante Zahlen wissen, dass über die thermische Verwertung von rund 260 000 Tonnen Haushaltsmüll, die in der MVA jährlich anfallen, etwa 50 000 Tonnen CO² eingespart werden könnten, da über Energierückgewinnung 19.000 Haushalte mit Strom und 10.000 Wohnungen mit Fernwärme versorgt würden.

„Kinderarbeit in Bangladesch, und die Kleidung muss durch die ganze Welt geschickt werden“, sind für Winfried Wershofen nur zwei von vielen Argumenten, warum er zum Kleidertausch gekommen ist. „Wir leben ja in einer schizoiden Gesellschaft mit immer mehr Schein als Sein“, ereifert sich der Therapeut. „Als hätten wir keine anderen Probleme, als dem ganzen Schickimicki-Trend hinterherzulaufen.“

Die beiden 27-jährigen Freundinnen Viktoria Pinsdorf und Laura Lütz sind zum ersten Mal bei einem Bonner Kleidertausch. Lütz kannte das Prinzip aus Berlin, wo es allerdings als „Mädelstag“ in einem großen Hotel mit diversen Beauty-Angeboten einherging. „Ansonsten sind wir oft auf Flohmärkten, wo wir auch mit unseren Freundinnen tauschen“, verrät Pinsdorf die Herkunft ihrer Kleidung. Für beide ist vor allem die Nachhaltigkeit der Antrieb. „Außerdem riecht neue Kleidung immer so unangenehm“, sagt Lütz.

Auch für Bianca Ludwig (22) aus Kessenich ist das Tauschen und Tragen von Gebrauchtkleidern eine Selbstverständlichkeit. Kritisch sieht sie den Verkauf von Secondhand-Kleidern, weil damit das Geld zum Kauf neuer Kleider verdient werde. „Wenn ‚Vintage‘ zur Mode wird“, sagt sie, „ist ja der Sinn von Nachhaltigkeit nicht mehr zu erkennen.“

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