„Was wir gerade erleben, ist existenzbedrohend“ Darum streikt der Bonner Stadtgärtner Stefan Fetting

Bonn · Stefan Fetting arbeitet als Gärtner beim Bonner Amt für Stadtgrün. Am Montag hat er zum ersten Mal an einem Streik teilgenommen. Warum geht der 58-Jährige mit seinen Kollegen auf die Straße?

 Gärtner Stefan Fetting (58) ist am Montag auf die Straße gegangen, um für bessere Löhne im öffentlichen Dienst zu kämpfen. Für ihn und seine Kollegen wird die finanzielle Situation immer schlechter.

Gärtner Stefan Fetting (58) ist am Montag auf die Straße gegangen, um für bessere Löhne im öffentlichen Dienst zu kämpfen. Für ihn und seine Kollegen wird die finanzielle Situation immer schlechter.

Foto: Nicolas Ottersbach

Mit jedem Atemzug wird Stefan Fetting lauter. Er hat eine magentafarbene Trillerpfeife im Mund und pustet immer fester hinein. Am liebsten so laut, dass Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner ihn und seine rund 600 Gewerkschafts-Kollegen durch das geschlossene Fenster im Alten Rathaus hören können.

Das wünscht sich auch der Bonner Komba-Gewerkschaftsführer Christian Dröttboom, der am Montag auf der Bühne steht und die Streikenden aus dem Öffentlichen Dienst anfeuert. „Fünf Prozent Lohnerhöhung auf 27 Monate. Es ist eine Frechheit, was uns die Arbeitgeberverbände angeboten haben“, ruft Dröttboom. „10,5! 10,5! 10,5!“, skandiert die Menschenmenge. Um so viel Prozent soll der Lohn aus Sicht der Arbeitnehmer steigen.

Das ist auch dringend nötig, erklärt Fetting: „Wenn ich heute noch meine Kinder großziehen müsste, würde es nicht mehr reichen.“ Der 58-Jährige arbeitet seit 2006 als Gärtner beim Bonner Amt für Stadtgrün, vorher war er in der freien Wirtschaft tätig. Er hat jeden Monat rund 2000 Euro nach Abzug aller Abgaben. Auch seine Frau ist berufstätig. Sie wohnen etwas ländlicher in Königswinter, eine vergleichbare Wohnung in der Stadt wäre für sie nicht bezahlbar.

Die Krisen haben ein großes Loch in die Haushaltkasse gerissen. „Die Rechnungen für Strom und Gas sind viel höher, das merkt doch jeder im Moment.“ Hinzukomme die Inflation. „Wenn ich für das gleiche Geld wie vor zwei Jahren den Einkaufskorb fülle, ist da fast nichts mehr drin.“ Das habe für ihn zur Folge, dort zu sparen, wo man es am ehesten kann, zum Beispiel beim Urlaub. „Dazu muss man beachten, dass ich noch vergleichsweise gut verdiene.“ Er stellt sich die Frage: Was bringt die Sicherheit des Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst, wenn das Geld nicht mehr zu Leben reicht?

„Wir arbeiten gerne für den Bürger“

Die Stimmung in seiner Kolonne, die unter anderem die Arbeiten der Bezirke Endenich, Venusberg und Ippendorf abdeckt, sei schlecht, wenn es um Entlohnung und Wertschätzung gehe. „Viele Kollegen sind krank, weil wir mit der Arbeit nicht hinterherkommen.“ Von den Stellen, die bei der Stadt geschaffen werden, bemerke er wenig. Und die Bürger beschwerten sich, wenn er Sträucher zu stark zurückschneidet. „Das muss ich aber so machen, weil ich nicht die Zeit habe, sie häufiger zu stutzen.“ Er betont: „Wir arbeiten gerne für den Bürger.“

Der Streik am Montag war der erste, an dem Stefan Fetting jemals teilgenommen hat. Warum er sich so kämpferisch gibt? „Was wir gerade erleben, ist existenzbedrohend. Die Löhne steigen nicht so, wie sie müssten, um die Verluste auszugleichen.“ In der Gewerkschaft ist er seit rund zwei Jahren. Er will selbst etwas für die Tariferhöhung tun und nicht nur davon zu profitieren, dass andere für ihn einstehen. Ein weiterer Vorteil: Er erhält ein Streikgeld von rund 100 Euro, für das er vor Demo-Beginn unterzeichnen muss. Der Arbeitgeber streicht im Gegenzug den Tageslohn. Fetting stellt sich darauf ein, in den kommenden Wochen wieder auf die Straße zu gehen. In gewissem Maße tut es ihm Leid, dass andere unter den Streiks leiden müssen. „Aber wenn niemand etwas von dem Streik merkt, würde er nichts bringen.“

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