Rockerbanden in Bonn Stillhalteabkommen mit den Hells Angels ist gescheitert

BONN · Der "Waffenstillstand" ist vorbei. Vor einigen Jahren verkündeten führende Köpfe der Hells Angels und der Bandidos medienwirksam, dass die Zusammenstöße zwischen den verfeindeten Rocker-Gruppen ein Ende haben sollten. Auch in Bonn sind Revierkämpfe möglich.

Zu viel Blut war auf beiden Seiten geflossen, zu dick waren die Schlagzeilen, zu groß der öffentliche Druck auf Politiker, Polizei und Justiz, härter gegen das Treiben der Gesetzlosen vorzugehen.

"Das war ernst gemeint, aber das Ding ist geplatzt", sagt ein Sprecher der Bandidos, der sich am Telefon als Michael vom Chapter Recklinghausen vorstellt. Beide Gruppen seien schwer zu steuern, und es hätten sich nicht alle Rocker an die Absprachen gehalten. Dass es nun auch in Bonn Ärger geben könnte, will der Mann nicht ausschließen. "Dort hatten die Hells Angels viele Jahre lang ein Charter.

Jetzt haben wir ein Prospect-Chapter gegründet, und das nimmt man erst mal kritisch wahr." Wo ein Bandido-Chapter sei, "laufen auch Leute von uns herum". So wie am Montagabend eben. Da hatten mehr als 100 Mitglieder und Unterstützer der Bandidos vor allem aus dem Ruhrgebiet mit ihren Autos in der Bonner Stiftsgarage geparkt, waren in ihren Rocker-Kutten demonstrativ zum Markt marschiert und hatten sich auf der Rathaustreppe fotografieren lassen. "Ich würde das nicht überbewerten", wiegelt der Bandidos-Sprecher ab.

Die Bonner Polizei beurteilt das völlig anders (siehe unten). Und die Hells Angels wahrscheinlich auch. Die Höllenengel unterhielten jahrelang ein Bonn-Charter. Das Klubhaus stand zwar in Unterelsaff, einem idyllischen Ortsteil von Neustadt/Wied (Rheinland-Pfalz). Viele der Mitglieder wohnten aber in Bonn und Umgebung. Dieses Charter erklärte Anfang 2013 auf seiner Internetseite die eigene Auflösung.

Auffällig ist aber, dass wenige Monate zuvor ebenfalls in Unterelsaff eine Firma gegründet worden ist, in der mindestens zwei Hells Angels Gesellschafter sind. Einer davon ist Karl-Heinz B. (47), der Hells Angel, der 2010 einen SEK-Polizisten erschoss (siehe rechts). In Ermittlerkreisen gilt die Unterelsaffer Kommanditgesellschaft als eine Art Tarnfirma des früheren Bonn-Charters der Hells Angels.

"Wir kennen diese Vorgehensweise von den Hells Angels in den USA", erklärt Uwe Neuser, Leiter der Bonner Kriminaldirektion 2, der zum konkreten Fall in Rheinland-Pfalz nichts sagen kann. Firmengründungen könnten dazu dienen, einem Vereinsverbot einzelner Charter vorzubeugen, so der Ermittler. Nach solchen Verboten dürfen die Rocker auch ihre "Kutten" mit den Clubsymbolen nicht mehr tragen, wichtigstes Statussymbol der streng hierarchisch aufgestellten Gruppen.

Dem soll mit der Organisationsform in einer Firma offenbar vorgebeugt werden. Die Gründung einer Kommanditgesellschaft ist besonders leicht, weil die Gesellschafter nur ein geringes wirtschaftliches Risiko eingehen. "Wir wissen, dass es im Zuständigkeitsbereich anderer Polizeibehörden solche Fälle gibt", sagt Chefermittler Neuser.

Schlagkräftige Unterstützung scheinen sich die Hells Angels bei den "Fist Fighter" gesucht zu haben. Diese Gruppe hat laut Neuser einen harten Kern von 15 bis 20 Kampfsportlern, von denen viele als Türsteher in Bonn und Umgebung arbeiten sollen. Ob gegen Mitglieder der Fist Fighter einschlägige Strafverfahren laufen, lässt Neuser offen. Die Polizei beobachte den Boxclub, den sie im Bonner Umland betreiben, allerdings "sehr kritisch".

Wer sich auf der Facebook-Seite der Fist Fighter umschaut, stößt auf eine ehemalige Rotlicht-Größe aus Bonn: Der Mann war 2001 wegen Zuhälterei, Menschenhandels, schweren Missbrauchs eines Kindes und sexuellen Missbrauchs zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Kampfsportler suchen derzeit offenbar ein neues Hauptquartier in der Bundesstadt.

Die "Black Jackets Westend" aus Bad Godesberg spielen dagegen nach Einschätzung der Polizei keine Rolle mehr. Die führenden Köpfe der brutalen Straßenbande sitzen seit einer Razzia im Januar 2013 in Untersuchungshaft.

"Das demonstrative Auftreten von Rockerbanden in Bonn ist erschreckend", erklärte unterdessen der Bonner Landtagsabgeordnete Joachim Stamp (FDP). "Ich erwarte, dass Polizei und Stadtverwaltung gemeinsam Vorsorge leisten, damit sich organisierte Kriminelle nicht in Bonn breitmachen." Stadt und Polizei müssten auf Clubbesitzer und Personen, "an denen diese Banden üblicherweise andocken, zugehen und ihnen Hilfestellung für den Fall anbieten, dass diese Gruppen Kontakt mit ihnen aufnehmen", forderte Stamp.

Der Fall Karl-Heinz B.

Karl-Heinz B. (47) hat einen Polizisten erschossen - und muss für den Tod des Beamten trotzdem nicht büßen. Der Ex-Konditor aus Anhausen war als Mitglied des Bonn-Charters der Hells Angels ins Visier der Ermittler geraten. Im März 2010 sollte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) sein Haus durchsuchen. Als die Beamten versuchten, die Tür aufzubrechen, schoss er mit einer Pistole durch die geschlossene Tür.

Eine Kugel traf Manuel K. (42) tödlich. Karl-Heinz B. hatte die Polizisten wohl für Einbrecher gehalten. Das Landgericht Koblenz verurteilte ihn wegen Totschlags, doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf, sprach den Rocker frei: Er habe in vermeintlicher Notwehr gehandelt. Karl-Heinz B. erhebt Vorwürfe gegen das SEK: Die Beamten hätten ihn bei der Festnahme misshandelt, behauptet er in einem Video auf der Internetseite der Hells Angels. Die Staatsanwaltschaft Koblenz prüft den Verdacht einer Körperverletzung im Amt: Die Ermittlungen dauern an, teilte ein Sprecher am Dienstag mit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort