Prozess im Bonner Landgericht Stiefmutter verschwieg Erbe

Bonn · Jahrelang gab es Streit um das Erbe, ein Ferienhaus an der belgischen Nordseeküste. Jetzt verklagte eine 55-jährige Tochter vor dem Bonner Landgericht die Witwe ihres Vaters.

Nach jahrelangem Erbstreit mit ihrer Stiefmutter war einer 55-jährigen Bonnerin jetzt nur noch eines wichtig: Sie wollte sich mit der Ehefrau ihres drei Jahre zuvor verstorbenen Vaters einigen. Im Zivilprozess vor der 1. Zivilkammer des Landgerichts ging es um ein Ferienhaus an der belgischen Nordseeküste.

In dem Haus in De Haan war der Vater der Klägerin nach schwerer Krankheit 2013 gestorben. Fünf Tage später erhielt die Tochter ein anwaltliches Schreiben, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass ihr Anteil als gesetzliche Erbin höchstens 3000 Euro betrage. Der Verstorbene und seine Frau hatten sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt, und in solchen Fällen steht einem Kind nach deutschen Recht als Pflichtanteil ein Viertel des Erbes zu.

Die Tochter beschlichen Zweifel, ob die Angaben zu ihrem Pflichtanteil stimmen können. Ihren Angaben zufolge bekam sie auf Nachfrage jedoch entweder gar keine oder falsche Informationen. Vor allem fragte sich die Bonnerin, ob das Haus in De Haan tatsächlich der Stiefmutter allein gehörte.

Deshalb beauftragte ihr Anwalt Ludwig Klassen einen belgischen Kollegen mit Nachforschungen. Und der fand beim Blick ins Grundbuch heraus: Das Haus gehörte der Stiefmutter nur zur Hälfte, die andere jedoch dem Verstorbenen. Die Entschuldigung der Beklagten: Sie habe die Haushälfte in der Aufregung nach dem Tod ihres Mannes schlicht und einfach vergessen.

Dies konnte und wollte Klägeranwalt Klassen nicht recht glauben. In der mündlichen Verhandlung warf er der Witwe vor, einen versuchten Betrug begangen zu haben. Offenbar hatte die Stiefmutter nicht nur das Haus verschwiegen, sondern auch noch ein Konto ihres Mannes in Belgien, auf dem sich aber nur noch ein geringer Betrag befand.

Gestritten wurde vor allem über den Wert des Hauses. Während die Stiefmutter den auf etwa 400.000 Euro schätzte, geht die Klägerin, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Prozesstermin kommen konnte, von mindestens 600.000 Euro aus. Ihrem Anwalt Klassen zufolge ist aufgrund der guten Lage des Objekts davon auszugehen, dass es in den vergangenen Jahren „zu einer enormen Wertsteigerung der Immobilie“ gekommen ist.

Schließlich einigten sich die Parteien auf den von der Richterin vorgeschlagenen Vergleich: Die Witwe zahlt an die Stieftochter 75 000 Euro. Sollte diese Einigung in den kommenden Wochen widerrufen werden, müsste ein Wertgutachten zu der Immobilie eingeholt werden.

Aktenzeichen: LG Bonn 1 O 52/14

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