Kommunalwahl SPD und CDU planen eine Sperrklausel wiederzubeleben

NRW · Wenn Winrich Granitzka an den 8. April dieses Jahres denkt, überfällt ihn ein gelindes Unwohlsein. Um 14.30 Uhr begann vor einem Monat eine Mammutsitzung des Kölner Stadtrates, fast 160 Tagesordnungspunkte standen zur Beratung an.

Um 0:30 Uhr in der Nacht hatten die erschöpften Ratsdamen und -Herren dann auch den letzten Tagesordnungspunkt abgearbeitet. "Vernünftig ist das nicht", sagt Granitzka, der die 25-köpfige CDU-Fraktion im Kölner Stadtrat anführt. "Welcher normale Mensch kann sich so etwas zeitlich denn leisten?", fragt der CDU-Politiker.

Granitzka ist ein entschiedener Befürworter einer Sperrklausel für Kommunalparlamente. Was auf Bundesebene mit der Fünf-Prozent-Hürde gilt, sollte seiner Meinung nach auch die Arbeit in Städten und Gemeinden erleichtern. Nicht selten sitzen in den Räten sechs oder sieben Fraktionen, dazu kommen die politischen Einzelkämpfer.

"Einzelmeinungen halten die Entscheidungsfindung unnötig lange auf", meint der CDU-Politiker. "Selbst wenn inhaltlich alles zu einem Thema gesagt ist, geht die Diskussion weiter, weil noch nicht jeder seine Meinung geäußert hat." Nach der Kommunalwahl am 25. Mai wollen die großen Parteien im NRW-Landtag einen neuen Vorstoß zur Einführung einer Sperrklausel unternehmen.

Splitterparteien und unabhängigen Kandidaten soll der Einzug in die Kommunalparlamente erschwert werden. Zur nächsten Kommunalwahl 2019 könnte die Hürde dann aufgerichtet werden. "Es gibt den vielfachen Wunsch von Kommunalpolitikern: Macht uns die Arbeit leichter", begründet Hans-Willi Körfges die Pläne.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion sieht durch das Wahlsystem einseitig kleine Parteien oder Einzelkandidaten begünstigt. "Ein paar Hundert Stimmen reichen ja manchmal, um in einen Rat einzuziehen", so Körfges. "Wir müssen etwas unternehmen, um die Räte handlungsfähig zu halten."

Vorbild für eine Reform ist Berlin, wo für die Bezirksparlamente eine Drei-Prozent-Klausel gilt. Allerdings ist Berlin auch das einzige Bundesland, in dem es eine kommunale Wahlhürde gibt. Die in NRW bis dahin gültige Fünf-Prozent-Klausel kassierte das Landesverfassungsgericht 1999, weil es das Grundrecht auf Chancengleichheit und Gleichheit bei der Wahl verletzt sah.

Über die "wohlfeilen Argumente" der großen Parteien in Sachen Sperrklausel kann Bernhard Wimmer deshalb auch nur "schallend lachen". Wimmer ist Anführer der dreiköpfigen Ratsfraktion des Bürger Bund Bonn (BBB), einer freien Wählergruppe, die 1991 im Zusammenhang mit dem Beschluss zum Regierungsumzug nach Berlin entstand.

Für Wimmer ist klar: "Die Großen wollen sich eine lästige Laus vom Pelz schaffen." Der ehemalige Bonner Kämmerer und Kölner Stadtdirektor sieht zwar die "unheimliche Belastung" für die Kommunalpolitiker. Eine Sperrklausel würde das Problem aber nicht lösen, da ist er sicher.

"Die Bürger beginnen doch deshalb, sich von der Politik abzuwenden, weil sie meinen, sie werden nicht gehört", so Wimmer. Die kleinen Fraktionen in den Räten hätten auch eine "Ventilfunktion". Für skandalös hält er vielmehr die Praxis der Vorabsprachen von Entscheidungen in den großen Fraktionen. "Man diskutiert nicht mehr auf öffentlicher Bühne. Deshalb geht die Demokratie in der Kommunalpolitik vor die Hunde", klagt Wimmer.

Sorgen macht sich der BBB-Mann wegen der Pläne von SPD und CDU aber nicht wirklich. Die seien "ohne Chance", ist Wimmer überzeugt. Eine Meinung, mit der er nicht alleine steht. Denn für die NRW-Verfassungsrichter war die Funktionsfähigkeit der Kommunalparlamente das entscheidende Kriterium.

Und die sei in NRW nicht gefährdet, auch wenn Splittergruppen und Solopolitiker die Ratsbänke bevölkern, befindet auch der Bonner Politologe Volker Kronenberg: "Die Kommunalparlamente sind absolut arbeitsfähig." Auch die Initiatoren eines neuen Sperrklausel-Vorstoßes sind sich der Risiken und Unwägbarkeiten bewusst.

SPD-Mann Körfges rechnet fest mit einer erneuten Verfassungsklage der Gegner und gibt zu: "Die juristische Seite ist schwierig. Die Sache muss man vernünftig vorbereiten." Körfges bringt eine mögliche Änderung der Landesverfassung ins Spiel. Für die aber wäre im Düsseldorfer Landtag eine Zweidrittel-Mehrheit nötig.

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