Dienstsitz der Verwaltung Bis zu 1150 Mitarbeiter müssen Stadthaus in Bonn verlassen

Update | Bonn · Bis zu 1150 Mitarbeiter der Bonner Stadtverwaltung müssen bis spätestens Anfang 2023 ihre Arbeitsplätze im Stadthaus geräumt haben. Die Betonstützen im Untergeschoss sind marode. Die Politik muss nun entscheiden: Sanieren oder Abreißen?

 Das Stadthaus in Bonn.

Das Stadthaus in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Nach jahrelangen Diskussionen um die Zukunft des Bonner Stadthauses folgt jetzt ein Paukenschlag: Weil bis zu 300 Betonstützen in den Untergeschossen des Gebäudekomplexes beschädigt sind, muss die Verwaltung für die Zeit der Sanierung bis zu 1150 Mitarbeiter in anderen Liegenschaften unterbringen. Betroffen ist auch das Dienstleistungszentrum, das die Bürger für Meldeangelegenheiten aufsuchen. Für die Suche nach großen Mietobjekten bleibt der Stadt äußerst wenig Zeit. Denn die statische Ertüchtigung der Betonsäulen muss spätestens im Herbst 2023 abgeschlossen sein.

„Die Standsicherheit der Gebäude ist nicht gefährdet“, versicherte Stadtsprecherin Barbara Löcherbach am Dienstag. Innerhalb der nächsten 24 Monate müssten die Stützen laut einem neuen Gutachten aber saniert sein. Die Stadtwerke hatten als Garagenbetreiber 2019 die Asphaltschicht der Parkebene 1 sanieren lassen. Danach „wurde deutlich, dass tragende Betonstützen durch Tausalze dauerhaft belastet sind“, erklärte Löcherbach. Das Städtische Gebäudemanagement Bonn (SGB) habe deshalb die Kölner Büro HIG Ingenieurgesellschaft mit einem Gutachten beauftragt, das nun vorliege.

Das Ergebnis: Sowohl Beton als auch Bewehrung der sogenannten Stützenfüße sowie die Dehnungsfugen der Decken im Untergeschoss 3 sind beschädigt. Ursache sei „der jahrzehntelange Eintrag sogenannter Streusalze (Chloride), die unter anderem aufgrund nicht vorhandener Abdichtungen in die Stützenfüße und unter der Asphaltschicht in die Bauteile eingedrungen sind“. Laut Gutachter wird das tatsächliche Ausmaß der Schäden erst nach Sanierungsbeginn klar, wenn die marode Bewehrung freigelegt ist. Dabei seien auch Asbestfunde zu erwarten.

Auch Dienstleistungszentrum muss umziehen

Das logistische Problem für die Stadtverwaltung: Die Stütz- und Sanierungsarbeiten für die Säulen erfolgen aus dem Untergeschoss 3 heraus, in dem das Stadtarchiv und technische Anlagen untergebracht sind. Laut SGB müssen wahrscheinlich Versorgungsleitungen (Lüftung, Frisch- und Abwasser-, Strom- und Daten) wenigstens in Teilen zurückgebaut werden. Damit seien Teile der Stadthaus-Türme A, B und C sowie das Dienstleistungszentrum bis zum Abschluss der Betonsanierung nicht nutzbar, so Stadtsprecherin Löcherbach. Neue Büros braucht damit der Großteil der insgesamt 1500 Mitarbeiter im Stadthaus.

Die ersten Umzüge müssen spätestens Anfang 2023 beginnen. Wohin, ist noch völlig unklar. Da die Ersatzgebäude mit großem Aufwand für den Verwaltungsbetrieb eingerichtet werden müssen, spricht die Kommune vom „Bedarf einer kurzfristigen Anmietung notwendiger Flächen“. Das SGB kümmere sich darum, sagte Löcherbach. Das frühere Zurich-Gebäude an der Rabinstraße, das vor Jahren als Ausweichquartier im Gespräch war, kommt nicht mehr in Frage: Das hat sich die Bonner Universität gesichert, weil ihr Hauptgebäude am Hofgarten saniert wird.

 Das Parkdeck im Stadthaus

Das Parkdeck im Stadthaus

Foto: Benjamin Westhoff

Rat muss entscheiden: Sanierung oder Abriss

Während die statische Ertüchtigung der Betonsäulen sofort angepackt werden muss, hätte die Betonsanierung laut Stadtverwaltung noch etwa sechs Jahre Zeit. Sprich: Würde der Rat sich für einen Neubau entscheiden, wäre die Betonsanierung verzichtbar. „Es stellt sich die Entscheidung zwischen aufwändigen Sanierungen oder einer Komplettaufgabe des Stadthauses als Dienstsitz der städtischen Verwaltung“, so Sprecherin Löcherbach. Neben den Entlastungsmaßnahmen schreibe das SGB umgehend die Planung für eine Generalsanierung aus. Auf dieser Grundlage werde die Verwaltung eine Beschlussvorlage für den Rat erarbeiten.

Die Debatte um den Zustand des Stadthauses läuft seit einem Jahrzehnt. 2011 hatte ein Gutachter eine Sanierung des 1978 in Betrieb genommenen Komplexes empfohlen. Kostenschätzung damals: rund 200 Millionen Euro. Ein anderes Gutachten kam 2019 zum Ergebnis, dass ein Neubau an anderer Stelle die wirtschaftlichere Alternative wäre. Eine Sanierung würde demnach einschließlich Mietkosten für Interimsquartiere mit knapp 300 Millionen Euro zu Buche schlagen. Einen Neubau auf einem gleich großen Grundstück am früheren Landesbehördenhaus an der B9 – wenn das Land NRW es denn an die Kommune verkaufen würde – taxierten die Gutachter auf 386 Millionen Euro (Stand Oktober 2019). Ein effizienter Neubau optimiere den Betrieb, womit die höheren Baukosten kompensiert würden. Letztere würden dem Gutachten zufolge sinken, sofern die Stadt im Rahmen einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft ein Unternehmen mit dem Bau beauftragen würde – ein Gedanke, dem auch Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) nahesteht, wie sie 2020 in einem GA-Interview erklärte.

Ein Neubauprojekt ist laut Gutachten deutlich schneller umsetzbar als eine Sanierung. Nach einer Vorbereitungszeit von 2,5 Jahren kalkulieren die Berater dafür fünf Jahre für Planung und Bau. Bei der Sanierung veranschlagen sie 2,5 Jahre Vorbereitung und danach eine Planungs- und Bauphase, die sieben bis zehn Jahre lang wäre – je nachdem, ob das Stadthaus komplett freigezogen würde. Allerdings fehlt der Verwaltung offenbar noch ein aktuelles Raumkonzept für ihre Mitarbeiter. Weil auch in den Behörden mehr im Homeoffice gearbeitet wird, soll der künftige Raumbedarf ermittelt werden. Dabei sollen die „Anforderungen an die Arbeitswelt von morgen berücksichtigt“ werden, wie das Presseamt vor knapp einem Jahr mitteilte.

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