Dies academicus an der Bonner Universität Positive Bilanz nach virtuellen Fachvorträgen
Bonn · Der Dies academicus an der Bonner Universität ist erstmals in digitaler Form abgehalten worden – so erfolgreich und ansprechend, dass das Modell ja vielleicht sogar dauerhaft Schule macht.
Eigentlich wäre dieser frühsommerliche 27. Mai gestern geradezu der ideale Tag gewesen, um sich – wie sonst auch und regelmäßig einmal pro Semester – mit der blau-weißen Dies-Zeitung in der Tasche auf den Weg in die ehemalige Hochschule zu machen. Dort, wo die Flure und Hörsäle an einem solchen Tag von Studierenden und Besuchern aller Altersgruppen bevölkert werden, während im Innenhof des Hauptgebäudes studentische Gruppen wie zum Beispiel die Bonn University Shakespeare Company auf ihren Tischen Flyer und Broschüre ausgelegt haben. Wohlgemerkt – eigentlich.
Auf die während der Corona-Pandemie geltenden Vorschriften und Beschränkungen reagieren die Universitäten bundesweit allerdings ganz unterschiedlich. In Augsburg und Mainz wurde der Dies ersatzlos gestrichen, während in Frankfurt dafür noch kein Termin feststeht. Einen anderen Weg ist nun die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität gegangen und hat ihn sozusagen zum Dies digitalicus umfunktioniert.
Interessierte konnten sich per Zoom-Konferenz einwählen
Insgesamt zehn Vorträge standen zur Auswahl, in die sich Interessierte per Zoom-Konferenz einwählen konnten. Dabei gehörte der Vormittag mit vier Referenten der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, dazu stießen am Nachmittag die Rechts- und Staatswissenschaftliche, die Evangelisch-Theologische, die Landwirtschaftliche und die Philosophische Fakultät, die zwei Vorträge bereits vorab bereitgestellt hatte. Bei sechs Angeboten handelte es sich um Antrittsvorlesungen, mit denen sich die Wissenschaftler an ihrem neuen Campus der Öffentlichkeit präsentieren.
So gesehen hat das Programm dem typischen Charakter des Dies academicus also durchaus Rechnung getragen. Und auch wenn einem als Absolvent der Bonner Exzellenzuniversität (seit 2019) diesmal also ein wenig der „Stallgeruch“ gefehlt haben mag und die Hoffnung sich darauf richtet, den Dies vielleicht schon zum Wintersemester wieder in der gewohnten Form besuchen zu können – die Bilanz dieser selbst getesteten digitalen Alternative fällt positiv aus.
Vortrag zu Folgen des Klimawandels im Meer
Es bedarf keiner Fachkenntnisse in Informatik und auch keiner aufwendigen Aufrüstung des eigenen Rechners, um an den Meetings teilzunehmen. Am frühen Nachmittag beispielsweise haben sich mehr als 50 Zuhörer eingewählt, um Dr.-Ing. Habil. Luciana Fenoglio vom Institut für Geodäsie und Geoinformation bei ihren Ausführungen zu Meeres- und Wasserspiegeländerungen als Folge des Klimawandels zu folgen.
Dass, wie sie dabei ausführt, die CO2-Konzentration seit 1990 um 40 Prozent und der Spiegel des Mittelmeeres um 20 Zentimeter gestiegen sind, dürfte die wenigsten überraschen. Der Blick der italienischen Wissenschaftlerin, die nach akademischen Stationen in Turin, Grasse und Darmstadt seit 2015 in Bonn forscht, richtet sich auf die Satellitenaltimetrie, um künftig möglichst präzise Aussagen zu Prozessen im Ozean, Küsten- und Flussmündungsdynamik, zur Dynamik des Flächenhöhenvolumens von Seen, künstlichen Stauseen und Feuchtgebieten und zum Wasserstand und Abfluss von Flüssen machen zu können.
Mit dem gegenwärtig präsentesten Thema hat sich Professor Hans-Martin von Gaudecker (Angewandte Mikroökonomik) auseinandergesetzt und den Fokus auf einen sozioökonomischen Vergleich zwischen der Situation hierzulande und in den benachbarten Niederlanden gerichtet. So hat die Auswertung statistischer Daten von ausgewählten 7000 Personen und Haushalten, die zu wissenschaftlichen Auswertung bereits seit 2007 erhoben werden, gezeigt, dass auch eine möglicherweise problematische wirtschaftliche Situation keinesfalls dazu führt, die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu kritisieren. Die Akzeptanz sei sowohl hierzulande als auch bei den Niederländern allgemein als bemerkenswert hoch einzustufen. Mehr als 80 Teilnehmer sind dem Vortrag gefolgt, die während der akademischen 45 Minuten live auf dem Bildschirm zu sehen war. So könnte die digitale Vorlesung als Modell ja vielleicht sogar dauerhaft Schule machen. Nicht als Ersatz, sondern in Ergänzung des Bonner Dies-Angebots.