86-Jährige verletzt Stadtwerke Bonn zahlen kein Schmerzensgeld nach Sturz in Bus

Bonn · Ein Jahr nach einem schweren Sturz in einem Bonner Linienbus – ausgelöst durch eine verfrüht geschlossene Tür – wartet das 86 Jahre alte Unfallopfer Anna Jung weiter auf eine Entschädigung der Bonner Stadtwerke (SWB).

 Anna Jung mit ihrem Sohn Walter.

Anna Jung mit ihrem Sohn Walter.

Foto: Benjamin Westhoff

Ein Jahr nach einem schweren Sturz in einem Bonner Linienbus – ausgelöst durch eine verfrüht geschlossene Tür – wartet das 86 Jahre alte Unfallopfer Anna Jung weiter auf eine Entschädigung der Bonner Stadtwerke (SWB). Und das, obwohl ein externes Gutachten der Dekra mittlerweile ein Fehlverhalten des Busfahrers als einzige mögliche Ursache für den Oberschenkelhalsbruch ansieht. Am 2. Juli 2017 war die Bonnerin Anna Jung beim Ausstieg aus der Linie 612 an der Haltestelle Lannesdorf-Mitte von der sich schließenden hinteren Tür eingeklemmt worden und auf die Straße gestürzt. Folge waren ein offenes Bein und eine Oberschenkelhalsfraktur. Der Busfahrer sprach später gegenüber der Polizei von einem plötzlichen unerwarteten Türversagen.

Eine solche Fehlfunktion sei technisch nicht nachvollziehbar und habe auch nicht festgestellt werden können, urteilt der Gutachter im Auftrag der Bonner Staatsanwaltschaft: „Insofern verbleibt lediglich die Möglichkeit, dass durch Betätigen des Tastschalters durch den Fahrer die hinteren Flügeltüren geschlossen wurden und dadurch Frau Jung beim Aussteigen zu Fall kam und sich schwer verletzte.“

Bei den SWB sieht man offiziell bis heute keinen Anlass, sich mit dem Unfall näher zu beschäftigen. Schon kurz danach hatte Vize-Sprecherin Veronika John gegenüber dem GA erklärt, bei 92 Millionen Fahrgästen im Jahr kümmere sich das Unternehmen nicht um einzelne Unfallopfer im Krankenhaus. Auch eine Entschuldigung seitens des Unternehmens oder des Fahrers blieb aus. Auf neuerliche Anfrage heißt es, man habe, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, 3500 Euro Schmerzensgeld überwiesen. Weitere Forderungen habe das Unfallopfer seit Januar nicht konkretisiert.

Das sieht Jungs Sohn Walter deutlich anders. Der Remagener musste sich im vergangenen Jahr umfangreich um seine Mutter kümmern – zunächst während der Behandlung im Waldkrankenhaus und in der Reha, danach in ihrer Seniorenwohnung. Mehrmals in der Woche muss er ihr dort im Haushalt zur Hand gehen. Überdies hat sie einen Zusatzpflegevertrag bei der AWO abgeschlossen. Auch praktische Probleme gibt es: „Vor dem Unfall kam meine Mutter problemlos in beide Autos. Ich habe mir jetzt ein anderes gekauft, damit ich sie transportieren kann.“

Jungs Anwalt hatte dafür zunächst pauschal eine Summe von 10.000 Euro Schmerzensgeld verlangt, die von der SWB ohne Rücksprache und sachliche Begründung auf eben jene 3500 Euro gekürzt wurde. Inzwischen hat der Anwalt die entstandenen Kosten konkretisiert. Neben 12 000 Euro Schmerzensgeld stellt er Behandlungskosten, Fahrtkosten und Zeitaufwand von 483 Stunden in Höhe von insgesamt 6831,59 Euro in Rechnung. Eine neue Zahlungsfrist bis zum 20. Juni ließen die SWB indes verstreichen.

Schon vor einem Jahr hatte SWB-Sprecherin John betont, im Falle eines menschlichen Versagens hafte der Busfahrer eigenverantwortlich. Allerdings haftet das Unternehmen bei grober Fahrlässigkeit gegenüber seinen Fahrgästen und könnte sich die Forderungen allenfalls selbst von seinem Mitarbeiter zurückholen. Sowohl der betroffene Mercedes-Bus als auch der Busfahrer waren nach dem Unfall regulär weiter im Einsatz.

Für Walter Jung treiben die Stadtwerke ein zynisches Spiel. „Es kommt mir vor, als ob sie nur auf den Tod meiner Mutter warten“, sagt der Remagener. Zu einem neuerlichen Unfall in Bus und Bahn könne es jedenfalls nicht mehr kommen, berichtet er bitter. Nach dem Sturz könne Anna Jung öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr nutzen.

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