Kunst!Palast in Bonn Sophie Hunger begeistert ihre Fans

BONN · Sie trägt das gleiche ärmellose schwarze Kleid wie bei ihrem Konzert im März dieses Jahres im Kölner Gloria. Die dreißigjährige Emilie Jeanne-Sophie Welti-Hunger wirkt darin wie ein junges Mädchen, das am Flügel ihre Abiturfeier eröffnet. Schnitt - denn damit enden alle Parallelen zwischen dem Kölner und dem Bonner Auftritt.

 Sophie Hunger gibt sich im Bonner Kunst!Palast rockig.

Sophie Hunger gibt sich im Bonner Kunst!Palast rockig.

Foto: Horst Müller

Präsentierte sie sich in Köln noch als launige, freundlich und pointensicher Geschichten erzählende Tochter aus gutem Hause, die mit melancholischem Soul-Jazz Jung und Alt für sich einzunehmen weiß, ist sie an diesem Abend die Rockerin der frühen Jahre, deren Stücke sich in funkelnden Klanggewittern entladen.

Ein explosives "Rererevolution" eröffnet den Abend. Unter dem Stakkato des Klavierspiels schreit sie "wo ist meine Revolution?" Das könnte Punk sein, wenn nicht das Flügelhorn von Alexis Anèrilles dazu so betörend flüstern würde. Ein gelungener Auftakt.

"Ich werde niemals mit der Stimme einer schwarzen Frau geboren oder so stark wie ein Mann im Trench sein", singt sie im zweiten Stück "Can you see me". Sie klingt nicht wie Nina Simone, wirkt auch nicht stark wie Humphrey Bogart, aber ihre Stimme ist klar und stark und lässt im Zusammenspiel mit den schrägen Sololäufen ihrer Cellistin Sara Oswald Schauer über den Rücken der Zuhörer laufen. Immer wieder ist es das Cello, das dem Wohligen, dem Eingängigen die Schönheit des Dissonanten entgegensetzt. Nach dem dritten Stück wendet sich Sophie Hunger an das Bonner Publikum. "Es ist ein unheimlich heimeliges Gefühl der Vertrautheit, wieder in Bonn zu sein", sagt die Schweizer Diplomatentochter, die einen Teil ihrer Kindheit in dieser Stadt verbrachte.

Es folgt "The Boat is Full". Ausländerfeindlichkeit setzt sie die entlarvende Frage entgegen, "was haben wir denn erreicht, wenn dies das Ende sein soll?" Eine Stimme die anklagt, die schreit, die ein klares Statement ohne Gutmenschentum setzt. Eine Sternstunde des Abends.

Reflektiertes, sensibles Anderssein ohne Bekennerattitüde macht sie überzeugend und sympathisch. Wenn sie - wie an diesem Abend - ihre Band immer wieder mit heftigen Armbewegungen zu berauschenden Sounderuptionen antreibt, wird daraus "eine Sause", wie sie es nennen würde. Eine Untertreibung. Man muss von einem magnetischen, einem magischen Konzert sprechen.

"Das kommt davon, wenn man zu spät ins Bett geht und zu viel trinkt", kommentiert sie das Ereignis. Wenn dies ein Patentrezept ist, wünscht man ihr noch viele lange, trinkfreudige Nächte. Am Ende der zweiten Zugabe wird Sophie Hunger der Saft abgedreht, die zulässige Dezibelhöhe ist überschritten. Sie wendet die Situation und singt ohne Mikro zu Piano und Chorgesang der Band ein eindringliches "Trainpeople". Aus dem lärmenden Konzert wird ein Moment der Andacht. Was für eine wundersame Wendung!

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