Zweistündige Flüchtlingsdebatte im Stadtrat Stadt sucht 15 weitere Standorte für Unterkünfte

Bonn · Zweistündige Flüchtlingsdebatte im Stadtrat: Der OB legt einen Sachstandsbericht vor. Die Bonner Turnhallen sollen möglichst wieder frei werden.

 Oberbürgermeister Ashok Sridharan legt dem Rat einen Sachstandsbericht zur Flüchtlingssituation vor.

Oberbürgermeister Ashok Sridharan legt dem Rat einen Sachstandsbericht zur Flüchtlingssituation vor.

Foto: Horst Müller

Seit Monaten bestimmt das Thema Flüchtlinge die Diskussionen in der Stadt Bonn. Gestern Abend nahm der Stadtrat sich ausführlich Zeit, alle Aspekte rund um die Flüchtlinge zu beleuchten. Grundlage für die fast zweistündige Debatte war ein 32 Seiten starker Sachstandsbericht von Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU).

An den Anfang stellte er die Information, es bestehe jetzt Gewissheit, dass die Stadt Bonn bis Ostern keine Flüchtlinge mehr zugewiesen bekomme. Sridharan bekräftigte, bis Ende des Jahres keine weitere Turnhalle belegen zu wollen, sondern im Gegenteil den Vereinen nach Möglichkeit Turnhallen wieder zur Verfügung zu stellen. „Dafür kann ich natürlich keine Garantie geben. Ich bin aber zuversichtlich, dass es uns gelingen wird“, sagte er.

Der OB machte auch deutlich: Die Unterbringung von Flüchtlingen sei nicht nur für die Sportvereine und Schulen eine Last. Sie sei auch für die Menschen, die dort wohnen müssten, nicht angenehm. Doch die Unterbringung in Turnhallen sei dem Tempo der Zuweisungen in den vergangenen Wochen und Monaten geschuldet. Laut aktuellem Stand vom 22. Februar leben 3843 geflüchtete Menschen in städtischen Unterkünften. Der OB geht davon aus, dass nach Ostern 150 Flüchtlinge pro Woche kommen werden – und das auch über 2016 hinaus.

Die Stadt will Container oder Holzhäuser aufstellen

Um die Unterbringung in Sporthallen künftig zu vermeiden, „setzt die Stadt alles daran, weiter feste Unterkünfte zu suchen und sie herzurichten“, sagte Sridharan. Lösungsstrategien sind unter anderem die Errichtung von Containerbauten und Siedlungen in Holzbauweise. Marion Duisberg vom Städtischen Gebäudemanagement sagte, die Verwaltung wolle weitere 15 Standorte auswählen, wo Unterkünfte in Containern oder als Holzhäuser errichtet werden könnten. Letztere kämen nur dort in Frage, wo sie auch über einen längeren Zeitraum stehen bleiben könnten.

Laut Duisberg haben die Holzbauten eine Lebensdauer von bis zu 50 Jahren. Sridharan betonte, dass auch Nachverdichtungen in bestehenden Wohnsiedlungen „unausweichlich sind“. Weiter verwies er auf den ebenfalls dringend notwendigen Ausbau von Kita- und Schulplätzen. Weit mehr als 1000 der Flüchtlinge in städtischen Einrichtungen sind unter 18 Jahre alt, davon sind 217 unbegleitete Kinder und Jugendliche.

In einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag von CDU, Grünen, FDP und SPD, der mit großer Mehrheit beschlossen wurde, bekräftigte der Rat die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen in Bonn. Er fordert aber gegenüber Bund und Land eine volle Refinanzierung sämtlicher Kosten zur Flüchtlingsunterbringung und Integration. Stadtkämmerer Sander berichtete, pro Flüchtling erhalte die Stadt Bonn rund 10.000 Euro im Jahr. Das reiche längst nicht aus. Er gehe davon aus , dass mindestens 14.000 Euro und mehr nötig seien. Er wolle eine dezidierte Kostenaufstellung in Kürze vorlegen.

Lob für das ehrenamtliche Engagement

CDU-Fraktionschef Klaus Peter Gilles zeigte sich beeindruckt von dem Bericht. „Er macht deutlich, dass vor der Verwaltung noch gewaltige Aufgaben liegen.“ Für Gilles gehören Unterbringung und Integration eng zusammen. „Wir brauchen vor allem Wohnungen zu unseren üblichen Standards, aber für alle“, sagte er. Peter Kox (SPD) lobte das große ehrenamtliche Engagement in der Stadtgesellschaft - „darauf bin ich stolz.“ Er forderte zudem die zeitnahe Wiederbesetzung des Sozialdezernats.

Brigitta Poppe (Grüne) kritisierte unter anderem das Bundesamt für Migration, das mit der Einrichtung einer Ankunftsstelle in der Ermekeilkaserne den Umzug von 340 Flüchtlingen zum großen Teil in Sporthallen zu verantworten habe. Joachim Stamp (FDP) forderte eine zusätzliche Stelle eines Koordinators ausschließlich für die Unterbringung von Flüchtlingen in Bonn.

Michael Faber (Linke) vermisste in der Debatte konkrete Schritte zur Umsetzung. „Wir brauchen mehr als Willenserklärungen.“ Für Johannes Schott sind die Kommunen mit dem Thema längst überfordert und Hans Rosendahl von der Allianz für Bonn fand den interfraktionellen Dringlichkeitsantrag von Jamaika und der SPD „richtig, aber nicht hilfreich“.

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