Kommentar Tiefe Gräben bei den Roten

Das wird ein schweres Jahr für die Bonner Sozialdemokratie. Sie startet spät ins Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters, und sie bietet derzeit ein Bild der Zerrissenheit. Natürlich ist es prinzipiell gut, wenn eine Partei zwischen zwei Kandidaten wählen kann.

Auch dass die Unterstützer von Peter Ruhenstroth-Bauer und Ernesto Harder vor der Vollversammlung hinter den Kulissen heftig an den Strippen gezogen haben, um ihren Favoriten durchzusetzen, ist normal. Die Art und Weise, wie Parteichef Harder offenbar zum Rücktritt gedrängt worden ist, zeigt aber, wie tief die Gräben bei den Genossen sind. Der Putsch war wohl schon vorbereitet. Auch dass zwei weitere Vorstandsmitglieder aus dem Harder-Umfeld hinwerfen, spricht Bände.

Als Ex-Parteichef trägt Harder Verantwortung für die Niederlagen der SPD, die bei der Kommunalwahl 2014 nur 23,4 Prozent schaffte. Es war der bisherige Tiefpunkt eines Trends, der seit zwanzig Jahren zu beobachten ist: Seit 1994, als die Partei auf 35,5 Prozent kam, ging es bei den Kommunalwahlen kontinuierlich bergab. Einem Zwischenhoch bei der Landtagswahl 2012 mit 30,3 Prozent folgte bei der Bundestagswahl 2013 der nächste Absturz mit 26 Prozent, der ohne den starken Direktkandidaten Ulrich Kelber wohl noch herber ausgefallen wäre.

Die SPD hat es in den vergangenen Jahren nicht vermocht, im Stadtrat ein überzeugendes Profil zu gewinnen und wichtige Themen zu setzen. In der Opposition ist das zweifellos schwierig - vor allem dann, wenn ein Parteigenosse als Oberbürgermeister im Dauerclinch mit der schwarz-grünen Mehrheitskoalition liegt. Ein strategisches Dilemma, das die Fraktion nicht lösen konnte. Egal, wie die OB-Wahl ausgeht: Es wäre Bonn zu wünschen, dass die traditionsreiche Volkspartei zu stärkerer Geschlossenheit und inhaltlicher Schlagkraft zurückfindet. Denn auch wer in der Opposition sitzt, hat den Auftrag, die Geschicke der Stadt mitzulenken - gerade in einem Rat, der in so viele Fraktionen und Gruppen zerfällt.

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