Negativzins Stadt profitiert von Schulden

Bonn · Die hoch verschuldete Stadt Bonn verdient Geld damit, dass sie sich Millionensummen leiht. In diesem Jahr rechnet Kämmerer Ludger Sander mit Einnahmen von rund 75.000 Euro, weil einige Banken nicht nur keine Zinsen verlangen, sondern sogar noch dafür zahlen, dass sie ihr Geld der Kommune geben dürfen.

Klingt abenteuerlich, ist aber eine Folge der Finanzpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) unter Mario Draghi. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hat sie den Leitzins auf Null gesenkt und außerdem einen Negativzins eingeführt. Diesen „Strafzins“ müssen Geschäftsbanken berappen, wenn sie ihr reichlich vorhandenes, billiges Geld bei der EZB parken wollen, anstatt Kredite an Unternehmen auszugeben. Einige Banken, offenbar vor allem aus den Niederlanden und Luxemburg, bringen ihr Geld aber lieber bei den Kommunen unter und zahlen einen Negativzins, der deutlich unter dem EZB-Strafzins liegt.

Klammen Kommunen wie Bonn kommt das entgegen. Sie bestreiten ihre laufenden Ausgaben mit Kassenkrediten, vergleichbar mit Dispokrediten, mit denen Privathaushalte ihren Konsum finanzieren. Bonns Gesamtverschuldung ist zwar auf derzeit 1,633 Milliarden leicht gesunken. Davon entfallen aber 698 Millionen Euro auf die finanzpolitisch besonders bedenklichen Kassenkredite.

Auf 275 Millionen Euro erhält die Stadt laut Kämmerei Negativzins-Zahlungen: Es handele sich um Kassenkredite mit einer Laufzeit von höchstens sechs Monaten sowie um Tagesgeld. „Den ersten negativen Zinssatz hat die Stadt im August 2015 im Rahmen der Tagesgeldaufnahme vereinnahmt“, sagt Stadtsprecherin Monika Hörig. Umgekehrt müsse die Stadt aber keine Negativzinsen für Geld zahlen, das sie bei Banken angelegt habe. Geld leihen und dafür kassieren – das machen auch zahlreiche andere Städte.

Nach Medienberichten gilt das zum Beispiel für Köln, Bergisch Gladbach, Essen, Hannover, Ludwigshafen und Kiel. Es gibt allerdings auch warnende Stimmen. Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, befürchtet einen gefährlichen Fehlanreiz für deutsche Kämmerer. „Man hat einen zusätzlichen Anreiz, sich über Gebühr zu verschulden und damit langfristig hohe Risiken einzugehen“, sagte er dem ARD-Magazin „Plusminus“.

Die Bezirksregierung Köln als Aufsichtsbehörde hat noch keine Haltung zu den Negativzins-Geschäften der Kommunen. Das Thema habe bei der Finanzaufsicht bisher nicht auf dem Tisch gelegen, erklärte gestern ein Sprecher der Bezirksregierung. Städte, die sich wie Bonn in einem Haushaltssicherungskonzept (HSK) befinden, stehen unter verschärfter Beobachtung der Finanzaufsicht. Am 30. Juni will Bonns Kämmerer den Doppelhaushalt 2017/2018 in den Rat einbringen.

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