Was ein Häuslebauer alles erleben kann Und plötzlich bist du Bauherr

Bonn · Der Traum vom Eigenheim ist groß. Neu, in der Heimat und möglichst morgen soll das Haus stehen. Doch für GA-Redakteur Simon Bartsch kommt als Debüt-Handwerker vieles anders als gedacht – ein Erfahrungsbericht.

 Nach neun Monaten harter Arbeit ist für Simon Bartsch ein Ende in Sicht.

Nach neun Monaten harter Arbeit ist für Simon Bartsch ein Ende in Sicht.

Foto: General-Anzeiger

Ein wenig vergilbt prangen die drei Worte von der Haustür: „Willkommen im Glück“ steht in großen Lettern auf dem Pappschutz, der die Tür vor Wind und Wetter schützen soll. Hier flattert ein Pappfetzen, da zieht sich ein langer Riss über den grasgrünen Schriftzug der Fertighaus-Firma. Nicht nur die Pappe hat schon bessere Zeiten erlebt, auch das Glück, das die Pforte verspricht, ist arg überstrapaziert worden.

Hinter der Tür sieht im Moment noch nichts nach Willkommen aus. Eimer mit angetrockneten Spachtelresten, Löcher in Wänden, der Estrich ist von Klecksen überzogen und im Hauswirtschaftsraum ist die Dämmwolle zu sehen. Und das, obwohl der 1. November näher rückt. Jetzt, zwei Wochen vor dem Tag X, ist immerhin das Etappenziel Umzug in Sicht – wenn auch auf eine Baustelle. Das Zeitfenster ist knapp. Die Elektrik muss noch überprüft, Böden verlegt und die Küche geliefert werden. Jetzt darf nichts mehr schief gehen. Doch die Hoffnung ist nicht groß – zu viel ist schief gegangen.

Rückblick: Die Idee vom Eigenheim reift schon seit Jahren. 2016 steht der Entschluss. Ein Haus soll es sein. Natürlich neu, in meinem Heimatort, mit tollem Grundstück und möglichst schon morgen – endlich ein Ende der monatliche Miete, endlich in die eigenen vier Wände investieren. Der Abschied aus Poppelsdorf fällt schwer, doch die Aussicht auf das Haus nach unseren Vorstellungen wischt die Zweifel weg. Leider entpuppt sich der Schnellstart rasch zu einem Ausdauerlauf. Denn es folgt die erste Einsicht: Das Traumgrundstück in Traumlage mit Traumhaus gibt es nicht.

Der lange Weg zum ersten Spatenstich

Es wird also die Variante Traumlage mit mittelmäßigem Grundstück und passendem Haus. Die Kombination Lehrerin und Journalist findet bei den Kreditinstituten Gehör, und so ist der Kauf des Grundstücks nur Formsache. Im November 2016 sind die Verträge beim Notar unterschrieben. Jetzt soll es schnell gehen. Fertighaus lautet die Devise. Das ungünstige Grundstück hat einen Vorteil. Es gibt nur einen Anbieter, der ein passendes Haus stellen kann. Und somit fällt zumindest diese Wahl leicht.

„Je mehr Sie selber machen, umso günstiger wird es“, sagt der nette Verkäufer, der ständig zwischen „Du“ und „Sie“ wechselt und mich an einen emsigen Pferdeverkäufer erinnert. „Ein bisschen dämmen, ein wenig verplanken – das kriegt man hin“, entgegnet er meinen angsterfüllten Augen. Der Herr kann nicht wissen, dass meine Handwerker-Freunde mir bei Umzügen ausschließlich Schrauben in die Hand drücken, mit den Worten: „Die kannst du nicht kaputt machen.“ Dennoch gefällt mir der Gedanke, mein Haus zu bauen – in diesem Moment bin ich Bauherr.

Doch der Prozess bis zum Rohbau zieht sich. Hier verzeichnet sich der Architekt, dort ist die Stadt nicht mit den Bauplänen einverstanden, an anderer Stelle fällt der Fertighaus-Firma auf, dass der in ihrem Prospekt verzeichnete Hauswirtschaftsraum nun doch keinen Platz für die dort eingezeichnete Waschmaschine bietet – ein Prospekt, der zig Tausend Mal gedruckt wurde. Es ist ein hin und her. Erst vergeht ein halbes Jahr, dann ein ganzes und ehe man sich versieht, fallen die ersten Zinsen der Bank an. Das Land liegt dagegen brach. Immerhin gibt es eine Bemusterung 2017. Hier kann man Eindrücke sammeln. Fliesen, Türen, Böden. Mann sammelt auch Eindrücke, Frau saugt das gesamte Inventar des Hauses in sich auf, entscheidet sich schließlich für die hellen Fliesen, um dann doch die dunklen ins Spiel zu bringen. Doch auch der Tag geht vorbei.

Im Januar 2018 beginnt die Bauphase. Der erste Spatenstich, die Vorfreude steigt, unser großes Projekt beginnt. Mit einer Ernüchterung – der Spatenstich ist nicht mehr als ein Bagger, der Erde aus dem Boden schaufelt. Und es gibt die erste Panne: Die Grube muss versetzt werden – Mehrkosten. Jetzt heißt es warten, bis das Rohhaus aus dem Werk in Simmern geliefert wird. Aus den versprochenen sechs Wochen werden zwölf.

Es wird verplankt und gedämmt

Dann geht es doch mal rasend schnell. Innerhalb von anderthalb Tagen steht ein Haus – mit Wänden, mit Ziegeln, mit Fenstern – und mit Schutzschale der Haustür: „Willkommen im Glück“. Hinter der Tür geht es rustikal zu. Blanke Holzrahmen verleihen dem Gebilde einen Bauernhof-Charme. Eine Treppe gibt es noch nicht. Leitern ermöglichen den Zugang zu Ober- und Dachgeschoss. Mir nicht – ich habe Höhenangst. Doch obwohl es mir in den Fingern juckt, geht es noch immer nicht voran. Es fehlen die Baumaterialien. Dennoch kaufe ich mir einen hochwertigen Akkuschrauber. Es ist nicht die letzte Anschaffung, die ich mache.

Im März wird geliefert: 7,5 Tonnen Rigips, rund 200 Rollen Dämmwolle, Schrauben, Isolierband, Folien und Spachtelmasse. Laut Lieferschein ist alles da. Nur stimmen die angegebenen Mengen nicht mit der zu bedeckenden Fläche überein.

Doch zu diesem Zeitpunkt überwiegt die Freude, endlich loslegen zu können. Es wird verplankt und gedämmt. Mit ungeahnter Akribie schneide ich die Faserplatten. Zu viel Akribie, sie werden hinter dem Rigips verschwinden – doch die Erfahrung muss man erst machen. Hier eine Wunde, dort eingeatmete Gase, dann noch die juckende Dämmwolle. Nein, der Hausbau ist kein Zuckerschlecken. Doch man sieht einen Fortschritt – und der macht stolz. Der lässt einen auch am nächsten Morgen aufstehen, in dem Wissen, nach dem Job stehen noch vier bis acht Stunden Dämmwolle an. Und die juckt bei Temperaturen von mehr als 30 Grad im Sommer besonders schön.

Falsche Fenster in der Küche

Doch mit jedem Tag geht es weiter. Und so folgt nach der Dampfbremse, eins der vielen Worte, das mir zuvor noch nie untergekommen ist, die endgültige Verplankung mit Rigipsplatten. Das werden die Wände und Decken unseres Hauses sein – Freude. Leider gibt es zu wenig Platten für den Deckenbereich, die unterscheiden sich von den Wandplatten im höheren Brandschutzwert. Zum Glück hat der uns zugeteilte Bauleiter den passenden Rat: „Nehmt die für die Wände, das merkt eh keiner“, sagt er. Das stimmt, das merkt vermutlich eh keiner. So lange das Haus nicht abbrennt. Wir entscheiden uns für die sichere Variante und kaufen fehlende Materialien im Baumarkt, aber auch über Online-Börsen – im Gespräch mit den Privatverkäufern erfahren wir von ähnlichen Fehlkalkulationen.

Manch einer nimmt das Wort „Kalkül“ in den Mund. Schließlich habe keine Lust neben Bau, Beruf und Familie auch noch auf Rechtstreit oder Diskussionen. Wir hoffen auf eine Rückerstattung vom Bauunternehmen – eine Reaktion bleibt aus. Überhaupt fühlen wir uns alleine gelassen. Zwar hat man uns einen Bauleiter zur Seite gestellt, der oft erreichbar ist und viele Fachfragen beantwortet, bei Beschwerden sei er jedoch nicht zuständig, der Kundenservice aber wochenlang nicht erreichbar.

Das Problem: Reklamationen bremsen einen aus. Zum Beispiel das falsche Fenster in der Küche. Dieses ist (später) nicht zu öffnen, weil die Küchenanrichte davor steht. Das ursprünglich geplante wurde vom Architekten bei einer Überarbeitung versehentlich „rausgeschmissen“. Trotz Eingeständnis gibt es kein Entgegenkommen. Es ist niemand erreichbar. Und wenn doch, wird von einem laufenden Verfahren gesprochen. Nur solange das Fenster nicht getauscht ist, kann die Küche nicht eingebaut werden. Auf unser Entgegenkommen, einen Teil der Kosten zu übernehmen, wird nicht reagiert – also selbst kaufen und einbauen lassen. Weitere Mehrkosten. Diese bewegen sich mittlerweile im deutlich fünfstelligen Bereich. Überhaupt lernen wir viel über Kosten und Zeitaufwand. Auch die Verlässlichkeit von Baufirmen sehen wir heute anders.

Reklamationen, Ärger und Zeitdruck

Es sind diese Ärgernisse, die sogar die Beziehung strapazieren. Hier wird ein Rohr vier Zentimeter außerhalb eines zu verkleidenden Rahmens gesetzt, dort wird ein Gasrohr vergessen. Dazu der Druck, bis zu Terminen mit einem Arbeitsschritt fertig zu sein. Auf die Frage, wann die Fehler nachgebessert werden, fallen Zeiträume von bis zu zwölf Wochen. „Oder ihr macht es selbst“, hören wir immer wieder. Die Warnung meiner Freunde, „Ihr werdet bestimmt mit einigen Handwerkern Ärger haben“, übertrifft die kühnsten Erwartungen. Diskussionen, Streitereien. Die Arbeit schlaucht und zieht sich. Körperliche Malessen bleiben nicht aus und der ganze Prozess ist nur noch mit Hilfe von geduldigen Freunden und der hilfsbereiten Familie zu stemmen.

Und dann gibt es diesen Moment, in dem sich der Ärger so langsam legt. Nach dem Verspachteln und Schleifen sehen die Räume wie Räume aus. Es fehlen nur noch die finalen Arbeiten: Anstrich, Böden, Küche. Ein Ende ist in Sicht. Die Baumaterialien, die monatelang für ein logistisches Chaos gesorgt und uns vor die Frage gestellt haben, wo platziere ich welchen Baustoff, um ihn nicht zwanzigmal umräumen zu müssen (was so oder so passieren wird), werden weniger.

„Bau doch eine Hundehütte für Poldi daraus“, schlägt mir mein Schwiegervater vor. So sehr ich meinen Hund liebe, ich werde so schnell nicht mehr bauen. Ich kaufe meinem Leopold vielleicht eine Hundehütte und wenn er es wünscht, schreibe ich auch „Willkommen im Glück“ an die Tür.

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