Interview mit Jan Eliasson UN-Generalsekretär: "Bonn ist ein exzellenter Standort"

BONN · Am Bonner Standort der Vereinten Nationen hat der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson gestern seine Mitarbeiter besucht. Im Alten Rathaus traf er sich anschließend mit Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch. Zuvor stellte er sich den Fragen von Cem Akalin und Bernd Eyermann.

 Gestern zu Besuch in Bonn: Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson.

Gestern zu Besuch in Bonn: Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson.

Foto: Horst Müller

Der UN-Campus Bonn wird erweitert werden. Sehen Sie Chancen, dass noch weitere Sekretariate nach Bonn kommen?
Jan Eliasson: Momentan sind wir in der Planungsphase für ein drittes großes Bürogebäude auf dem UN-Campus in Bonn. In diesem Gebäude werden all die UN-Mitarbeiter untergebracht, die jetzt noch außerhalb des Campus? arbeiten. Das schließt aber nicht aus, dass in Zukunft weitere UN-Einrichtungen nach Bonn ziehen werden. Bonn ist ein exzellenter Standort für die Vereinten Nationen, den wir alle bei den UN sehr schätzen - und das wird nicht nur in New York so gesehen.

Ende dieses Jahres wird das World Conference Center Bonn (WCCB) fertiggestellt sein. Gibt es schon Pläne, die neuen Kapazitäten zu nutzen?
Eliasson: Die UN sind dankbar, auf diese modernen, neuen Einrichtungen zurückgreifen zu können, vor allem in Bezug auf die Klimaverhandlungen. Im Juni 2015 wird das Klimasekretariat seine Sitzung der Nebenorgane im WCCB abhalten. Dabei kommen mehrere tausend Teilnehmer zusammen - vor der entscheidenden Klimakonferenz in Paris, die einige Monate darauf folgt.

Wie ist Ihr Eindruck vom UN-Standort Bonn?
Eliasson: Die UN begrüßen es sehr, dass die Stadt und ihre Bürger Bonn zu einem Ort gemacht haben, an dem Nachhaltigkeit und Umweltschutz gefördert werden.

Zur Weltpolitik: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagt, die Welt sei aus den Fugen geraten. Wie beurteilen Sie, dass es weltweit so viele Krisenherde gibt?
Eliasson: Es stimmt, dass die Welt einer großen Zahl von Krisen gegenüber steht. Der UN-Generalsekretär hat zu Beginn der neuen Sitzungsperiode der Generalversammlung deutlich darauf hingewiesen: Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat es nicht mehr so viele Flüchtlinge, Vertriebene und Asylsuchende gegeben, wie momentan. Nie zuvor mussten die Vereinten Nationen so vielen Menschen Nahrungsmittelhilfe leisten und sie mit anderen lebensrettenden Dingen versorgen.

Was ist jetzt zu tun?
Eliasson: Die Diplomatie ist in der Defensive. Sie wird ausgehöhlt von denjenigen, die an die Gewalt glauben. Obwohl es so scheint, als ob die Welt auseinanderfällt, müssen wir Führungsstärke zeigen. Es geht exakt darum, die Zeichen der Hoffnung zu finden, diese zu fördern und daraus etwas Größeres entstehen zu lassen. Das ist unsere Pflicht.

Die Vereinten Nationen reduzieren aus Geldmangel die Lebensmittelhilfe für Syrien. Ein Armutszeugnis für die Weltgemeinschaft? Wie wollen Sie die Staaten motivieren, mehr Geld für humanitäre Einsätze zur Verfügung zu stellen?
Eliasson: Unsere Einrichtungen für humanitäre Hilfe haben deutlich gemacht, dass sie für die vielen Krisen, um die sie sich kümmern müssen, mehr Geld brauchen. Wir haben Verständnis für die finanzielle Last, die die Mitgliedstaaten schultern müssen. Aber wir wollen auch, dass sie realisieren, dass jede Kürzung der Gelder für unsere humanitäre Arbeit dazu führt, dass bedürftige Menschen weniger Nahrung erhalten werden. Letztlich wird das nur zu einem noch größeren Hungerproblem für die Menschen führen, die durch Konflikte vertrieben wurden - von Syrien bis zur Zentralafrikanischen Republik. Die Staaten müssen uns helfen, die Bedürfnisse der verletzlichsten Menschen zu erfüllen. Niemand kann alles tun. Aber jeder kann etwas tun.

Gibt es Konzepte der UN gegen den Terror des "Islamischen Staates"?
Eliasson: Im Irak und in Syrien sehen wir jeden Tag neue Dimensionen der Barbarei und verheerende Folgen für die gesamte Region. Führende Vertreter der Muslime auf der Welt haben wiederholt betont, dass nichts Islamisches an den terroristischen Organisationen ist, die in der Region verheerenden Schaden anrichten. Diese extremistischen Gruppen sind eine eindeutige Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit und bedürfen einer vielfältigen internationalen Antwort.

Und wie wollen Sie auf den Terror des "Islamischen Staats" oder die "Da'esh", wie es im Arabischen heißt, reagieren?
Eliasson: Wir versuchen darauf zu reagieren, indem wir eine weltweite Koalition bilden, um diese Extremisten zu besiegen. Zum Glück gibt es einen wachsenden internationalen Konsens - auch im Sicherheitsrat - über die Notwendigkeit, sich dieser Bedrohung entgegenzustellen. Der Sicherheitsrat hat bereits seine Einigkeit und Entschlossenheit bewiesen, dieses Thema anzugehen, und hat im Juli die Resolution 2170 verabschiedet. Diese Einigkeit muss anhalten bei unseren Anstrengungen, mit der Da'esh fertig zu werden.

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