Nach dem Dschihad Stadt sucht Jugendsozialarbeiter für Syrien-Rückkehrer

BONN · Wie gehen Kommunen mit jungen Männern um, die im "heiligen Krieg", im Dschihad in Syrien waren und nun wieder zurückgekehrt sind? Die traumatisiert, wenn nicht gar noch stärker radikalisiert und verroht sein könnten? Vor dieser Frage steht die Stadt Bonn, die bei den Sicherheitsbehörden weiterhin als Deutschlands Salafistenhochburg gilt. Das Jugendamt sucht nach eigenen Angaben mit Blick auf Syrien-Rückkehrer derzeit einen Jugendsozialarbeiter für eine städtische Jugendeinrichtung.

Nach GA-Informationen aus einer Behörde geht es konkret um drei Männer um die 20, die in Syrien waren, dort Kriegshandlungen miterlebt haben könnten und nun wieder in ihrem alten Umfeld in der Jugendeinrichtung verkehren. Einer von ihnen geht wieder einer geregelten Arbeit nach, heißt es. Mittlerweile beschäftigen sich auch Polizei und Staatsanwaltschaft mit den Fällen.

Nach GA-Informationen werden die drei jungen Syrien-Rückkehrer aus dem Bonner Norden als möglicherweise traumatisiert eingestuft. Sie sollen vor ihrer Ausreise die typische Radikalisierung durchgemacht haben. Zwar wollte sich Stadtjugendpfleger Peter Bröxkes nicht zu dem konkreten Fall äußern, beschrieb aber die Entwicklung, die viele junge Männer in der Salafistenszene durchmachten, auch ohne dass sie jemals in ein Kriegsgebiet ausreisten, wie folgt: "In ihren Äußerungen wurden sie immer konservativer, ihr Äußeres veränderte sich entsprechend: Der Bart wurde länger, ihre Kleidung war so, wie man sie von Salafisten kennt."

Dass die drei in Syrien waren und dort wie auch immer geartete "Kriegserfahrungen" gemacht haben, davon sei auszugehen, erfuhr der GA aus einer Behörde. Diesen Schluss lassen neben einer längeren Abwesenheit auch Hinweise aus sozialen Netzwerken im Internet zu. Die Rückkehrer verhalten sich nach GA-Informationen bislang normal, wenn nicht gar unauffällig. Sie sollen sich nicht mit den Kriegserfahrungen vor anderen jungen Leuten gebrüstet und auch keine Anwerbeversuche für den Dschihad unternommen haben.

Rund 450 Personen, zum ganz überwiegenden Teil Männer, sind aus Deutschland in den Dschihad nach Syrien ausgereist. 150 von ihnen sind mittlerweile wieder zurückgekehrt. Das sind Zahlen des Verfassungsschutzes. Nach GA-Informationen sind aus dem Raum Bonn/Rhein-Sieg-Kreis und Euskirchen rund 45 Personen ausgereist, 15 sind zurückgekehrt. Dabei ist oft unklar, ob und wie weit die in der Regel jungen muslimischen Männer in syrische Kampfgebiete gelangt sind und ob sie dort tatsächlich gekämpft haben. Frank Piontek von der Bonner Polizei sagte gestern: "Wir stehen in engem Kontakt mit den Sicherheitsbehörden und haben Rückkehrer aus Syrien im Blick." Sollten sich Hinweise ergeben, dass die Personen an Aktivitäten einer terroristischen Organisation beteiligt waren, werden sofort Ermittlungsverfahren eingeleitet. "Unser vorrangiges Ziel ist es aber, Ausreisen von potenziellen Gewalttätern in die Kriegsgebiete Syriens durch ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen der Sicherheitsbehörden zu verhindern." Oberstaatsanwältin Monika Volkhausen sagte, der Sachverhalt der drei Rückkehrer sei ihrer Behörde bekannt, die Identität der drei allerdings nicht, da derjenige, der Auskunft zu den jungen Männern geben könnte, sich im Ausland aufhält und zurzeit nicht vernommen werden kann.

Auf die Frage, ob gegen andere Dschihad-Rückkehrer aus dem Bonner Raum ermittelt werde, verwies Volkhausen an die Staatsanwaltschaft Köln und an die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. Diese äußerten sich bislang nicht auf die GA-Anfrage.

Die Stadtverwaltung will zu den drei Syrienrückkehrern nichts sagen. Jugendamtsleiter Udo Stein verwies aber darauf, dass die Stadt Mitte Oktober die Stelle einer Sozialpädagogin oder eines Sozialpädagogen ausgeschrieben habe, die oder der Erfahrung mit traumatisierten Menschen hat. "Darüber hinaus ist die Person Ansprechpartner und Vertrauensperson für alle Jugendlichen mit dieser Problematik." Soll heißen: Nicht nur für diejenigen, die in Syrien waren, sondern auch für die, die mit den "Dschihadisten" verkehren.

Syrien-Rückkehrer zu integrieren, die zwar Kriegserfahrungen gemacht, sich aber nicht strafbar gemacht haben, dürften durchaus eine Herausforderung für den neuen Jugendsozialarbeiter darstellen. So warnte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) jüngst, Syrien-Rückkehrer seien "traumatisiert, desillusioniert und in Teilen auch zusätzlich radikalisiert".

Wenn junge Menschen Kriegserfahrungen gemacht haben, könnten sie unberechenbar reagieren, warnt auch Jugendamtsleiter Stein. "Wann und ob das passiert, wissen wir nicht. Das ist für uns sozialpädagogisch eine Herausforderung." Deshalb brauche die Stadt mit Hilfe des zusätzlichen Sozialarbeiters eine Expertise.

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