Debattiermeisterschaft Streiten nach Art des Unterhauses

Bonn · Bei der westdeutschen Debattiermeisterschaft 2016 an der Universität Bonn setzte sich ein Team aus Münster als Sieger durch.

 Debattier-Etikette: Teresa Widlok aus Münster und Nicolas Garz aus Hamburg haben Einwände. Für wen das gilt, der steht auf und hebt den Arm. Der Redner entscheidet, ob er dem stattgeben möchte oder nicht. Garz wurde später zum besten Einzelredner des Turniers gekürt.

Debattier-Etikette: Teresa Widlok aus Münster und Nicolas Garz aus Hamburg haben Einwände. Für wen das gilt, der steht auf und hebt den Arm. Der Redner entscheidet, ob er dem stattgeben möchte oder nicht. Garz wurde später zum besten Einzelredner des Turniers gekürt.

Foto: Maike Walbroel

Ist es richtig, dass die Bundesregierung ihre Entscheidung bereut, im Fall Jan Böhmermanns der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen? Stifte kratzen auf Papier und zwei junge Frauen stecken die Köpfe zusammen.

Im Flüsterton führen sie eine hitzige Diskussion. Und das, obwohl jemand eine Rede hält. Was auf den ersten Blick unhöflich erscheinen mag, ist bei Debattier-Turnieren erwünscht.

Es gilt, in Zweier-Teams für eine bestimmte Position zu argumentieren. Das Thema erfahren die Teilnehmer erst 15 Minuten vor Beginn der Diskussion. "Das ist eine sehr kurze Vorbereitungszeit", sagt Mia Lu, Mathematik-Studentin an der Universität Bonn. "Aber so lernt man auch, sich schnell in verschiedene Themen einzuarbeiten und sich mit ihnen auseinanderzusetzen." Seit über einem Jahr ist Lu Mitglied im Debattierclub der Uni und hat bei der Vorbereitung der westdeutschen Debattiermeisterschaft 2016 geholfen.

Jetzt war es soweit: Nach vier Vorrunden und dem Halbfinale hatten sich drei Teams aus Münster und eines aus Hamburg für das Finale qualifiziert. Auch Bonner Studierende waren beteiligt: Der hiesige Debattierclub trifft sich wöchentlich im Uni-Hauptgebäude. Unter die besten vier schafften es die beiden angetretenen Bonner Teams jedoch nicht.

Was bringt junge Menschen dazu, Diskutieren als Hobby zu betreiben? Für Lu ist die Antwort darauf eindeutig: "Es gibt so viele interessante Themen, die man von allen Seiten aus betrachten kann. Debattieren ist auch gut für die rednerischen Fähigkeiten."

Diese Haltung dürfte Ehrenjury-Mitglied Dr. Christiane Florin besonders freuen: Die Journalistin und Lehrbeauftragte für Politik erregte vor bald zwei Jahren große Aufmerksamkeit, als sie sich in einer Streitschrift darüber beklagte, dass Studierende lieber nach Formalitäten für Hausarbeiten fragten, als Diskussionen zu führen. In ihrem Grußwort sagte sie: "Eine echte Debatte zeigt immer, dass keine Entscheidung alternativlos ist."

Das erkannten auch die Zuschauer in der Aula, als nacheinander alle acht Finalisten die ihnen zugeloste Position vortrugen und versuchten, das Publikum für sich zu gewinnen. Während der jeweils siebenminütigen Reden war es keineswegs still im Saal: Vor allem die Vertreter der Gegenposition machten sich eifrig Notizen und berieten sich mit ihren Teampartnern, um die folgende Rede noch zu aktualisieren oder einen Einwand vorzubringen.

Dazu steht man auf und streckt die Hand aus; der Redner kann den Einwurf zulassen oder auch abwinken.

Überhaupt gibt es klare Regeln beim Debattieren: Das Finale in Bonn folgte der Form des "British Parliamentary Style", kurz BPS. Dabei werden jeweils zwei Teams der Regierung beziehungsweise der Opposition zugeteilt. Die Regierung eröffnet die Debatte und verteidigt ihre Position; darauf folgt ein Vertreter der Opposition.

Nachdem alle vorgetragen haben, bestimmt eine aus erfahrenen Debattierenden bestehende Jury das beste Team.

Nicht nur in Bonn, sondern auch in Jena und Tübingen fanden am Wochenende Regionalmeisterschaften im Debattieren statt. Veranstalter der Turniere ist die Wochenzeitung "Die Zeit". Das Finalthema, die Entscheidung der Bundesregierung im Falle Böhmermanns, war traditionell überall das gleiche.

Nicht nur die Aktualität des Streitthemas, sondern auch die lebendige Vortragsweise der Finalisten sorgten dafür, dass das Publikum bis zum Schluss interessiert die Debatte verfolgte. Alle Teilnehmer redeten völlig frei, untermalten ihre Rede mit den Händen und setzten ihre Stimme gekonnt ein.

Mitglieder der Ehrenjury waren außer Christiane Florin auch der ehemalige Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, Uni-Rektor Michael Hoch, Armin von Buttlar vom Vorstand der "Aktion Mensch" sowie der Fernsehmoderator Ralph Caspers.

Sie waren sich einig, wen sie als besten Einzelredner des Nachmittags ansahen: Caspers überreichte die Auszeichnung an Nicolas Garz aus Hamburg. Der Moderator bilanzierte beeindruckt: "Ich hatte gehofft, nach der Debatte eine Meinung zum Fall Böhmermann zu haben - aber ich fühle mich, ehrlich gesagt, so schlau wie vorher. Das liegt daran, dass alle Argumente so hervorragend waren."

Die Sieger der Westdeutschen Debattiermeisterschaft kommen allerdings aus Münster: Einstimmig entschied sich die studentische Jury unter Leitung von Anna Mattes für das Team "MS Martini". Philipp Schmidtke und Christoph Saß vertraten die Position der Regierung und hatten die Debatte eröffnet; auch nach ihren eigenen Vorträgen verfolgten sie die Debatte aktiv und brachten regelmäßig Einwände vor.

Als Westdeutsche Meister werden sie nunmehr zum Finale der Deutschen Debattiermeisterschaft reisen, wo sie sich mit den anderen Regionalsiegern messen werden; es findet Ende Mai in Heidelberg statt.

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