Interview mit Musikerin Sophie Hunger Über die Magie, auf der Bühne zu stehen

BONN · Die Diplomatentochter Sophie Hunger ist die zurzeit aufregendste Musikerin aus der Schweiz. Am 10. August kommt sie im Rahmen einer exklusiven Deutschlandtour im Kunst!Palast in der Gronau. Im Interview mit Ronald Krüger spricht sie offen über ihre "Paranoia".

Sie lebten 1995 und 1998 in Bonn-Beuel. Eine schöne Zeit?
Sophie Hunger: Am Anfang war es schwer, da ich niemanden kannte. Das änderte sich, als mein Bruder und ich einen philippinischen Freundeskreis kennenlernten. Sie waren eine große Familie, wofür ich sie beneidete. Stets kochten sie und sangen playback. Aber es nervte sie, in kleinen Wohnungen leben zu müssen.

Sie selber bewohnten mit ihrer Familie ein großes Haus direkt am Rhein. Ein Traum!
Hunger: Für mich nicht. So ein Haus ist wie ein Hotel. Viele Möbel sind von der Schweizer Regierung gestellt. Es war ein bisschen leer.

Wie einsam oder weltoffen wird man, wenn man wie Sie in fünf verschiedenen Ländern aufwächst?
Hunger: Es ist schwierig, persönliche Beziehungen einzugehen konnte ich erst mit zwanzig. Sicher. Ich wurde selbstständig, vielleicht weltoffener, aber auch unverbindlich und oberflächlich.

In einem Text für eine große deutsche Wochenzeitschrift schreiben Sie: "Ich vereinsamte sozial und entwickelte ein paranoides, antiautoritäres Lebensgefühl."
Hunger: Das ist Teil einer Geschichte, eine Spielerei mit Identitäten. Sozial vereinsamt bin ich schon lange nicht mehr. Ich führe ein intensives, bizarres Leben. Paranoia stimmt. Ich bin der Typ, der in einen Raum reinkommt und erst mal schaut, ob irgendwo Wanzen oder Kameras sind. Ich versuche das aber nicht so ernst zu nehmen.

Und das funktioniert?
Hunger: Manchmal. Vorgestern war ich in der Stadt und habe einen Mann gesehen, der die gleichen Schuhe trug wie ich. Da dachte ich: "Das ist ein Zeichen!" Dann bin ich ihm drei Stunden gefolgt bis ich gemerkt habe, das bringt nichts. Ich habe auch schon mal ein ganzes Konzert gedacht, eine berühmte Frau, die bereits tot ist, würde im Zuschauerraum stehen. Das hat mich berührt und ich habe versucht, für sie zu spielen.

Bringen Sie solche Erlebnisse nicht völlig durcheinander?
Hunger: Eigentlich nicht. Das geht schon, das ist auch unterhaltsam.

Hatten Sie eine Vision, Musikerin zu werden?
Hunger: Der Begriff Vision passt gut. Die Vorstellung als Musikern auf der Bühne zu stehen, hatte ich immer. Das hat mich immer magisch angezogen. Vielleicht schon, als ich zu sprechen begann.

Sie haben als Rockmusikerin begonnen. Ist Ihr heutiger Mix ein Spiel mit Möglichkeiten?
Hunger: Ich kann mir fast alles vorstellen und probiere gerne neue Sachen. Das macht mich zum Teil aus. Ich fühle mich immer auf der Reise. Zurzeit arbeite ich mit Produzenten, die Beats produzieren. Die Musik ist komplex und gleichzeitig reduziert auf akustische Elemente.

Vordergründig bedienen Sie das Klischee einer charmanten Schweizer Tochter aus gutem Hause. Gleichzeitig gibt es einen Hang zur Doppelbödigkeit.
Hunger: (Denkt lange nach) Ich glaube, die Beschreibung trifft es ziemlich gut. Ich beherrsche die hohe Kunst der Höflichkeit. Ich kann beleidigend sein, ohne dass der andere das sofort merkt. Das habe ich wohl aus meiner Zeit in England mitgebracht.

Zur Person

Die Schweizerin Sophie Hunger, Tochter des Diplomaten Philippe Welti, wurde 1983 in Bern geboren, wuchs in Bern, London, Bonn und Zürich auf. Hunger war Mitglied der Indie-Rock-Band "Fisher", nahm 2008 ihr erstes Studioalbum "Monday's Ghost" auf. Das Album stürmte auf Platz eins der Schweizer Charts. Sophie Hunger hat auch Kolumnen für die "Zeit" verfasst.

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