Haus der Geschichte "Unser Prinzip: Von der Straße ins Museum"

Bonn · Bonn, Leipzig, Berlin: Das Haus der Geschichte erforscht die Nachkriegs-Historie aus mehreren Perspektiven. Gespräch mit dem Präsidenten Hans Walter Hütter

 Blick auf die Geschichte: Hans Walter Hütter

Blick auf die Geschichte: Hans Walter Hütter

Foto: dpa

Mit der Berliner Kulturbrauerei eröffnet die Stiftung Haus der Geschichte ihr viertes Standbein. Auf 600 Quadratmetern wird der Alltag der DDR dokumentiert. Ein Raum von 180 Quadratmetern zeigt wechselnde Ausstellungen. Über die Konzeption und die Aufgaben sprach der GA mit dem Präsidenten der Stiftung, Hans Walter Hütter.

Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Bonn bespielt das Museum in der Bundesstadt, das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig, in Berlin den Tränenpalast und jetzt die Kulturbrauerei. Kann man von deutscher Geschichte Made in Bonn sprechen?
Hans Walter Hütter: Naja. Die Basis ist unser Stiftungsgesetz. Dieses sieht die Entwicklung der deutschen Geschichte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im internationalen Zusammenhang als unsere Aufgabe vor. Die Berliner Ausstellungen basieren auf der Gedenkstättenkonzeption des Bundes von 2008. Das Konzept unserer Stiftung ist, wenn Sie so wollen, Made in Bonn: Dauer- und Wechselausstellungen, die in Bonn, Berlin und Leipzig und zum Teil darüber hinaus in Deutschland und Europa gezeigt werden, Veranstaltungen und Publikationen.

Wie greifen die vier Standorte ineinander?
Hütter: Bonn bietet die gesamte deutsche Geschichte seit 1945 und in Leipzig zeigen wir Opposition und Widerstand gegen die SED bis zur friedlichen Revolution. Die Kulturbrauerei in Berlin beschäftigt sich mit dem Alltag in der DDR. Der historische Ort Tränenpalast beschäftigt sich mit der Teilung im Alltag der Deutschen.

Wo kommen die Exponate in der Kulturbrauerei her?
Hütter: Von den 800 Objekten, die wir in der Kulturbrauerei zeigen, sind rund 700 aus den Sammlungen der Stiftung. Hiervon kommt etwa ein Viertel aus den Berliner Beständen. Von grundlegender Bedeutung ist die "Sammlung industrielle Gestaltung" aus der DDR, die wir 2005 übernommen haben.

Gibt es einen Markt für DDR-Produkte?
Hütter: Es gibt etliche Szene-Läden, in denen ehemalige Ostprodukte und Nachbauten von DDR-Waren angeboten werden. Diese sind für uns nicht interessant, wohl aber Originalobjekte aus der DDR-Zeit, die sich teilweise heute noch am Originalort befinden. So konnten wir ein Schaufenster eines HO-Ladens aus der unmittelbaren Nachbarschaft am Prenzlauer Berg in das neue Museum holen: Von der Straße ins Museum, das ist eines unserer Sammlungsprinzipien.

Was ist das Thema in der Kulturbrauerei?
Hütter: Wir zeigen das Spannungsverhältnis zwischen dem politischen System und dessen Auswirkungen auf den Alltag der Menschen in der DDR.

Beispiel?
Hütter: Die Priorität in der Produktion in der DDR lag lange Zeit auf der Schwerindustrie. Die Menschen fragten auch nach Konsumgütern. Also gab das ZK an das auf Lokomotiven spezialisierte Unternehmen Borsig den Auftrag, den Elektrorasierer "Bebo Sher" herzustellen. Wir haben also eine politische, planwirtschaftliche Entscheidung von oben und die Konsequenzen für die Menschen. Ähnliche Fälle gibt es zum Beispiel auch in der Mode.

Wie weit griff die Partei ein?
Hütter: Alle Entscheidungen des alltäglichen Lebens von der Berufswahl bis zum Einkauf unterlagen ideologischen Vorgaben. Hierbei war in der Arbeitswelt die Brigade die Zelle der sozialistischen Gesellschaft. Über die Brigaden wurde Urlaub zugewiesen und Freizeit organisiert. Die Menschen fühlten sich einerseits geborgen, andererseits war die Brigade auch ein Kontrollinstrument der SED.

Was gehörte zum Inventar der DDR?
Hütter: Die vielfältigen Objekte aus der Arbeitswelt, dem Wohnen, der Versorgung, der Freizeit und dem staatlichen Leben präsentiert die neue Ausstellung im historisch-politischen und gesellschaftlichen Zusammenhang: Der Trabi mit Dachzelt ebenso wie die Schrankwand oder das Jeans-Imitat aus der DDR.

Haben Sie Angst vor Ostalgie?
Hütter: Nein. Die Ostalgiker werden kommen. Aber sie werden nicht sagen "In der DDR war alles gut und schön", sondern eher "Das haben wir aber schöner und besser empfunden". Gerade das Spannungsverhältnis zwischen Politik in der SED-Diktatur und dem Alltag wird einiges deutlich machen. Wenn man in der DDR den eng gesetzten Rahmen verließ, musste man den Staat fürchten.

Wie bewältigen Sie die vier Standorte?
Hütter: Wir haben in geringem Umfang zusätzliches Personal in Berlin. Ohne die Unterstützung aus Bonn und Leipzig wären die Aufgaben aber nicht zu leisten.

Zur Person

Hans Walter Hütter (58) hat fürs Lehramt Geschichte, Philologie und Pädagogik studiert, wurde 1984 promoviert, begann zwei Jahre später als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Haus der Geschichte. 1991 wurde er stellvertretender Direktor, seit 2007 ist Hütter Präsident der Stiftung Haus der Geschichte.

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