Kommentar Verdrängen hilft nicht

Es ist kein erfreuliches Szenario, wenn sich Bonn vis-à-vis des Hauptbahnhofs nicht überall jugendfrei einladend präsentieren kann. Ohne Mühe sind am Busbahnhof meist um die 50 Menschen auszumachen, die alkohol- und drogenabhängig sind. Rund 85 weitere treffen sich regelmäßig in den umliegenden Straßen. Und der ein oder andere Dealer, der die Szene mit Stoff versorgt, dürfte wohl auch darunter sein.

Das Gros der Lokalpolitik ist nach der Bestätigung des Alkoholverbots im Bonner Loch im Juni zumindest froh, die Szene seit 2008 von diesem direkten Einfallstor der Stadt vertrieben zu haben. Sie auch in größerem Radius aus dem Zentrum zu verbannen, das ist einigen Politikern dann aber doch nicht gelungen. Ein weiteres Kapitel der jahrzehntelangen Bonner Verdrängungspolitik hätte auch wenig Sinn gemacht.

Jeder Passant, der gestern beim Gedenktag für die Drogentoten genauer hinschaute, war greifbar: Hier herrscht zwar unerbittlich Abhängigkeit, die nicht nur für Kinderaugen schwer auszuhalten ist. Aber hier treffen sich Menschen, Mitbürger, die ansonsten soziale Ausgrenzung erfahren müssen.

Hier finden sie unter sich Anerkennung. Dort können sie von den Streetworkern des Vereins für Gefährdetenhilfe, der AIDS-Initiative und anderer Organisationen menschenwürdig begleitet werden. Ihre Präsenz am Bahnhof ganz zu verbieten, wäre letztlich nur Selbsttäuschung. Damit wäre nicht einem einzigen Suchtkranken geholfen.

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