Verkehr in Bonn Stadt testet neuen Blitzer

Bonn · Sie tragen futuristische Namen wie "Semistation TraffiStar" oder "Enforcement Trailer". Was nach Science Fiction klingt, wird in Bonn - zumindest für sechs Monate - im nächsten Jahr am Straßenrand stehen: moderne Radarfallen, von denen die Stadt ein Gerät zwecks Tempokontrollen testen wird.

 Der "Enforcement Trailer" eignet sich laut Hersteller Vitronic besonders an Gefahrenstellen wie Baustellen, bei denen das Geschwindigkeitsmessen mit mobilen Anlagen wegen der Gefahr für die messenden Personen schlecht möglich sei.

Der "Enforcement Trailer" eignet sich laut Hersteller Vitronic besonders an Gefahrenstellen wie Baustellen, bei denen das Geschwindigkeitsmessen mit mobilen Anlagen wegen der Gefahr für die messenden Personen schlecht möglich sei.

Foto: OBS/VITRONIC

Die Besonderheit: Der Blitzer befindet sich in eine Art Anhänger, der am Straßenrand aufgestellt werden kann. Ein Akku sorgt dafür, dass Blitz und Kamera auch bei vielen Rasern nicht die Puste ausgeht. Er hält mindestens fünf Tage lang und wird später wieder geladen. Das Gerät kann dann an anderer Stelle seinen Dienst tun - vermutlich nicht nur zur Freude jedes Verkehrsteilnehmers.

Der Bau- und Vergabeausschuss hat nun dem testweisen Einsatz der mobilen Anlage zugestimmt. In der Stadt gebe es Messstellen, "die es erforderlich machen, die Geschwindigkeit durchgängig über mehrere Tage zu überwachen", argumentiert die Verwaltung. Dies hätten Zählungen, Ergebnisse der mobilen Geschwindigkeitskontrollen sowie Beschwerden von Bürgern ergeben.

Flexible Geschwindigkeitskontrollen

Solch ein Apparat, bei dem während des Einsatzes niemand mehr im Auto Wache schieben muss, soll laut Stadt eine "sinnvolle Ergänzung" zu den derzeitigen mobilen und stationären Radarfallen sein. "Sie ermöglicht flexible Geschwindigkeitskontrollen mit größerer zeitlicher und räumlicher Breitenwirkung, um für mehr Verkehrssicherheit im Stadtgebiet sorgen zu können." Ein Einsatzgebiet könnten auch sich stetig verändernde Baustellen wie etwa während der Nordbrückensanierung sein. Der Blitzer kann in Windeseile versetzt werden.

Welches Gerät getestet wird, entscheidet sich über eine Ausschreibung. Der Anbieter soll, um Personal zu sparen, seine Radarfalle selbst jeweils an der nächsten Stelle aufbauen - und zwar auf Anweisung der Verwaltung. Er kümmert sich auch um die Wartung, Laden der Akkus, Eichung, Reparatur und Versicherung.

"Lediglich die Inbetriebnahme des Messsystems sowie der Datenfernabruf und die Bild- und Fallbearbeitung werden als hoheitliche Aufgabe von der Verwaltung übernommen", so die Stadt. Die Verwaltung geht davon aus, dass die Einnahmen aus den Bußgeldverfahren die Miete für das standortvariable Messsystem übersteigen wird. Nach der Testphase soll dann entschieden werden, ob das Gerät den Bonnern erhalten bleibt. Auf dem Markt gibt es derzeit zwei Modelle:

"Semistation TraffiStar S350" von Jenoptik: Solch ein Anhänger ist seit einigen Jahren in der Schweiz im Einsatz. Für Deutschland wurde die Anlage weiterentwickelt und mit einem Laserscannersystem ausgerüstet, teilt Cornelia Ehrler, Sprecherin des Herstellers aus Jena, mit. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig hat Jenoptik dafür die Zulassung erteilt. So steht solch ein Gerät seit November in einer Baustelle auf der Auto-bahn 3 zwischen Mettmann und Hilden - ein Pilotprojekt.

Geschwindigkeit kann auf drei Fahrspuren gleichzeitig erfasst werden

Mit einem Anhänger kann der Blitzer innerhalb der Baustelle versetzt werden. Laut Ehrler hält die Batterie etwa eine Woche lang. "Das “TraffiStar S350„-System kann verschiedene Fahrzeugklassen unterscheiden und ist in der Lage, die Geschwindigkeiten auf drei Fahrspuren gleichzeitig zu erfassen." Zudem verfüge die Anlage über einen GPS-Sender sowie über Sensoren, die Versuche melden, wenn jemand den Blitzer beschädigen wolle.

"Enforcement Trailer" von Vitronic: Zum Einsatz kommt die sogenannte "PoliScanspeed Lidar"-Messtechnik des Wiesbadener Unternehmens. "Behörden können damit die Geschwindigkeit aller Fahrzeuge über mehrere Spuren hinweg gleichzeitig erfassen", teilt Firmensprecher Sebastian Ramb mit. "Variable Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie Durchfahrtsverbote je nach Uhrzeit, Fahrstreifen und Fahrzeugklasse lassen sich ebenfalls überwachen." Ein Modem übertrage die Falldaten drahtlos und ermögliche den Fernzugriff auf das Messsystem. "Jeder Wagen mit Anhängerkupplung kann das Gerät versetzen."

Zur genauen Ausrichtung verfügt es über einen eigenen, ferngesteuerten Antrieb. Für den Messbetrieb lässt sich der Anhänger auf den Wagenboden absenken, sodass er nicht einfach von Fremden weggeschoben werden kann. Eine gepanzerte Hülle und ein Alarmsystem schützen die Technik vor Vandalismus. Als erster Kunde hat das französische Innenministerium 150 "Enforcement Trailer" bestellt. In Deutschland ist der Blitzer etwa in Ronnenberg bei Hannover im Einsatz.

Soviel kassiert die Stadt

Die Stadt hat vier Fahrzeuge im Einsatz, die an rund 250 Standorten in regelmäßigen Zeitabständen blitzen - montags bis samstags von 6.30 bis 20.30 Uhr. Die Autos sind samt Fahrer bei privaten Dienstleistern angemietet. Die Verwaltung setzt jeweils einen Mitarbeiter als verantwortlichen Messteamleiter dazu. Das ist nötig, weil "es sich um eine hoheitliche, ordnungsbehördliche Geschwindigkeitskontrolle handelt", sagt Carsten Sperling, stellvertretender Leiter der Abteilung Ordnungswidrigkeiten beim Stadtordnungsdienst.

Zudem gibt es acht stationäre städtische Radarfallen. 2013 wurden mobil 86.000, stationär 31.700 Raser erwischt. 2014 waren es 114.000 und 36.500. Diese Zahlen liegen nur für Verwarnungsgelder vor (15 bis 35 Euro), denn die Bußgeldeinnahmen werden nicht einzeln erfasst. Neben Geschwindigkeitsverstößen gibt es noch verbotene Handynutzung, nicht angelegter Gurt, Fahren über rote Ampel oder unerlaubterweise durch die Umweltzone, Vorfahrtsmissachtung, kein Tüv, Alkohol- und Drogenkonsum sowie Verstöße am Bahnübergang.

Die Verwarnungen machen laut Sperling aber den größten Teil sämtlicher Temposünder aus. Das heißt, es gibt gar nicht so viele Raser, die mehr als 35 Euro zahlen müssen. So kamen 2013 mobil 1,33 Millionen Euro und 2014 schon 1,76 Millionen Euro an Verwarnungsgeld zusammen.

An den stationären Radarfallen waren es 462.000 und 521.000 Euro. Diese Einnahmen werden als Ansatz in den städtischen Haushalt eingestellt. Bei mobiler Messung geht man seit 2013 jährlich von 1,2 Millionen Euro aus - die tatsächlichen Einnahmen liegen also höher. 2013/14 waren bei den stationären Anlagen 800.000 Euro vorgesehen, die beide Male nicht erreicht wurden.

Ab 2015 sind ambitionierte 1,15 Millionen Euro veranschlagt. Aber es sind laut Markus Schmitz vom Presseamt auch vier neue Anlagen in Betrieb gegangen - zwei an der L 261 in Ückesdorf (Reichsstraße) und zwei auf der Eisenbahnbrücke zwischen Bad Godesberg und Mehlem (B 9). Die restlichen vier Anlagen befinden sich seit Jahren im Godesberger Straßentunnel.

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