Fall Friedhelm Naujoks Staatsanwaltschaft bezieht Stellung

BONN · Er galt in der Politik als "der Beste", als er 2004 in Bonn seinen Job als Chef des neuen Städtischen Gebäudemanagements (SGB) antrat. Im Stadthaus hat der mit vielen Vorschusslorbeeren gestartete Friedhelm Naujoks jetzt nichts mehr zu sagen. Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) hatte den Parteifreund Ende Januar fristlos entlasten. Trotzdem steht Naujoks wegen mehrerer Ermittlungsverfahren im Fokus der Öffentlichkeit.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit dem WCCB-Debakel gegen ihn wegen des Verdachts auf Betrug im besonders schweren Fall. Die anderen Verfahren um die vor fünf Jahren gekauften und wenig später stillgelegten Legionellenanlagen an Bonner Schulen sowie um die Auladecke im Konrad-Adenauer-Gymnasium wurden, wie berichtet, kürzlich eingestellt.

Am Donnerstag erklärte Oberstaatsanwalt Peter van der Linden, warum: Die anodische Oxidation, das Verfahren, mit dem die Anlagen arbeiten, sei zwar vom Umweltbundesamt und der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches (DVGW) niemals zugelassen gewesen. Auch sei durch die Inbetriebnahme der Anlagen Trihalogenmethan ins Trinkwasser gelangt, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Allerdings liege nur ein Verstoß gegen die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) vor. Denn die Nutzung einer nicht zugelassenen Anlage sei nach der damals geltenden TrinkwV zwar nicht erlaubt, aber auch nicht strafbar.

Auch in Sachen Trihalogenmethan gab van der Linden Entwarnung: "Eine Strafbarkeit setzt voraus, dass die Abgabe des Wassers (...) im Rahmen einer gewerblichen oder öffentlichen Tätigkeit erfolgt." Gewerblich sei die Schule nicht, "weil sie einen Bildungsauftrag verfolgt".

Auch Öffentlichkeit sei nicht gegeben, weil das Trinkwasser dann für einen "unbestimmten, wechselnden und nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis" bereit gestellt werden müsste. Das treffe auf Lehrer und Schüler nicht zu. Ebenso wenig wie auf die Sportler, die an den Schwimmkursen des ISV Bad Godesberg im Konrad-Adenauer-Gymnasium teilnehmen. Diese seien für die Kurse ja registriert. Öffentlich sei etwa ein Trinkwasserbrunnen in der Fußgängerzone. Demnach wären Lehrer und Schüler kein Personenkreis, der unter den öffentlichen Schutzschirm fällt.

Das sehen viele Kommunen, das Land NRW und die DVGW anders. Aus einer DVGW-Information: "Die Trinkwasserverordnung unterscheidet zwischen öffentlich und privat genutzten Trinkwasser-Installationen. Zu den öffentlich genutzten zählen die, aus denen Trinkwasser von einem ständig wechselnden, nicht näher informierten Personenkreis entnommen werden kann bzw. abgegeben wird (zum Beispiel Schulen, Krankenhäuser, Hotels, Gaststätten, öffentliche Gebäude)."

Peter Riemann, einst für die Auladecke zuständiger und dann von Naujoks geschasster Architekt, hat gegen die Einstellung der Verfahren Beschwerde eingelegt. Er verweist darin unter anderem auf das städtische Rechnungsprüfungsamt (RPA), das Kauf und Einbau der Legionellenanlagen überprüft hat und das Fazit zieht: Der ehemalige SGB-Chef habe die Anlagen gekauft und eingesetzt, obwohl sie nicht zulässig waren. Auch habe Naujoks die vorgeschriebene Anzeige zum Betrieb beim städtischen Gesundheitsamt unterlassen. "Hier wurde mehrfach so massiv gegen Bauordnung, Trinkwasserverordnung und Infektionsschutzgesetz verstoßen, dass eine Anklageerhebung dringend angezeigt erscheint", sagte Riemann und bietet an, als Nebenankläger aufzutreten.

Wie geht es nun weiter? Oberstaatsanwalt Fred Apostel sagte, man werde die Beschwerde prüfen: "Sollte sie nicht dazu führen, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden, geht sie an die nächst höhere Instanz zum Generalstaatsanwalt nach Köln." Das kann dauern.

[kein Linktext vorhanden]Schneller dürfte ein anderes Verfahren über die Bühne sein, in dem Naujoks als Kläger auftritt: das Kündigungsschutzverfahren nächste Woche im Arbeitsgericht. Der Rat hatte Nimptsch im Dezember aufgefordert, aufgrund neuer Vorwürfe in einem RPA-Bericht Naujoks zu kündigen. Zu der Zeit wollte Nimptsch mit Naujoks, mit 175.000 Euro Jahressalär einer seiner bestbezahlten Mitarbeiter, einen Auflösungsvertrag mit einer Abfindung von knapp 400.000 Euro schließen.

Das lehnt die schwarz-grüne Ratsmehrheit strikt ab. Erstmals stand eine fristlose Kündigung Naujoks' im Raum, als im Frühjahr 2010 das RPA Naujoks und Mitarbeitern "testiert" hatte, bei der Kontrolle der WCCB-Millionen völlig versagt zu haben. OB Nimptsch entmachtete zwar seinen Parteifreund, sah aber damals von einer Kündigung ab.

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