Urban-Soul-Projekt Stadt Bonn droht Ex-Abteilungsleiter mit Millionenklage
Bonn · Der Streit um das Urban-Soul-Projekt in Bonn weitet sich aus: Die Stadt prüft jetzt eine Schadensersatzforderung gegen den früheren Abteilungsleiter für Liegenschaften. Schon jetzt wird klar, dass Bonn bei dem Projekt am Hauptbahnhof deutliche Abstriche hinnehmen muss.
Im Zusammenhang mit dem Urban-Soul-Projekt prüft die Stadtverwaltung eine Klage gegen den früheren Leiter ihrer Liegenschaftsabteilung. Mit Schreiben vom 2. April seien „vorsorglich fristwahrend Schadensersatzansprüche in Höhe bis zu 4,7 Millionen Euro“ geltend gemacht worden, teilt die Verwaltung dem Rat in einer vertraulichen Vorlage mit. Das weitere Vorgehen hänge davon ab, „ob und in welcher Höhe“ tatsächlich ein Schaden entstanden sei. Schon jetzt ist aber klar, dass Bonn bei dem Projekt am Hauptbahnhof deutliche Abstriche hinnehmen muss.
Der Ex-Abteilungsleiter, der inzwischen im Ruhestand ist, hatte den Vertrag mit dem Investor ausgehandelt. Das Rechnungsprüfungsamt (RPA) kritisiert, dass der Vertrag keine rechtsverbindlichen Vorgaben enthält, wie der Investor seine Ausgaben zur baureifen Herrichtung der Grundstücke abzurechnen hat (innere Residualkosten). Zwar wird in diesem Zusammenhang die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) erwähnt – aber nur in einem „Leitfaden“ zum Vertrag, der nicht mehr als eine „Handlungsempfehlung“ darstellt, wie die Stadtverwaltung inzwischen einräumt. Etwas anderes sei beim Investor nicht durchsetzbar gewesen. Laut RPA wird es damit für die Stadt schwierig, die Residualkosten-Forderungen abzuweisen.
OB sei nicht auf das Problem hingewiesen worden
In einer Sondersitzung des Rechnungsprüfungsausschusses erklärte Oberbürgermeister Ashok Sridharan am Montagabend, er sei auf dieses Problem nicht hingewiesen worden, als er den Vertrag 2017 genehmigt hatte. „Ich habe den Vertrag und die Anlagen gelesen und geprüft“, betonte Sridharan. Die Papiere seien von den Ratsbeschlüssen zur Vergabe der Grundstücke gedeckt gewesen. Der Oberbürgermeister verwahrte sich gegen Vorwürfe, der Rat sei über die Risiken nicht informiert gewesen. Er verwies auf Verwaltungsvorlagen von 2015 und 2016, in denen bereits erwähnt war, dass die Höhe der Residualkosten noch nicht feststehe. Bei Vertragsabschluss mit dem Investor waren sie mit rund 4,3 Millionen Euro beziffert.
Er selbst habe erst Ende 2018 erfahren, dass es deutlich teurer würde, so Sridharan. Ähnlich äußerte sich Victoria Appelbe, zuständige Leiterin der Wirtschaftsförderung, in der Sitzung. Sridharan räumte ein, dass 2017 vor dem Gang zum Notar eine Mitteilungsvorlage an den Rat zum Stand der Verhandlungen sinnvoll gewesen wäre. Das werde künftig anders laufen.
In die Vertragsverhandlungen waren die Bonner Anwaltskanzlei Meyer Köring sowie die Beratungsgesellschaft Drees & Sommer eingebunden. Letztere hatte vor Unterzeichnung schriftlich vor der laxen Abrechnungsregelung der Residualkosten gewarnt. Die Berater hätten aber nur an den damaligen Abteilungsleiter berichtet, hieß es am Montag im nichtöffentlichen Teil der Sondersitzung.
Rechnungsprüfungsausschuss prüft Projekt weiterhin
Der Rechnungsprüfungsausschuss will das Projekt weiter aufarbeiten. „Wir müssen über die Abläufe in der Verwaltung reden, um zu sehen, ob Frühwarnsysteme versagt haben“, erklärte Stephan Eickschen (SPD). Marcel Schmitt sprach von einem „erheblichen Schaden für die Stadt“. Während Jürgen Repschläger (Linke) der Ratskoalition vorwarf, das Projekt nicht kritisch genug hinterfragt zu haben, setzte Tim Achtermeyer (Grüne) beim Oberbürgermeister nach: Er bestreite, dass der Rat die wahren Risiken des Vertrags gekannt habe. Schließlich habe der OB nach eigenem Bekunden selbst erst 2018 vom Ausmaß der Residualkosten gehört. „Ich vermisse den klaren Willen zur Aufklärung“, sagte Achtermeyer nach der Sitzung.
Georg Fenninger (CDU) begrüßte vehement die „personellen Konsequenzen“ gegen den früheren Liegenschafts-Abteilungsleiter. Der Mann habe bei diversen Investorenprojekten Fehler begangen – vom Grundstücksverkauf für die Rheinlogen am Brassertufer bis zum Rheinpalais-Projekt am Bonner Bogen. Trotz aller Warnungen aus den Reihen das Rates habe die Stadtspitze ihn seit der Amtszeit von Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann nicht in den Griff bekommen. „Alle haben akzeptiert, dass da kein Vier-Augen-Prinzip galt, sondern Herrschaftswissen angesammelt wurde“, wetterte Fenninger. „Das hat den Steuerzahler Millionen gekostet.“ Wegen der steigenden Residualkosten am Hauptbahnhof war der Ex-Abteilungsleiter nach GA-Informationen zunächst kaltgestellt und dann in den Ruhestand verabschiedet worden. Seine Stelle ist seit Januar mit einem Juristen neu besetzt.