Spenden und Hilfen aus Bonn Hilfsbereitschaft ohne Ende für Hochwasseropfer

Bonn · Sportvereine, Karnevalisten, Freundeskreise: In Bonn steht das Wochenende im Zeichen der Spenden für die Opfer der Flutkatastrophe in der Region. Viele Bürger bringen, was sie tragen können. Und so manches Lager ist dem Ansturm nicht gewachsen.

 Das Gelände der Sportfreunde Ippendorf am Freitagabend: Der Ansturm der Spender ist enorm.

Das Gelände der Sportfreunde Ippendorf am Freitagabend: Der Ansturm der Spender ist enorm.

Foto: Privat

Was wir denn spenden wollten, möchte der freundliche Mann an der Absperrung vor der Einfahrt zum Hinterhof an der Friesdorfer Straße in Bad Godesberg am Samstagvormittag wissen. Die Vorsortierung hat ihren Grund. „Ursprünglich wollten wir am Freitagabend Schluss machen, weil wir förmlich überrannt wurden und bereits bis unters Dach voll waren“, sagt Andreas Löbbing, Erster Vorsitzender der Allgemeinen Karnevalsgesellschaft Prinzengarde (AKP), und zeigt auf die Wagenhalle hinter ihm, wo sich noch immer die Hilfsgüter stapeln, obwohl bereits reger Pendelverkehr ins Ahrtal in Gang gesetzt wurde.

Kontakt nach Walporzheim

Was im Katastrophengebiet gebraucht werde, erfahre man über persönliche Kontakte. „Auch in den Flutgebieten gibt es private Nachbarschaftsinitiativen, die sich organisiert haben und versuchen zu überblicken, was benötigt wird. Wir halten beispielsweise Kontakt nach Walporzheim“, sagt Löbbing und zählt auf, was er und die Helfer gerade vorrangig in den einst so idyllischen Weinort an der mittleren Ahr schaffen, wo viele Menschen alles verloren haben: „Drogerieartikel, Bekleidung von Unterwäsche bis Jacken, Schuhe, Werkzeug von der Schippe bis zum Schraubenzieher, Gummistiefel, Arbeitshandschuhe – der Bedarf ist allumfassend.“ Wie es weitergeht, wisse er noch nicht, sagt Löbbing: „Wir werden schauen, wie sich der Bedarf in der kommenden Woche entwickelt und dann weitersehen“, sagt er. Aus Unkel ist Constanze da Silva mit ihrem Auto vorgefahren und bringt Wasser, Lebensmittel und etwas Spielzeug: „Damit die Kinder etwas Ablenkung haben“, sagt sie.

Viele Hände greifen ineinander

Vorne, auf der Straße in Höhe der Aral-Tankstelle, bilden sich immer wieder Staus, weil permanent Bonner mit vollen Kofferräumen oder ganzen Lieferwagen vorfahren, um den Menschen an der Ahr zu helfen. Eine Spedition von nebenan stellt Verpackungsmaterial, das designierte Bad Godesberger Prinzenpaar einen Lastwagen, der Verein Stadtmarketing einige Paletten Trinkwasser – und los geht die nächste Fuhre.

So ist über Nacht aus einem Karnevalsverein eine zivile Hilfsorganisation geworden. Die AKP ist nur ein Beispiel dafür, wie sich in diesen Tagen in Bonn ein kleiner Schneeball zu einer Lawine der Hilfsbereitschaft entwickelt: Jemand ergreift die Initiative, Vereinsmitglieder ziehen mit, man kümmert sich um Infrastruktur und verbreitet die Nachricht über Medien, Internet und Soziale Netzwerke – und einige Stunden später ist die Lagerhalle, die Scheune oder der Sportplatz voll. So wie am Sonntag beim TV Rheindorf auf dessen Sportplatz im Bonner Norden. Oder bei den Sportfreunden Ippendorf, bei denen Nina Hänseler, Trainerin der zweiten Damenmannschaft, die Spendenaktion initiiert hat.

Um 18 Uhr hat die Sammlung begonnen, schon eine knappe Stunde später muss der riesige Ansturm erst einmal gestoppt werden, um den Überblick zu behalten. Auch vor dem Henseler Hof in Niederbachem sind es Karnevalisten, die Lastwagen voller Hilfsgüter ins Katastrophengebiet schicken. Ihr Ziel: eine Sammelstelle am Nürburgring. Zwei Mitglieder der KG Rot-Gold hat die Flut im Ahrtal böse getroffen. Auf einen Aufruf bei Facebook durch Präsidentin Claudia Metze erfolgten nicht nur Spenden; an der Sammelstelle arbeiten Menschen Hand in Hand, die sich bis dato nicht einmal kannten. Spontan hat der Festausschuss Bad Godesberger Karneval einen zweiten Lastwagen nach Niederbachem geschickt, damit auch dieser beladen werden kann. Und ein Supermarkt aus dem Ort steuert Paletten und Waren bei.

THW-Sammelstelle am Telekom-Dome

Unterdessen donnern die Konvois der „echten“ Hilfsorganisationen über die Bonner Rheinbrücken. Immer wieder fallen am Wochenende auf den zentralen Hauptstraßen die grünen (Bundeswehr), roten (Feuerwehr) und blauen (THW) Fahrzeugkolonnen auf, die zur Entlastung und Ablösung der erschöpften Rettungsdienste aus allen Ecken Deutschlands an die Ahr, in die Eifel und in den westlichen Rhein-Sieg-Kreis kommen. Auf dem Parkplatz des Telekom-Dome hat das Technische Hilfswerk seit Freitag eine Sammel- und Verteilstelle auswärtiger Kräfte eingerichtet, die von hier aus koordiniert und ins Einsatzgebiet gelotst werden. „Wir bündeln hier bislang Einheiten aus ganz Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen“, erklärt THW-Pressesprecher Sebastian Vogler.

Und so gleicht die Hilfsbereitschaft in Bonn an diesem Wochenende einem Puzzle mit 40.000 Teilen. Auch unzählige Aufrufe zu Geldspenden kursieren über Freundeskreise und finden über soziale Netzwerke ihren Weg – zum Beispiel in den Reihen eines früheren Abiturjahrgangs des Beethoven-Gymnasiums, der eine Sammelaktion eines Bonner Konzertlogistikers unterstützt, welcher seinen Standort in Grafschaft kurzerhand zum Aufnahmelager für Familien umfunktioniert hat. „Es hat auch unseren engsten Kreis getroffen“, schreibt ein ehemaliger Mitschüler. Viele Gespräche in der Stadt haben am Wochenende nur dieses eine Thema. Für Sonntagnachmittag haben die Kirchen eine ökumenische Andacht in der Namen-Jesu-Kirche anberaumt.

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