Photovoltaik in der Klimastadt Stadt Bonn verzichtet bei Neubauten auf Solaranlagen

Bonn · Bonn möchte als Klimastadt Vorreiter bei der Nutzung von Solarenergie sein. Die Stadt verzichtet aber auf ihren Immobilien auf Photovoltaikanlagen, weil sie „zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der geringen Einspeisevergütung wirtschaftlich nicht darstellbar“ seien.

„Unser größter Energiespender ist die Sonne. In nur 40 Minuten strahlt der Himmelskörper genug Energie auf die Erde, um den weltweiten Verbrauch eines Jahres zu decken. Was liegt näher, als diese enorme und unerschöpfliche Kraft zu nutzen?“ Mit diesen Sätzen werben die Stadtwerke Bonn (SWB) auf ihrer Webseite für die Nutzung der Solarenergie. Diese Frage ihres städtischen Unternehmens sollte auch die Klimastadt Bonn mit einem eindeutigen Ja beantworten.

Doch dort, wo die Stadt als Bauherrin Neubauten plant, ist in den Beschlüssen immer wieder der Satz zu finden, dass der Bau zwar statisch für die Nachrüstung einer Photovoltaik-Anlage (PV) vorgerüstet werde, die Errichtung jedoch „zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der geringen Einspeisevergütung wirtschaftlich nicht darstellbar“ sei. Das Städtische Gebäudemanagement Bonn (SGB) bietet die Dächer der Bürgergenossenschaft Energie Rhein-Sieg an, an der auch die Stadt beteiligt ist, „sowie weiteren geeigneten Interessentinnen und Interessenten“ für die Installation von PV-Anlagen an.

Klimastadt Bonn soll mit ihren Gebäuden Vorbild sein

Für Grünen-Ratsherr Tom Schmidt deutet die Haltung der Stadt darauf hin, dass man dort den Einsatz der Photovoltaik „nicht mit dem notwendigen Ernst verfolgt“ und mit dem Verweis auf geeignete Interessenten lediglich eine Pro-forma-Erfüllung für den Klimaschutz vorgibt. Als Mitglied des Aufsichtsrats der SWB-Holding begrüßt Schmidt das Engagement der Stadtwerke im Hinblick auf die Anwerbung privater Haushalte zur Nutzung von PV-Anlagen, kann jedoch nicht nachvollziehen, warum die Stadt dieser Empfehlung nicht vorbildhaft für ihre eigenen Gebäude folgt. Auf eine Rechnung, die die Behauptung belegt, dass Solaranlagen auf städtischen Gebäuden unwirtschaftlich seien, wartet er seit September.

Joachim Helbig, Abteilungsleiter im städtischen Umweltamt, räumt ein, dass Schmidt mit dem Vorwurf der Pro-forma-Erfüllung insofern recht habe, dass der alleinige Verweis auf das Angebot für geeignete Interessenten nicht zielführend sei. Deshalb habe man sich mit SGB und den Geschäftsführern der Bürgerenergie getroffen und beschlossen, alle geeigneten Dächer von Kindertagesstätten auf die mögliche Installation von PV-Anlagen zu begutachten. Seien Dächer geeignet, sollen dort auch Anlagen erstellt werden. „Wir versuchen über diesen Weg noch einmal konkreter zu werden und über einen entsprechenden Ratsbeschluss noch mehr PV auf die Dächer zu bringen“, sagt Helbig.

Auch der Neubau der Gewerbehalle auf dem Beueler Friedhof am Platanenweg soll dahingehend überprüft werden. An diesem Beispiel hatte das SGB noch kürzlich die Unwirtschaftlichkeit für die Stadt als Errichter und Betreiber einer PV-Anlage vorgerechnet: Auf dem Flachdach der Halle könnten etwa 440 Quadratmeter zur Photovoltaik genutzt werden. Mit den dafür zugrunde gelegten Erfahrungswerten würde eine Anlage mit 267 Modulen à 275 Watt Leistung mehr als 66.000 Kilowattstunden pro Jahr erzeugen.

Bei einer Einspeisevergütung von 90 Prozent würden jährliche Einnahmen von etwa 6600 Euro generiert. Demgegenüber stünden einmalige Kosten für die Investition von 124.780 Euro sowie jährlich anfallende Betriebskosten von 1872 Euro. Weil die Einspeisevergütung auf 20 Jahre begrenzt ist, stehen laut SGB den Einahmen von 132.060 Euro Ausgaben von 162.220 Euro gegenüber, was eine Installation der PV-Anlage aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar mache.

Landen: „Die Stadt ist klamm und muss politisch handeln“

Würde der Strom allerdings direkt an Ort und Stelle verbraucht, könnte die Photovoltaik-Anlage sehr lukrativ sein. Da jedoch die Zeiträume von Strombedarf und Erzeugung nicht deckungsgleich sind, müsste die Anlage um einen Batteriespeicher erweitert werden, der allerdings zurzeit noch nicht rentabel sei. Somit sind Bürgerenergie Rhein-Sieg und SWB aufgefordert, ihr Interesse an Bau und Betrieb der Anlage zu bekunden.

Robert Landen, Prokurist und Vertriebsleiter der SWB Energie und Wasser, hat volles Verständnis für die Argumente des SGB. „Die Stadt ist klamm und muss politisch handeln“, fasst er zusammen. Es sei auch kein Widerspruch, dass sich die Stadtwerke als städtisches Unternehmen um die PV-Anlagen auf städtischen Dachflächen bewerben. Schließlich könnten sie dank ihrer vorhandenen Experten und Infrastruktur auch kostengünstiger kalkulieren als die Stadt, die Fremdleistungen teuer bezahlen müsste.

Helbig verweist zudem auf einen Beschluss des Stadtrats aus dem Jahr 2012. Der lege ausdrücklich fest, dass die Stadt PV-Anlagen nicht selber erstellen, sondern anbieten soll. Wenn nun aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Bürgerenergie oder andere Genossenschaften den Bau ablehnen sollten, weil auch sie zu einer Mindestrendite gegenüber ihren Mitgliedern verpflichtet sind, würde das jeweilige Objekt den Stadtwerken angeboten.

Auf die Frage, ob sich die Stadt im Falle einer Unwirtschaftlichkeit den Klimaschutz durch regenerative Energien nicht auch etwas kosten lassen müsse, verweist Helbig auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und das Haushaltssicherungskonzept der Stadt. „Dann wäre es am Ende eine politische Entscheidung, obwohl es sich wirtschaftlich nicht darstellen lässt, ein Zeichen zu setzen.“

Zurzeit sind auf 62 städtischen Dächern der mehr 1300 vom SGB betreuten Gebäude Photovoltaikanlagen installiert, die eine Gesamtleistung von 1007 Kilowatt peak (kWp) erzeugen (Stand 31. Dezember 2016). Darunter sind vorwiegend Schulen, Verwaltungsgebäude, Sportstätten und Kindergärten. Der erzeugte Strom wird zu 100 Prozent eingespeist.

Die etwa 1500 PV-Anlagen auf den 57.205 Gebäuden in Bonn liefern insgesamt eine Leistung von 13.420 kWp. Was Helbig die Rechnung aufmachen lässt, dass die Solarstromproduktion der städtischen Gebäude in Relation zu allen Gebäuden mit einer Leistung von etwa 0,7 kWp pro Gebäude einer rund dreifach höheren Leistung als den 0,23 kWp bei den Häusern der Stadt gegenübersteht.

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