"Bettenkapazität in Bonn reicht aus" Verbandschef kritisiert Hotelneubauten in Bonn

Bonn · Vor allem bei den touristischen Gästen in Bonn setzt Michael Schlößer, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands, auf Wachstum. Die Hotelbetten hält er auch bei steigenden Übernachtungszahlen für ausreichend, den Bau neuer Häuser sieht er kritisch.

"Bettenkapazität in Bonn reicht aus": Verbandschef kritisiert Hotelneubauten in Bonn
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Als die Weltklimakonferenz Cop 23 im vorigen Jahr in Bonn tagte, mussten die Konferenzteilnehmer zum Teil bis nach Koblenz in Hotels ausweichen. Eine Ausnahme, sagt Michael Schlößer, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Bonn. Die Hotelbettenzahl in der Bundesstadt sei in der Regel mehr als ausreichend. Den Bau neuer Häuser mit hoher Bettenzahl wie am Erzberger Ufer sieht sein Verband eher kritisch. Mit Schlößer sprach Lisa Inhoffen.

Ist Bonn für Touristen eine attraktive Stadt?

Michael Schlößer: Ja. Das ist sie. Aber mit Luft nach oben.

Wer ist für die Hoteliers und Gastronomen wichtiger: Geschäftskunden oder die Touristen?

Schlößer: Anhand der Übernachtungszahlen kann man sagen, dass Bonn eine Stadt ist, in der Besucher vor allem aus dienstlichen Gründen übernachten. Das wird sich aus meiner Sicht in Zukunft nicht großartig ändern. Inwieweit man das Potenzial der Dienstreisen nach Bonn noch ausbauen kann, das können wir als Hoteliers nur wenig beeinflussen. Die Fragen lauten: Was geschieht mit den Ministerien, wie entwickeln sich die Nichtregierungsorganisationen oder das WCCB. Wenn sich das in Zukunft weiterhin gut entwickelt, dann gehen wir davon aus, dass die dienstlich bedingten Übernachtungszahlen in Bonn steigen werden.

Dann ist es doch sinnvoll, dass in Bonn weitere Hotels gebaut werden und die Bettenzahl damit steigt?

Schlößer: Das sehen wir anders. Es ist richtig, dass wir in der Woche, vor allem dienstags und mittwochs, hohe Auslastungszahlen haben. Aber bei zusätzlichen Hotels hätten wir am Wochenende noch größere Überkapazitäten als wir sie ohnehin schon haben. Deshalb müssen wir, muss die Stadt, dringend etwas tun, um die Attraktivität der Stadt auch für Touristen zu steigern. Wenn man die Zahlen vergleicht, so hinkt Bonn trotz wachsender Übernachtungszahlen von drei Prozent in 2017 im Vergleich zum Landesdurchschnitt hinterher. Landesweit verzeichnen wir ein Wachstum von fünf Prozent.

Was müsste denn geschehen, um allgemein die Zahl der Gäste in Bonn zu steigern?

Schlößer: Im Geschäftsbereich hängt das vor allem mit der Vermarktung und Auslastung des WCCB zusammen. Da gibt es sicher verschiedene Möglichkeiten. Ich weiß, dass es Kritik an der Vermarktung gab, aber inzwischen, so höre ich, ist man dort auf einem guten Weg. Das braucht natürlich Zeit. Auch stehen einer bestmöglichen professionellen Vermarktung und Auslastung des neuen Konferenzzentrums einige Bedingungen entgegen, wie etwa die verpflichtende Bereitstellung des WCCB für die Vereinten Nationen. Deshalb kann man das WCCB auch schlecht mit anderen Konferenzzentren vergleichen.

Wie hat sich die Schließung der Beethovenhalle auf das Hotel- und Gastronomiegeschäft ausgewirkt?

Schlößer: Für uns sehr zum Nachteil. Es finden dadurch einige große Veranstaltungen nicht mehr in Bonn statt. Als Beispiel möchte ich nur die Animagic nennen (ein Treffen zur japanischen Popkultur, Anm. d. Red.). Da kamen jedes Jahr an die 15 000 Besucher aus ganz Deutschland nach Bonn, die hier drei bis vier Tage übernachtet und konsumiert haben. Für uns ist das ein herber Verlust. Wir waren sehr enttäuscht, dass es der Stadt nicht gelungen ist, diese Veranstaltung mit einem Locationwechsel in Bonn zu halten.

Was kann eine Verwaltung denn in einem solchen Fall tun?

Schlößer: Wir hätten uns gewünscht, die städtische Wirtschaftsförderung hätte sich im Schulterschluss mit der Tourismus- und Congress GmbH stärker darum bemüht, die Animagic in Bonn zu halten. Es war schließlich lange genug bekannt, dass die Beet-hovenhalle saniert werden sollte. Diese Veranstaltung hätte man nicht ziehen lassen dürfen, erst recht nicht nach einem Jahrzehnt mit Standort Bonn. Das gilt übrigens nicht nur für Veranstaltungen, sondern auch für Unternehmen, wie zum Beispiel die Zurich Versicherung oder Haribo. Solche Abwanderungen tun uns natürlich auch weh, diese Unternehmen haben uns gute Kunden beschert.

Und was ist mit den touristischen Besuchern?

Schlößer: Da sehe ich in erster Linie die Tourismus- und Congress GmbH (T&C) in der Pflicht, das touristische Profil Bonns und der Region zu stärken und auszubauen. Die T & C ist für mich nach wie vor ein gutes Modell. Auswärtige Gäste brauchen einen zentralen Ansprechpartner. Und das ist die T & C. Aber es geht auch um die Frage: Wie unterstützt eine Stadt ein solches Konstrukt, deren größter Anteilseigner sie ist. Da könnte ich mir durchaus ein größeres Engagement vorstellen. Unter anderem müsste die T & C personell aufgestockt werden.

Welchen Beitrag kann oder muss die Hotellerie und Gastronomie leisten, um mehr Gäste anzulocken?

Schlößer: Da sehen wir uns natürlich auch in der Pflicht. Wir müssen genauso wie die Stadt oder die T & C einen Beitrag dazu leisten. Unsere Aufgabe ist es zunächst, für einen guten Aufenthalt zu sorgen. Also auf Qualität bei der Übernachtung und beim gastronomischen Angebot zu achten. Dann müssen wir den Gästen die Attraktionen der Stadt näherbringen.

Davon haben wir viele, das ist ja schon beinahe Luxus. Wir haben Beethoven, den wunderschönen Rhein, die Museen, ein neues Kongresszentrum, zahlreiche Events. Bonn hat wirklich viel zu bieten. Das ist schön, macht aber die Sache nicht einfacher. In Städten wie Wittenberg konzentriert sich alles auf Luther. Hier muss man mehrere Themen beachten. Man kann auch alles auf Beethoven setzen. Aber was ist mit Bonn als Kongress- und UN-Stadt? Das darf man natürlich auch nicht vernachlässigen. Denn das beschert uns unter der Woche eine hohe Auslastung.

Also sind doch zusätzliche Hotels in Bonn gar nicht verkehrt. Warum sieht die Dehoga das so kritisch?

Schlößer: Weil wir, wie gesagt, zwar eben unter der Woche in der Regel hohe Auslastung durch Geschäftsreisende haben, es dann aber zum Wochenende hin deutlich abflacht. Das ist das Problem. Durch die neuen Hotels werden bestehende Häuser in Existenznot geraten, da bin ich sicher. Und das nicht nur in Bonn. Das werden auch die Kollegen im Rhein-Sieg-Kreis deutlich zu spüren bekommen. Nach meiner Berechnung kommen rund 2000 Betten in kürzester Zeit dazu. Die neuen Hotels wie Motel One gehören zudem zu Hotelketten, die können ganz anders kalkulieren. Wir befürchten ein gewisses Preisdumping, das setzt die kleineren Hotels natürlich unter Druck. Ich denke, wir brauchen vielmehr neue touristische Strukturen, aber nicht mehr Hotels. Da müsste die Stadt Bonn sich mehr einbringen.

Was erwarten Sie?

Schlößer: Wir wünschen uns eine attraktivere linksrheinische Uferpromenade.Wenn man am Bonner Bogen spazieren geht, sieht man, was alles möglich ist. Ein attraktiveres Rheinufer lockt nicht nur die Touristen an, sondern ist auch für die Bonner Bürger ein Anziehungspunkt. Bisher wird nur darüber gesprochen, aber passiert ist nichts. Es wird auch bemängelt, dass es zu wenig Gastronomie am Rhein gibt. Warum ist man bei der Stadt Bonn nicht offen für temporäre gastronomische Angebote, die die man im Sommer am Rhein aufstellen kann? Also eine sogenannte Pop-up-Gastronomie, wie man sie in vielen Städten finden kann.

Ich hatte das der Verwaltung vorgeschlagen, sie hat sich nicht interessiert gezeigt. Zurzeit stellen wir ohnehin eine eher negative Entwicklung am Rheinufer, vor allem an der Oper fest. Offensichtlich hat sich da die Drogenszene wegen der Baustellen am Bahnhof hin verlagert. Unsere Gäste kritisieren auch immer wieder, dass es am Rhein keine öffentlichen Toiletten gibt. Da muss die Stadt endlich ihre Hausaufgaben machen.

Könnte eine Stadtverwaltung das verhindern, wenn private Investoren in der Innenstadt Hotels bauen wollen?

Schlößer: Das kann sie natürlich nicht in allen Fällen. Aber wenn sie selbst Eigentümerin eines Grundstückes ist, wie bei dem Areal am Erzberger Ufer, dann könnte sie die Entwicklung steuern. Unsere Kritik richtet sich gegen den Bau eines Hotels an diesem Standort. Jedenfalls eines Hauses in der Drei-Sterne-Kategorie, wie es ja vorgesehen ist. Wenn überhaupt, müsste man auf diesem Filetgrundstück in dieser Filetlage ein Hotel der gehobenen Kategorie errichten. Unser Vorschlag war, dort eine kulturelle Nutzung vorzusehen. Das hätte gut zur Beethovenhalle gepasst. Wir haben uns schon sehr geärgert, dass die Verwaltung die Dehoga in dieser Frage nicht mit ins Boot genommen hat.

Was versprechen Sie sich vom Beethoven-Jubiläum 2020?

Schlößer: Sehr viel. Bonn muss aber nicht nur im Jubiläumsjahr, sondern auch in den Jahren danach als Beethovenstadt wahrgenommen werden. Dafür müssen natürlich entsprechende Angebote entwickelt werden. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen wird. Im Moment habe ich den Eindruck, dass sich die verantwortlichen Organisatoren für die Bedürfnisse der Hotellerie und Gastronomie interessieren. Wir werden jedenfalls gefragt und in die Programmgestaltung eingebunden. Das läuft wirklich sehr gut.

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