Stadtfinanzen Sportler gehen wieder auf die Barrikaden

Bonn · Der Streit um die Vertragsverlängerung für den Bonner Theaterchef eskaliert. Die Vereine sind bereit, ein Bürgerbegehren zu organisieren. Im Fokus: Stadtzuschüsse von rund 145 Millionen Euro für Oper und Schauspiel.

Der Stadtsportbund Bonn (SSB) geht auf Konfrontationskurs zum Rat und zur Stadtverwaltung. Mit klarer Mehrheit haben die Mitgliedsvereine am Mittwochabend im Maritim-Hotel den Weg für ein Bürgerbegehren gegen die geplante Verlängerung des Vertrags für den städtischen Generalintendanten Bernhard Helmich freigemacht.

Bei einer Gegenstimme und 17 Enthaltungen ermächtigten die 139 Delegierten den frisch gewählten SSB-Vorstand, notfalls ein kassierendes Bürgerbegehren zu organisieren – formal betrieben von drei Einzelmitgliedern des Verbandes. Aus den Ratsfraktionen und von der Stadtspitze kommt massive Kritik an diesem Vorgehen.

„Der Sport ist nicht gegen die Kultur, und wir sind auch nicht unsolidarisch“, betonte der SSB-Vorsitzende Michael Scharf. Unsolidarisch sei vielmehr, das Theater Bonn für viele Jahre aus der allgegenwärtigen Spardiskussion herauszuhalten.

Die Vereine fürchten umso härtere Einschnitte in der Sportförderung, sobald sich die Bonner Finanznot weiter verschärfen sollte – mit der drohenden Niederlage im WCCB-Bürgschaftsprozess gegen die Sparkasse Köln-Bonn ist das durchaus zu erwarten. Helmichs Vertrag läuft 2018 aus und soll bis 2023 verlängert werden, einschließlich einer Zuschusszusage, die bei 29 Millionen Euro jährlich liegen dürfte – macht insgesamt rund 145 Millionen Euro bei einer Vertragslaufzeit von fünf Jahren.

"Jetzt handeln oder bis 2023 den Mund halten"

Die größte Einzelausgabe der Stadt bei den freiwilligen Leistungen würde damit bis 2023 unantastbar, warnte SSB-Finanzexperte Achim Dehnen. Die Sportler müssten jetzt handeln – oder sie könnten bis 2023 „den Mund halten“. Der SSB fordert, die Theaterzuschüsse in die Spardebatte um den Doppelhaushalt 2017/2018 einzubeziehen, den der Kämmerer nächsten Monat in den Rat einbringen will.

Erst nach der Etatverabschiedung – also frühestens im Dezember – dürfte der Helmich-Vertrag aus SSB-Sicht unterzeichnet werden. Einen vertraglichen Anspruch hat der Generalintendant darauf, dass die Stadt bis Ende Juni mit ihm Gespräche aufnimmt; der Vertragsabschluss selbst darf auch später erfolgen. Sowohl Helmich als auch Kulturdezernent Martin Schumacher betonen aber, es müsse schnellstens Planungssicherheit für das Theater geben – auch mit Blick auf das Beethoven-Jubiläumsjahr 2020. Schumacher will die Vertragseckpunkte samt Zuschusshöhe deshalb im Juni dem Rat vorlegen.

Stimmt der Stadtrat zu, würde der SSB diesen Beschluss wahrscheinlich mit einem kassierenden Bürgerbegehren angreifen. Die Sportler hätten dann drei Monate Zeit, mindestens 9799 Unterschriften von kommunalwahlberechtigten Bonnern zu sammeln. Schaffen sie das, und der Rat schließt sich dem Begehren nicht an, folgt ein Bürgerentscheid. Mit mindestens 24 497 Unterschriften wäre dann der Ratsbeschluss zu kippen.

"Fatal für die Stadtgesellschaft"

Dezernent Schumacher und Oberbürgermeister Ashok Sridharan hatten am Mittwoch noch versucht, den Sportvereinen vor ihrer Abstimmung ins Gewissen zu reden. Es stimme ihn traurig, dass der Konflikt zwischen Sport und Kultur erneut aufbreche, so der OB. Er verwies auf die städtische Sportförderung. Sridharan: „Mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist unsportlich.“

Auch Schumacher zeigte sich besorgt. Die drohende Auseinandersetzung sei „fatal für die Stadtgesellschaft“. Der Dezernent unterstrich, dass Kulturangebote wie das Theater auch ein wichtiger Standortfaktor für große Unternehmen seien. Seit Helmichs Amtsantritt 2013 hätten Oper und Schauspiel zudem ein Sparvolumen von 3,5 Millionen Euro zu stemmen. So seien im Saldo 18 Stellen gestrichen worden, seit dem Jahr 2006 sogar schon 71.

Tatsächlich hatte die Stadt ihren Theaterzuschuss 2013 um rund 1,6 Millionen auf 28 Millionen Euro im Jahr gekappt. Derzeit liegt er bei 28,2 Millionen Euro (plus rund 1,2 Millionen Euro vom Land NRW). Wegen wachsender Personalkosten soll der Stadtzuschuss in der nächsten Spielzeit aber auf 28,6 Millionen Euro und danach auf 29,03 Millionen Euro steigen.

Die Ratskoalition lässt auf GA-Anfrage offen, wann sie über die Eckpunkte von Helmichs Vertragsverlängerung entscheiden will. Man wolle die Haushaltseinbringung abwarten, erklärten CDU, Grüne und FDP gemeinsam. Klar ist, dass die Koalition mit Helmich weitermachen will – der schon signalisiert hat, beim Theateretat „keine nennenswerten Absenkungen“ mehr umsetzen zu können.

Die Koalition kritisiert den SSB für das „Ausspielen unterschiedlicher Bereiche gegeneinander“. Auch die SPD als größte Oppositionsfraktion hält das Bürgerbegehren für ein „unpassendes Instrument“. Sie will den Helmich-Vertrag in die Haushaltsberatungen einbeziehen. Fraktionschefin Bärbel Richter: „Das Theater muss seinen Sparbeitrag leisten.“

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