25-Jähriger will Abwassertechniker werden Syrischer Flüchtling macht Ausbildung in Bonner Kläranlagen

Bonn · Sariah Khouly ist 2015 aus Syrien geflüchtet. Heute macht er eine Ausbildung bei der Stadt Bonn – in den vier Kläranlagen.

 Die Kläranlage in Duisdorf ist eine von vier in Bonn. Auszubildende machen Station in jeder davon.

Die Kläranlage in Duisdorf ist eine von vier in Bonn. Auszubildende machen Station in jeder davon.

Foto: Benjamin Westhoff

Sariah Khouly hat zehn Tage gebraucht, um nach Deutschland zu kommen. „Ich bin viel zu Fuß gegangen“, sagt der 25-Jährige, der 2015 wegen des Bürgerkriegs aus Syrien flüchtete. Zusammen mit seinem kleinen Bruder und zwei Cousins machte er sich auf den Weg: mit dem Flugzeug in den Libanon, mit dem Schlauchboot nach Griechenland, dann mit Zügen und Bussen – und oft zu Fuß. Seine Eltern, die in Syrien blieben, schärften ihm ein, er solle gut auf seinen Bruder aufpassen. „Wir haben viel Glück gehabt“, sagt Khouly, der seit seiner Ankunft in Rheinbach lebt. „Es gibt Leute, die haben sechs Monate gebraucht, um hierher zu kommen.“

Schnell ging es auch bei seiner Ausbildung. Dort übersprang er einfach das erste Jahr. Vorher hatte er eine sogenannte Einstiegsqualifizierung gemacht, dabei verbrachte er ein Jahr in den Kläranlagen der Stadt – auch in Duisdorf. Die Maßnahme der Agentur für Arbeit ist eine Art Langzeitpraktikum. Läuft das gut, geht es im Anschluss mit der Ausbildung weiter, die drei Jahre dauert. „Weil Sariah so gut war, ist er direkt im zweiten Ausbildungsjahr gestartet“, sagt Sascha Hessenbruch, Ausbildungsleiter bei der Stadt. „Das ist schon ungewöhnlich.“ Gerade ist er im letzten Jahr seiner Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik.

Eigentlich wollte Khouly studieren. Aber anfangs war sein Deutsch dafür nicht gut genug. „Ich wollte etwas in Richtung Ingenieur machen“, sagt Khouly. „Bei der Agentur für Arbeit hat man mir dann Abwassertechnik empfohlen.“ Er habe keine Ahnung gehabt, was das überhaupt ist. Nach einem Tagespraktikum entschied er sich, dort die Einstiegsqualifizierung zu machen. „Ich habe mich sehr gefreut, dass ich dort anfangen konnte.“

Während seines ersten Jahres in Deutschland brachte er sich selbst Deutsch bei – mit der Übersetzer-Funktion von Google. Sprachkurse durfte er nicht besuchen. Was ist das Schwierigste am Deutschlernen? „Die Sprache“, sagt Khouly. Im Deutschen gebe es viele Wörter, die im Arabischen nicht existieren – Ausbildung zum Beispiel. „Ich musste meinen Eltern fünf Minuten lang erklären, was das ist“, sagt er. Anfangs verständigte er sich mit Englisch. Nach einem Jahr konnte er dann auch einen Kurs besuchen, um Deutsch zu lernen.

„Die Sprache ist das größte Problem, wenn es darum geht, dass Flüchtlinge eine Ausbildung bekommen“, sagt Hessenbruch. Gerade bei einer Ausbildung in der Verwaltung, die sei halt sehr sprachlastig. Aber bei einem Forstwirt etwa komme es darauf an, ob er eine Kettensäge bedienen könne oder nicht. „In technischen Berufen können die Geflüchteten ihre Talente besser ausspielen und anders überzeugen“, sagt er. „Und die Sprache können sie dabei immer noch lernen.“ Derzeit gebe es vielleicht fünf Geflüchtete, die bei der Stadt eine Ausbildung machen, schätzt er. Manchmal falle es halt auch gar nicht weiter auf, dass die Azubis Geflüchtete seien. Von Ausbildungsbetrieben wünscht er sich etwas mehr Mut, Flüchtlingen mal eine Chance zu geben. Oft gebe es bei den Betrieben Bedenken, wenn die Bewerber keine Erlaubnis hätten zu bleiben. „Aber wer erst mal einen Ausbildungsplatz hat, für den gibt es da eigentlich keine Probleme“. sagt Hessenbruch.

Khouly musste drei Jahre warten, bis er die Ausbildung beginnen konnte. Mit seiner Arbeit sei er sehr zufrieden. Die Anlage in Duisdorf sei etwas besonderes, weil sie im Vergleich zu anderen relativ klein ist. Sie hat zudem zwei „Straßen“ durch die das Wasser fließt. So können verschiedene Verfahren das Wasser aufzubereiten mit einander verglichen werden. Nur rund 40 solcher Anlagen gibt es in ganz Deutschland. Besonders aufregend sei es, wenn bei Unwettern riesige Wassermengen durch die Anlage rauschen. Und dann hat die Arbeit dort noch einen weiteren Vorteil. „Von Rheinbach fahre ich mit der Bahn nur 20 Minuten da hin“, sagt Khouly. Dann überlegt er einen Moment und korrigiert sich: „21 Minuten“. Das ist dann doch jetzt schon sehr deutsch, oder? „Stimmt“, sagt Khouly und lacht.

Wenn er mit der Ausbildung fertig ist, möchte Khouly noch den Meister in Abwassertechnik machen. Gerne würde er auch weiter für die Stadt arbeiten. „Wenn ich übernommen werde“, sagt er. „Wenn es nach uns geht, bleibt er bei uns“, sagt Hessenbruch dazu. „Wir bilden nicht für den Markt aus.“

Vieles hat sich für Khouly geändert seitdem er nach Deutschland gekommen ist: Er spricht mittlerweile die Sprache, hat einen Job und sein kleiner Bruder studiert ab Oktober. Nur eins hat sich nicht geändert. „Ich muss immer noch auf ihn aufpassen“, sagt Khouly. „Obwohl er schon 21 ist.“

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