Erschütternde Begegnungen, bewegende Momente So helfen Hilfsorganisationen aus Bonn den Menschen aus der Ukraine

Bonn · Zahlreiche in Bonn angesiedelte Hilfsorganisationen helfen den Menschen, die vor dem Krieg fliehen. Vertreter von Welthungerhilfe, Care und Co berichten über ihre bewegendsten Momente in der Ukraine und den Grenzgebieten.

 Verbeitet gute Laune: Care-Mitarbeiter Stefan Brand beim Einsatz in Polen.

Verbeitet gute Laune: Care-Mitarbeiter Stefan Brand beim Einsatz in Polen.

Foto: Quelle: CARE Deutschland/CARE.de

Bonn ist das deutsche Zentrum der Ukrainehilfe. Zahlreiche Hilfsorganisationen steuern von hier aus ihre Projekte. Die Helfer berichten von erschütternden und berührenden Begegnungen.

Welthungerhilfe: Anfang März machte sich Kerstin Bandsom von der Welthungerhilfe auf den Weg zum rumänisch-moldawischen Grenzgebiet. Die Organisation kooperiert mit Partnern vor Ort, schickt Nahrungsmittel und weitere Versorgungsgüter. „Es war erschütternd. Ich habe Frauen und Kinder gesehen, die teils zu Fuß bei Minusgraden an die Grenze kamen. Die Kinder waren still und blass. Und den Frauen sah man an, dass sie nur noch funktionieren und Kraft aufbringen, um die Weiterreise organisieren zu können“, berichtet die Helferin. „Wir sind auf solche Einsätze trainiert, dennoch ist es überwältigend, wenn Menschen einem in die Arme fallen und in Tränen ausbrechen.“

 Welthungerhilfe-Mitarbeiterin Kerstin Bandsom in einem Übergangszentrum für Geflüchtete in Iaşi, Rumänien.

Welthungerhilfe-Mitarbeiterin Kerstin Bandsom in einem Übergangszentrum für Geflüchtete in Iaşi, Rumänien.

Foto: Welthungerhilfe/Kerstin Bandsom

Kaum jemand an der Grenze habe zu Beginn des Kriegs verstanden, was sich in der Ukraine ereignet und weshalb, sagt Bandsom. Schließlich hätten viele auch russische Verwandtschaft. Die Hilfesuchenden treffen an den Grenzen auf zahlreiche Unterstützer, berichtet sie. Viele Hilfsgüter kämen jedoch im Überfluss, einige Transporter müssten sogar mit vollen Wagen zurückfahren. „Es ist besser, nach Bedarfen zu fragen oder an Hilfsorganisationen zu spenden, die lokal vernetzt sind und wissen, was benötigt wird.“

 Eine Flüchtlingsunterkunft im rumänischen Iaşi.

Eine Flüchtlingsunterkunft im rumänischen Iaşi.

Foto: Welthungerhilfe/Kerstin Bandsom

German Doctors: Die Bonner Hilfsorganisation German Doctors liefert Medikamente und Verbandsmaterialien in ukrainische Kliniken, darunter auch in ein Kinderherzzentrum in Kiew. „Die Kommunikation der Bedarfe und die Verteilung der Hilfsgüter innerhalb der Ukraine erfolgen in enger Abstimmung zwischen unserem Partner vor Ort und dem ukrainischen Gesundheitsministerium“, berichtet Sprecherin Vanessa Hepp.

An der Westgrenze zu Ungarn, über die inzwischen mehr als 290.000 Ukrainer geflohen sind, unterstützt German Doctors die Bereitstellung von Unterkünften und Lebensmitteln für die Menschen und sichert im östlich gelegenen Luhansk die Trinkwasser- und Sanitärversorgung.

Vorstand Harald Kischlat erinnert sich an ein bewegendes Gespräch: „Der Partner in Lviv unterbrach ein Telefonat neulich mit den Worten: ‚Es tut mir leid, ich muss auflegen, wir haben Flugalarm‘. So habe ich das noch nicht erlebt, und es lässt einen sich hilf- und sprachlos fühlen.“ Vanessa Hepp betont die globalen Auswirkungen des Kriegs, die die Folgen der Pandemie überlagern: „Uns wird in den letzten Wochen von sehr starken Preiserhöhungen und Verknappungen, etwa von Weizen, Diesel, oder Benzin berichtet. In Sierra Leone gibt es Diesel laut unserer Koordinatorin zeitweise nur noch auf dem Schwarzmarkt.“

 Versorgungsstand mit Getränken und Essen in Sculeni an der moldawisch-rumänischen Grenze.

Versorgungsstand mit Getränken und Essen in Sculeni an der moldawisch-rumänischen Grenze.

Foto: Welthungerhife/Kerstin Bandsom

Help: Nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ leistet die Bonner Organisation Help Nothilfe in der Ukraine und in der angrenzenden Republik Moldau. „Über unsere Partner verteilen wir in der Ukraine aktuell Lebensmittelpakete, Hygieneartikel und warme Mahlzeiten an Flüchtlinge und andere vom Krieg betroffene Menschen“, berichtet Sprecher Julius Burghardt. Transport, Unterbringung, finanzielle Hilfen und psychologische Unterstützung seien ebenfalls Teil des Konzepts.

 Klein und Groß unterwegs im Buss in Polen.

Klein und Groß unterwegs im Buss in Polen.

Foto: Quelle: CARE Deutschland/CARE.de

„Eine Geschichte, die mich sehr bewegt hat, hat mir eine ältere Dame namens Lydia erzählt. Sie ist mit ihrer Tochter aus Mykolajiw nach Chișinău geflohen und hat Zuflucht im Messegelände der Moldexpo gefunden, wo ein temporäres Flüchtlingslager errichtet wurde. Sie sagte: ,Ich bin schwer an Krebs erkrankt, und die Ärzte in Mykolajiw sind fast alle geflohen. In meinem Krankenhaus waren nur noch vier Schwestern, die mir nur Schmerztabletten geben konnten.' Sie versucht, nach Wien weiterzureisen, um sich dort behandeln zu lassen“, so Burghardt.

 Verteilung von Hilfsgütern im IDP-Zentrum Zaporzhia in der Ukraine.

Verteilung von Hilfsgütern im IDP-Zentrum Zaporzhia in der Ukraine.

Foto: Help

Aktuell verlangsamen sich die Fluchtbewegungen, berichtet der Helfer. „Unsere Partner gehen aber davon aus, dass das vor allem am fehlenden Zugang zu Benzin liegt und jetzt viele Menschen zu Fuß unterwegs sind. Die Zahlen könnten also bald wieder in die Höhe gehen“, meint Burghardt.

 Menschen an einem Bus beim Aufnahmezentrum.

Menschen an einem Bus beim Aufnahmezentrum.

Foto: Quelle: CARE Deutschland/CARE.de

Care: Über Partner unterstützt die Hilfsorganisation Care Menschen in der Ukraine sowie Geflüchtete in den Nachbarländern mit Versorgungsgütern. Zudem bieten die Helfer vor Ort psychosoziale Hilfe vor allem für Frauen und Mädchen sowie finanzielle Unterstützung an. Erst vergangene Woche reiste Mitarbeiter Stefan Brand aus Krakau zurück. „Die Situation im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet hat sich in den letzten Tagen deutlich verbessert, das liegt zum einen daran, dass weniger Geflüchtete über die Grenzen kommen, zum anderen aber auch, dass die Hilfskräfte ein System aufgebaut haben und Geflüchtete registriert werden“, berichtet er.

 Care-Mitarbeiter Stefan Brand kümmert sich in Polen um die Menschen.

Care-Mitarbeiter Stefan Brand kümmert sich in Polen um die Menschen.

Foto: Quelle: CARE Deutschland/CARE.de

Vor Ort ist die Polizei sehr präsent und beobachtet zum Beispiel genau, wenn Privatpersonen mit Geflüchteten Kontakt aufnehmen. An Bahnhöfen, wie in Przemysl ist die Lage etwas unübersichtlicher. Zwar habe man im Einsatzgebiet noch keine Fälle von Missbrauch beobachtet, vermeintliche private Helfer könnten sich die Situation aber dennoch zunutze machen, meint Brand. „Inzwischen gibt es Plakate in verschiedenen Sprachen, auf denen beispielsweise davor gewarnt wird, persönliche Daten preiszugeben.“

Ein prägendes Erlebnis für den Nothelfer war das Gespräch mit einer jungen Familie aus Wassylkiw, einem Ort im Süden von Kiew, der besonders umkämpft ist. „Sie berichteten mir, dass sie sich in den Schränken des Hauses verstecken mussten, um eine Überlebenschance zu haben“, berichtet Brand. Die Situation von Frauen und Mädchen vor Ort sei ebenfalls besorgniserregend. „Ihnen fehlen vor allem Rückzugsmöglichkeiten und eine langfristige psychosoziale Unterstützung“, so Brand. „Die Frage ist, wie wird es für die geflüchteten Menschen weitergeht. Wo können sie dauerhaft leben, welche beruflichen Perspektiven haben sie?“

BBK: Auch das Bundesamt für Bevölkerungssicherheit und Katastrophenschutz befindet sich derzeit im Krisenmodus. Aktuelle Informationen mit Bezug zum Bevölkerungsschutz werden im Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum (GMLZ) ausgewertet und nach Rücksprache mit anderen Behörden koordiniert, berichtet BBK-Sprecher Henning Hahn. „Zurzeit gibt es bereits Hilfeleistungsersuchen aus der Ukraine und verschiedenen Anrainerstaaten, für die umfangreiche Hilfspakete zusammengestellt werden“, so Hahn.

Ferner unterstützt das GMLZ auch bei der Verlegung von Patienten, die kriegsbedingt medizinische Behandlung benötigen. Eine weitere Einheit des BKK erstellt ein Lagebild und beobachtet besonders die kritischen Infrastrukturen in der Ukraine und den umliegenden Ländern, etwa Versorgungssicherheit oder Abhängigkeiten im Bereich Energie, Transport und Verkehr.

Zudem kümmert sich eine weitere BKK-Einheit um die Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe und vermittelt psychosoziale Unterstützung. Bislang konnte das BKK Hilfsgüter nach Tschechien, Moldau, Polen und in die Slowakei senden, darunter knapp 3000 Feldbetten, rund 2000 Schlafsäcke, Matratzen, Handtücher, Verbandmaterial und Hygienekits.

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