Türkische Klimaaktivistin zu Gast in Bonn „Die wirklich interessanten Dinge passieren am Rande der Klimakonferenz“

Bonn · Ela Gökcidem wohnt für drei Tage bei GA-Volontärin Selina Stiegler. Die wirklich interessanten Dinge passieren am Rande der Klimakonferenz, findet die 21-jährige Türkin.

Im Gespräch: GA-Volontärin Selina Stiegler (links) und Klimaaktivistin Ela Gökcidem.

Im Gespräch: GA-Volontärin Selina Stiegler (links) und Klimaaktivistin Ela Gökcidem.

Foto: Anton Dieckhoff

Klimaaktivistin Ela Gökcidem musste sich nach der Landung am Flughafen Köln/Bonn auf ganz altmodische Weise mit Karte und Fahrplan orientieren. Die 21-Jährige stellte erst nach der Landung fest, dass sie keinen Auslandstarif für mobile Daten auf dem Handy gebucht hatte. In Bonn angekommen, sei sie überrascht gewesen. „Bonn ist eine der schönsten Städte, in denen ich je war“, sagt sie.

Gökcidem ist aus der Türkei für die Klimakonferenz, die zurzeit in Bonn stattfindet, angereist. Bei der Bonner Konferenz, die zur Vorbereitung der nächsten Weltklimakonferenz stattfindet, geht es vor allem um die bisherige Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 und damit um die Fortschritte und Versäumnisse im Kampf gegen die Erderwärmung. Zudem soll über die Finanzierung von Klimaschutz und Energiewende sowie den Ausgleich von Klimaschäden in Entwicklungsländern gesprochen werden.

21-Jährige ist diesmal als Beobachterin dabei

Die 21-Jährige hält normalerweise Reden auf dieser Art von Konferenzen. Dieses Mal ist sie allerdings nur als Beobachterin da: „Die wirklich interessanten Dinge passieren am Rande der Veranstaltung. Wenn die NGOs und die Aktivisten sich zusammensetzen und über neue Ideen reden“, sagt sie. Außerdem sei sie nicht so aufgeregt wie sonst, wenn sie selbst vortragen muss, und könne die Konferenz wirklich wahrnehmen.

Gökcidem ist eine der Teilnehmenden, die privat in Bonn untergebracht sind. Sie wohnt bei GA-Volontärin Selina Stiegler, die die 21-Jährige über das Angebot Bedexchange des Vereins Klimadelegation kennengelernt. Eine befreundete Klimaaktivistin hatte die Anfrage weitergeleitet. „Klimaaktivisten haben oft wenig Geld, weil sie ihr Engagement ehrenamtlich betreiben. Da wollte ich sie unterstützen“, sagt Stiegler. Gökcidem wäre ohne das private Übernachtungsangebot nicht zur Konferenz gefahren.

Bettenbörse für Wohngemeinschaften auf Zeit

Die Stadt Bonn hatte im Vorfeld für die Bettenbörse, geworben, die von der Klimadelegation, Fridays for Future Bonn und den Developers For Future organisiert wird. Bett, Couch oder Luftmatratze – es wurde genommen, was angeboten wurde. Das Zusammenleben in der Wohngemeinschaft auf Zeit klappt laut Stiegler bisher sehr gut. Gökcidem sei sehr freundlich und wolle sich auf jeden Fall selbst versorgen, um ihrer Gastgeberin „nichts wegzuessen“.

Die Klimaaktivistin stammt eigentlich aus Avsa, einer kleinen Insel im Marmarameer, das zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer liegt. Dort lernt sie das Meer lieben. Sie verbrachte als Kind regelmäßig sechs Stunden am Tag am und im Wasser. Mit der Zeit sei ihr aufgefallen, dass das Wasser immer dreckiger wurde, so berichtet die 21-Jährige. Während sie tauchte, sah sie unter Wasser immer weniger.

Sie fing an, sich zu engagieren, um die Ozeane zu schützen. Der Klimawandel löste 2021 eine Algenplage im Marmarameer aus. Es war bedeckt von Algen. Es stank und Fische verendeten. Die Bewohner von Avsa sammelten die Algen aus dem Wasser und verbrannten sie an Land. An den Plätzen, wo die Asche lag, wuchsen allerdings Pflanzen deutlich besser. Deshalb gründet Gökcidem ein Unternehmen namens Bloom. Es soll den Bewohnern der Insel helfen, die Algen leichter aus dem Meer zu holen und gewinnbringend zu nutzen.

Ihr Engagement sei wichtig, weil die türkische Regierung Klimaschutz oft ignoriere. „Es gibt kein Geld für Klimaschutz und die Regierung hat immer etwas anderes im Kopf als das Klima“, sagt sie. Nachdem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu die Präsidentschaftswahl in der Türkei gegen Recep Tayyip Erdogan verloren hatte, ist Gökcidem eine Woche lang nicht aus ihrem Zimmer gekommen. „Ich habe mein Zimmer erst verlassen, als ich nach Bonn gefahren bin“, berichtet sie.

Kilicdaroglu hätte für Klimaschutz gestanden und hätte gehandelt, meint die Aktivistin. Inzwischen gebe es wenigstens eine erste Klage am Verfassungsgericht gegen die Klimapolitik der Regierung. „Das wird zwar nichts ändern und auch keinen Erfolg haben, aber wenigstens sendet es ein Zeichen“, sagt Gökcidem. Sie bleibt trotzdem optimistisch. „Ich arbeite mit so vielen tollen Leuten zusammen, die so viele Ideen haben, um das Klima zu retten. Dadurch habe ich weiter Hoffnung“, sagt sie. Ihr ist es wichtig, zu betonen, wie wichtig diese Konferenzen sind, um sich international zu vernetzen. Als einzelne Person fühle sie sich häufig allein, aber gemeinsam könne man Einfluss ausüben.

Falls das Klima irgendwann kein Problem mehr sei, würde Gökcidem gerne Musik machen. „Im Moment muss ich mich noch zu 100 Prozent auf den Aktivismus konzentrieren, aber irgendwann würde ich gerne etwas Künstlerisches machen“, erzählt sie. Bis Donnerstag ist Gökcidem noch in Bonn und hofft, sich auch mit deutschen Klimaaktivisten vernetzen zu können. Außerdem will sie noch das Beethoven Haus besuchen, sie ist ein großer Fan.

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