Interview mit Kornelia Hülter Bonnorange-Chefin rechtfertigt Änderungen bei Straßenreinigung

Bonn · Bonnorange-Chefin Kornelia Hülter rechtfertigt im Interview die Einführung der umstrittenen bedarfsgerechten Straßenreinigung. Die durch Müllsünder verursachten Probleme nähmen auch in Bonn immer mehr zu.

Sperrmüll auf Abruf: „Durch die Ausweitung auf das gesamte Stadtgebiet wird es günstiger“, meint Bonnorange-Chefin Kornelia Hülter.

Sperrmüll auf Abruf: „Durch die Ausweitung auf das gesamte Stadtgebiet wird es günstiger“, meint Bonnorange-Chefin Kornelia Hülter.

Foto: Benjamin Westhoff

Kornelia Hülter ist vor wenigen Wochen vom Verwaltungsrat im Amt als Vorständin von Bonnorange bei zwei Gegenstimmen wiederbestellt worden. In die Schlagzeilen ist sie jüngst mit ihren Vorhaben geraten, mehr Straßen von Bürgern selbst reinigen zu lassen und Sperrmüll künftig nur noch auf Abruf abholen zu lassen. Mit der Bonnorange-Chefin Kornelia Hülter sprach Lisa Inhoffen.

Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Schmerzen Sie die zwei Gegenstimmen?

Konrnelia Hülter: Nein. Ich weiß ja, warum. Die sind auch nicht gegen mich persönlich gerichtet, sondern es ist die politische Überzeugung über die Vertragsform, die zu dem Votum geführt.

Woher wissen Sie denn, wer wie abgestimmt hat. Es war doch eine geheime Abstimmung…

Hülter: Trotzdem vermute ich, wer gegen meinen Vertrag gestimmt hat. Es sind die Vertreter im Verwaltungsrat, die zum Beispiel meinen, dass die Gehälter der Geschäftsführer der kommunalen Unternehmen zu hoch sind.

Sie haben mit 165.000 Euro jährlich plus 20 Prozent Boni noch das niedrigste Gehalt unter den Geschäftsführungen der kommunalen Unternehmen in Bonn. Aber Sie verdienen immer noch mehr als der OB. Wodurch ist das Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?

Hülter: Es gibt einen gesellschaftlichen Konsens, wie ein Gehalt bemessen wird. Unsere Gehälter zum Beispiel werden auf dem Markt gehandelt. Und da ist das, was ich verdiene, eine normale Größenordnung. Ich finde mein Gehalt auch nicht zu hoch, ich finde das vom OB eigentlich viel zu niedrig.

Einen Tag vor Ihrer Wiederwahl mussten Sie im Stadtrat Kritik einstecken, weil Sie die Erhöhung der Straßenreinigungsgebühren um immerhin 15 Prozent so spät erst vorgelegt haben. Warum so hoch?

Hülter: Auch dies ist eine politische Diskussion. Diejenigen, die die Gebührenhöhung kritisiert haben, wissen es besser. Der Aufwand der Stadtreinigung ist übrigens nur um drei Prozent gestiegen. Wir haben nämlich zwei Teile: Die Straßenreinigung und den Winterdienst. Letzterer wird von der Stadt aus dem Steuerhaushalt finanziert. Und wenn man beides zusammenrechnet, dann kommt man auf die dreiprozentige Erhöhung. Der Rest betrifft den Winterdienst. Da wir entweder Winterdienst oder Straßenreinigung leisten, beeinflusst die Stärke eines Winters den Gebührenbedarf. Denn wenn Bonnorange anstatt des Winterdienstes die Straßen reinigt, dann erhöht sich der Anteil, der durch die Bonner Bürger finanziert wird. Das sind 2020 rund 400.000 Euro, weil ein schwacher Winter vorhergesagt ist. Der geringere Bedarf beim Winterdienst entlastet den Haushalt der Stadt Bonn.

Die Gebühren steigen, die Straßen werden nicht unbedingt sauberer, weil sie oftmals am Rand zugeparkt sind und die Reinigungsfahrzeuge dann einfach flott vorbeifahren. Das ärgert die Bürger. Was schlagen Sie vor?

Hülter: Wir haben vorgeschlagen, in Bonn die bedarfsgerechte Reinigung einzuführen. Diesem Vorschlag ist der Rat gefolgt. So können wir unsere Ressourcen optimal einsetzen. Zu gegebener Zeit könnten wir auch die Reinigung der Parkbuchten und baulich gekennzeichneten öffentlichen Parkplätze wieder in unsere Zuständigkeit übernehmen. Das müsste durch eine Satzungsänderung geschehen. Der Stadtsauberkeit würde das meines Erachtens guttun, wenn wir diese wieder in unsere Touren integrieren könnten.

Wer ist denn jetzt dafür zuständig?

Hülter: Der Anlieger, also der Bürger. Er muss alles, was baulich von der Straße getrennt ist und dadurch zum Gehweg gehört, sauber halten. Dazu gehören die meisten Parktaschen und -buchten. Das gilt seit der Gründung von Bonnorange 2012. Wir sehen aber, dass es seither schmutziger geworden ist. Denn einige Bürger reinigen die Gehwege nicht. In Bonn sollen die Bürger möglichst wenig Gebühren zahlen.

Gilt diese Regelung auch für die ebenerdigen Parkplätze am Fahrbahnrand?

Hülter: Nein, da sind wir nach wie vor zuständig. Reinigung von Parkbuchten ist wegen der geparkten Autos allerorts schwierig, Es gibt Kommunen, die erlassen einmal im Jahr für die Zeit der Reinigung ein Parkverbot und lassen notfalls sogar Fahrzeuge abschleppen. Das ist keine Option für uns. Das ist bürgerunfreundlich. Und eine solche Reinigung einmal im Jahr löst das Problem auch nicht. Wir fegen jetzt drum herum, da bleibt natürlich auch Dreck liegen. Es gibt zwar entsprechende Staubsauger, aber der technische Aufwand wäre sehr groß und teuer.

Interview mit Kornelia Hülter von bonnorange

Interview mit Kornelia Hülter von bonnorange

Foto: Benjamin Westhoff

Vor zwei Jahren haben Sie prognostiziert, die Gebühren bleiben konstant, jetzt steigt die Restmüllentsorgung auch um knapp sechs Prozent. Was sind die Gründe?

Hülter: Bisher ist die Abfallgebühr in Bonn seit Gründung von Bonnorange stets gesunken. Jetzt steigt sie wieder, weil der Markt Probleme macht. Die Verwertung des Sperrmülls ist schwierig geworden, die Entsorgung des Biomülls ist teurer geworden. Die Erlöse für Papier, Pappe und Kartonagen sind runtergegangen. Wir kriegen insgesamt weniger für die Wertstoffe. Das wundert mich, aber im Moment ist es so, der Wertstoffmarkt schwächelt.

Die Restmülltonne wird derzeit alle 14 Tage entleert, ist das vor allem im Sommer angesichts steigender Temperaturen nicht zu selten?

Hülter: Es geht ja bei dieser Abfuhrfrequenz um die Hygiene. Um sie sicherzustellen, bräuchte man laut Experten eigentlich noch nicht einmal eine 14-tägige Abfuhrt. Wenn man den Müll gut verpackt hat und die Tonne im Sommer schattig stellt, dürfte hinsichtlich der Hygiene nichts passieren.

Warum glauben Sie, ist Sperrmüll auf Abruf der bessere Weg?

Hülter: Wir machen alle zwei Jahre mit Hilfe eines Umfrageinstituts eine repräsentative Kundenumfrage. Die meisten der Befragten haben bereits bei der Befragung in 2017 die Sperrmüllabfuhr an festen Terminen als schlechteste Variante bewertet. Deshalb haben wir dem Rat damals die Variante vorgeschlagen, den Sperrmüll auf Abruf abholen zu lassen, wie es übrigens bundesweit am meisten praktiziert wird. Wir befinden uns damit jetzt noch im Probelauf, in 20 Prozent der Bonner Haushalte wird der Sperrmüll zurzeit auf Abruf abgeholt. Man kann jetzt schon sagen, dass das gut angenommen wird. Nach der Umfrage sind 81 Prozent der Kunden, die am Probelauf teilnehmen, sehr zufrieden mit dem neuen System.

Laut Vorlage für den Verwaltungsrat ist das aber mit höheren Kosten verbunden, oder?

Hülter: Das stimmt nur bedingt. Wir sparen langfristig Kosten. Der Probelauf ist teurer, richtig, aber durch die Ausweitung auf das gesamte Stadtgebiet wird es günstiger. Zurzeit ist eben der Erklärungsbedarf noch hoch, deshalb benötigen wir noch mehr Personal. Wenn das neue System ausgeweitet wird, wird die Abfuhr günstiger, weil die Strecken kürzer werden. Außerdem fällt durch unsere Beratung insgesamt weniger Müll an. Und durch den Sperrmüll auf Abruf wird es weniger Müllfledderer geben. Dadurch wird auch weniger wilder Müll in der Gegend verteilt, den wir sonst einsammeln müssen.

Trotzdem gibt es auch noch viel Kritik am neuen System…

Hülter: Das ist, glaube ich, bei allen Änderungen so, die Leute, die unzufrieden sind, melden sich eher, als die, die zufrieden sind.

Wie geht es weiter?

Hülter: Wir werden in den kommenden Wochen dem Rat der Stadt Bonn einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Ich weiß zwar, dass die politische Mehrheit im Moment noch in die andere Richtung geht, aber ich hoffe, wir können den Rat am Ende überzeugen. Zumal das Argument, es werde durch das neue System Brauchbares nicht mehr der Wiederverwertung zugeführt, nicht unserer Erfahrung entspricht. Wir bieten ja jetzt schon den Kunden die Möglichkeit, über unsere Tauschbörse im Internet Möbel oder Ähnliches zum Abholen anzubieten. Das hat zum Beispiel auch den Vorteil, dass die Sachen nicht mehr Wind und Wetter ausgesetzt werden. Wir unterstützen sie künftig auch dabei, zum Beispiel, wenn sie online nicht selbst eine Anzeige einstellen wollen. Ich glaube, das überzeugt am Ende alle. Die ich nicht überzeugt bekomme, das sind diejenigen, die zu Unrecht Sachen dazu stellen, die nicht zum Sperrmüll gehören.

Wie steht es generell um Müllsünder in Bonn?

Hülter: Das nimmt leider immer weiter zu. Das ist bundesweit zu beobachten. Bei uns ist es so, dass mittlerweile ein Fahrzeug an drei Tagen pro Woche unterwegs ist, um ausschließlich illegal entsorgten Müll einzusammeln.

Gehen Sie den Müllsündern nach und welche Erfolgsquote haben Sie?

Hülter: Wir gucken den Müll durch, ob wir Adressen oder andere Hinweise auf den Verursacher finden. Allerdings ist die Zahl derer, die wir ertappen, eher zu vernachlässigen. Das ist in anderen Kommunen ähnlich. Es sind gewerbliche wie auch private Müllsünder, die so agieren. Ich verstehe sie nicht, denn sie könnten ihren Müll kostenlos und legal entsorgen. Doch sie machen sich noch die Mühe, ihren Müll in den Wald zu schleppen und ihn dort illegal zu entsorgen.

Glauben Sie, dass viele gar nicht wissen, dass es diese Möglichkeiten zur legalen Müllentsorgung gibt und Sie die Kommunikation nach außen verbessern müssen?

Hülter: Das ist ja unser Thema, wir wollen uns als kommunales Unternehmen nicht nur wirtschaftlich gut aufstellen, sondern auch bei den Themen Nachhaltigkeit und Kommunikation.

Wie wollen Sie das machen?

Hülter: Wir schaffen klarere Strukturen durch die Ansiedlung des Kundenservices beim Vertrieb und bauen parallel unsere Unternehmenskommunikation auf. Die Vertriebsleute beraten weiter die Kunden in allen Fragen und die Unternehmenskommunikation vertritt das Unternehmen bei seinem Auftritt nach außen. Dafür wollen wir in diesem Jahr ein, zwei Stellen ausschreiben.

2017 hatte Bonnorange 383 Mitarbeiter, mittlerweile sind es 430. Damit steigen natürlich auch die Personalkosten, laut Wirtschaftsplan 2019 waren es 23,5 Millionen Euro. Wie vertreten Sie diese Steigerung?

Hülter: Zu berücksichtigen ist zunächst, dass ein Zuwachs von 47 Mitarbeitern von 2017 zu 2019 nicht zwingend heißt, dass es 47 neue Stellen gibt, da auch Teilzeitmitarbeiter, Rentner und andere Ausfälle zu berücksichtigen sind. Die Neueinstellungen von Anfang 2018 bis Ende 2019 verteilen sich zu 50 Prozent auf die Stadtreinigung, 35 Prozent auf die Abfallwirtschaft, acht Prozent in der Verwaltung und sieben Prozent in der Werkstatt. Wir haben uns also größtenteils operativ verstärkt, um mehr für die Bürger zu leisten.

Wie zufrieden sind Sie heute persönlich mit der Sauberkeit in Bonn?

Hülter: Ich sehe dort Handlungsbedarfe insbesondere da, wo wir nicht zuständig sind. Im bundesweiten Vergleich liegen wir im Mittelfeld. Aber wir wollen besser werden. Dafür ist die bedarfsgerechte Reinigung der richtige Weg, den wir dank der Unterstützung der Politik beschreiten können.

Wie steht es um die Suche nach einem Areal für einen Wertstoffhof in Beuel?

Hülter: Wir sind weiterhin auf der Suche nach einem geeigneten Standort. Ein rechtsrheinischer Wertstoffhof wird gebraucht, um den Bürgern dort einen besseren Service zu bieten. Dazu gehören auch kürzere Wege, um die Verwertungsquote zu steigern.

Sie wollen den freiwilligen Sonntagsdienst verpflichtend einführen wollen. Wie ist der Stand der Dinge?

Hülter: Wir verhandeln mit dem Personalrat. Wir passen unsere Dienstleitung an den Lebensstil der Bonner an. Politik und Bürger haben den Wunsch an uns herangetragen, dass wir auch am Sonntagnachmittag für Sauberkeit in der Innenstadt sorgen sollen. Deswegen wurde beschlossen, eine weitere Reinigungsklasse einzuführen, die dort nun statt einer seit dem 1.Januar zwei Schichten am Sonntag vorsieht. Die Arbeit lastete bisher immer auf denselben Schultern. Wir wollen die Planungssicherheit erhöhen und die Belastung solidarisch und zu gleichen Teilen auf alle Mitarbeiter verteilen. Dabei steht außer Frage, dass wir das neue Arbeitszeitmodell im Konsens mit unseren Mitarbeitern abstimmen wollen, denn von ihnen ist unsere Leistungskraft abhängig.

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