Cryptoparty in Bonn Teilnehmern lernen ihre Daten im Netz besser zu schützen

BONN · "Sex, Drogen und Rock 'n' Roll gibt es bei uns nicht", sagt Jochim Selzer lachend. Nur ein paar kalte Getränke seien im Angebot, mit denen die kostenlose Party bezuschusst werde. Eine Cryptoparty diene eher der Gesundheit und sei so etwas wie ein digitaler Erste-Hilfe-Kursus für Jedermann.

 Aufklärung ist das Ziel auf der Cryptoparty.

Aufklärung ist das Ziel auf der Cryptoparty.

Foto: FROMMANN

Als Aktiver der Cryptoparty-Bewegung hat Selzer zur Cryptoparty im Bonner Netzladen eingeladen, einem beliebten Treffpunkt für Computerfreaks. Seit März organisiert der 44-jährige Systemadministrator ehrenamtlich solche digitalen Aufklärungs-Partys im Köln-Bonner Raum.

Nach den Enthüllungen von Edward Snowden und des damit ausgelösten Überwachungs- und Spionageskandals gebe es zunehmend Interessenten, manchmal bis zu 40 Teilnehmer. Cryptopartys richten sich an Menschen ohne große Vorkenntnisse, die ihre Computer absichern wollen. Zum Beispiel, indem sie Mails und ihre Festplatte verschlüsseln, sichere Passworte verwenden und als Surfer im Netz anonym auftreten.

Der studierte Mathematiker Selzer hat den Anspruch, Kryptologie und Datensicherheit auch für Laien verständlich zu machen. "Wenn ich rede, stelle ich mir immer meinen 70-jährigen Vater vor, der nicht viel mehr weiß als, wo er den Knopf drücken muss, um seinen PC anzuschmeißen." Fachkundige Tutoren würden dann in Arbeitsgruppen bei der Installierung von Sicherheitsprogrammen helfen.

Schnell füllt sich der kleine Raum. Rund 15 Teilnehmer belegen die Plätze auf Sofa, Sessel und Stühlen. Ein Drittel davon sind Frauen. Auch mehrere Journalisten sind anwesend, die Details zum Datenschutz erfahren wollen. Ein ehemaliger Informatikstudent ist erstaunt, wie gering das Bewusstsein hierzulande für die Überwachungsmöglichkeiten und Ausspähpraktiken sei. "In China wissen die Leute, dass sie ständig überwacht werden", sagt der 26-Jährige aus eigener Beobachtung.

Nach einem geschichtlichen Exkurs und einer Einführung in Verschlüsselungsanwendungen sowie Anonymisierungstechniken geht es zur Praxis. Die Teilnehmer packen ihre Laptops aus und organisieren sich in Arbeitsgruppen. Ein älterer Herr verlässt kommentarlos den Raum. Ob Selzers Vater den Einführungsvortrag verstanden hätte? Organisator Selzer schüttelt den Kopf. "Nein. Datenverschlüsselung ist noch zu komplex, macht viel Arbeit und ist nur sinnvoll, wenn es genug Anwender gibt. Aber wenn die Leute sich nach der Cryptoparty sicherer fühlen und sich untereinander austauschen, bin ich schon zufrieden."

Die nächste Cryptoparty gibt es voraussichtlich Mitte August in Köln. Grundsätzlich kann jeder eine Cryptoparty organisieren und kostenlos beim "Arbeitskreis Vorratsdatensicherung" Referenten anfordern - diese bieten auf Anfrage auch Seminare über Datenschutz und allgemeine IT-Sicherheit an.

Kontakt per E-Mail an crypto-starthilfe@dipohl.de und im Internet auf https://twitter.com/CryptopartyKBN

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