Beratungsstelle in Bonn Trotz Arbeit arm

BONN · Beide haben ihre Berufsausbildung abgeschlossen. Die 26-jährige Mutter von zwei kleinen Kindern arbeitet Vollzeit, ihr Ehemann ist halbtags beschäftigt.

Trotzdem kommt die Familie finanziell nicht über die Runden. Hohe Miete, teure Energie sowie gestiegene Lebenshaltungskosten zehren das monatliche Einkommen viel zu schnell auf. Seit einiger Zeit können vereinbarte Ratenzahlungen nicht mehr geleistet werden. Letzter Ausweg ist ein Gespräch bei der Schuldnerberatung von Diakonie und Caritas in der Noeggerathstraße. Nach dem Gespräch ist die junge Mutter wieder etwas zuversichtlicher: Die Fachleute wollen mit den Gläubigern eine Stundung der ausstehenden Zahlungen erwirken.

"Das ist ein ganz typischer Fall", erklärt Einrichtungsleiter Henning Dimpker. Gemeinsam mit Ulrich Hamacher von der Diakonie und Jean-Pierre Schneider vom Caritasverband informierte sich Bonns Bundestagsabgeordneter Ulrich Kelber über die Situation des Paares. Anlass ist die laufende Aktionswoche der Schuldnerberatung.

Unter dem Titel "Arm und überschuldet - trotz Arbeit" soll darauf hingewiesen werden, dass Minijobs, Leiharbeit, Werkverträge, Teilzeitbeschäftigung oder befristete Anstellungen immer mehr Menschen in die Ver- oder Überschuldung treiben. Oft bleibt dann nur noch der Weg in die Privatinsolvenz. Allein 2014 verzeichneten die Mitarbeiter der Beratungsstelle 576 Anträge für die Region.

Das Abrutschen in die Schuldenfalle ist fast immer mit einer Veränderung im persönlichen Umfeld verbunden. "Krankheit, Trennung oder der Verlust des Arbeitsplatzes sind die häufigsten Auslöser", weiß Dimpker aus der Praxis. Aber auch wer über einen längeren Zeitraum nur eine prekäre Beschäftigung hatte, schliddert schnell hinein. Viele Arbeitnehmer haben gleich mehrere Minijobs und kommen trotzdem nicht über die Runden.

"Prekär Beschäftigte arbeiten nicht nur häufig im Niedriglohnsektor, sondern sie haben meist nur befristete Verträge. Mit der Folge, dass nur geringe Rentenansprüche bestehen. Altersarmut ist dann die Folge", so Kelber. Doch nicht nur Politik und Sozialbehörden sollten sich mit dem Thema beschäftigen.

"Auch Banken haben ihren Beitrag zu leisten", fordert Jean-Pierre Schneider. "Sie müssten dazu verpflichtet werden, einem Kunden ein Beratungsgespräche anzubieten, wenn sie sehen, dass sich seine finanzielle Lage verschlechtert hat", so der Caritaschef.

Prekäre Beschäftigung

Unter den Begriff "Prekäre Beschäftigung" fallen Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Löhnen, die oft nicht auf Dauer und Kontinuität angelegt sind, keine Absicherung durch die Sozialversicherung und nur geringe arbeitsrechtliche Schutzrechte aufweisen.

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