Meinungen zum Verkehrsversuch Adenauerallee Radler finden Überholvorgänge teilweise lebensgefährlich

Bonn · Ab Februar 2024 soll der Straßenraum auf der Adenauerallee in Bonn bei einem Verkehrsversuch neu aufgeteilt werden. Wie die Bonnerinnen und Bonnern dazu stehen.

Radler berichten, dass sie Überholvorgänge auf der Adenauerallee teilweise lebensgefährlich finden (Symbolbild).

Radler berichten, dass sie Überholvorgänge auf der Adenauerallee teilweise lebensgefährlich finden (Symbolbild).

Foto: Benjamin Westhoff

Sorush Mirzaei findet es positiv, dass auf der Adenauerallee eine gesicherte Fahrradspur (Protected Bike Lane) eingerichtet werden soll. Der 26-jährige Student hat im vergangenen Jahr ein Praktikum im Bundesviertel absolviert und musste deshalb immer wieder mit dem Rad die Straße entlangfahren – auf dem schmalen Schutzstreifen an den Rändern der Fahrbahn. „Sicher fühle ich mich damit nicht“, berichtet er bei der Informationsveranstaltung der Stadt zum Verkehrsversuch auf der Adenauerallee.

Auf dem Marktplatz stehen am Freitagnachmittag mehrere Mitarbeitende der Stadtverwaltung für drei Stunden bereit, um Anregungen, Wünsche und Kritik aufzunehmen. Daniela Nohr aus der Stabsstelle Bürgerbeteiligung spricht immer wieder Passanten an und reicht ihnen die Flyer über den geplanten Verkehrsversuch in der Adenauerallee, nachzulesen auch unter www.bonn.de/adenauerallee. „Ich finde es wichtig, dass die Menschen mit ins Boot genommen werden.“ Bei so bedeutenden Projekten sei es sinnvoll, die Bürger gut und umfassend zu informieren und auch kritische Stimmen zu hören.

Welche Ziele der Verkehrsversuch verfolgt

Ein entrüsteter Anwohner, der eigens mit dem Rad gekommen ist, kritisiert die Bürgerbeteiligung der Stadt als „Einschläferungstaktik“ und fragt: „Wann ist der Versuch erfolgreich und wann nicht?“ Darauf weiß Felix Maus eine Antwort. Der Abteilungsleiter Mobilität und Verkehr bei der Stadt Bonn sagt, eine Bedingung für einen erfolgreichen Verkehrsversuch sei es, dass die Autofahrtdauer zwischen Bundeskanzlerplatz und Koblenzer Tor sich nicht um mehr als vier Minuten gegenüber dem Durchschnittswert der Vorversuchszeit erhöhe. So hat es die Politik vorgegeben. Ziel des Beteiligungsverfahrens sei es, weitere Erkenntnisse von jenen zu gewinnen, die auf der Adenauerallee unterwegs sind oder in ihrem Umfeld wohnen.

Ein älteres Paar, das seit mehr als 40 Jahren an der Ecke zur Weberstraße wohnt, kritisiert die Pläne mit dem Verweis auf Staus, die jetzt schon schlimm seien und durch die Einspurigkeit noch schlimmer würden. „Ab 16 Uhr ist die Adenauerallee dicht bis nach 18 Uhr“, sagt der Mann, der seinen Namen nicht im GA lesen möchte. Dem halten die Mitarbeiter der Stadt entgegen, dass das Nadelöhr Koblenzer Tor zum täglichen Stau einen erheblichen Beitrag leiste – oder die regelmäßig auf einer Fahrspur parkenden Lieferfahrzeuge, ergänzt Bernhard Meier, zweiter Vorsitzender des ADFC Bonn/Rhein-Sieg, der die Straße vor dem Infotermin extra noch einmal abgefahren ist. „Unter diesen Bedingungen ist die Adenauerallee jetzt schon einspurig.“

Knappe Überholvorgänge verunsichern Radfahrer

 Daniela Nohr aus der Stabsstelle Bürgerbeteiligung spricht immer wieder Passanten an und reicht ihnen die Flyer über den geplanten Verkehrsversuch in der Adenauerallee

Daniela Nohr aus der Stabsstelle Bürgerbeteiligung spricht immer wieder Passanten an und reicht ihnen die Flyer über den geplanten Verkehrsversuch in der Adenauerallee

Foto: Benjamin Westhoff

Christine Jost würde die Adenauerallee mit dem Fahrrad häufiger nutzen, wenn sie sicherer wäre. Die 44-jährige Angestellte fährt aus diesem Grund im Moment lieber am Rhein entlang. Jost hat einen achtjährigen Sohn. „Mit ihm würde ich jetzt noch nicht auf der Adenauerallee fahren“, sagt sie. „Es ist einfach sehr unangenehm, wenn man so knapp überholt wird.“

Das passiert auch Karl-Heinz Rochlitz immer wieder, der im Tulpenfeld arbeitet und in Kessenich wohnt. „Ich finde die Situation für Radfahrer teilweise lebensgefährlich“, meint der 64-Jährige, der auch stellvertretender VCD-Kreisvorsitzender ist. „Autofahrer überholen mich regelmäßig mit viel zu kurzem Abstand“, sagt Rochlitz. „Deswegen finde ich es gut, dass die Stadt den Versuch mit der Protected Bike Lane macht.“

Rollstuhlfahrer äußert Kritik an zu schmalen Gehwegen

Auf die Gehwegbreiten achtet Joachim Marx besonders. Der Koordinator Barrierefreiheit und Tourismus in der Bonner Behinderten-Gemeinschaft findet manche Stellen auf der Adenauerallee „richtig ätzend“. Vor dem Juridicum zum Beispiel wisse er an manchen Stellen nicht, wie er mit seinem Rollstuhl weiterkommen soll. Marx begrüßt es sehr, dass die Stadt Bonn die Belange von Menschen mit Behinderung, Rollstuhl-, Rollator- und Kinderwagenfahrern in die Planung mit einbeziehen will.

Wegen eines zeitgleichen Termins kann die Pressesprecherin des Bonner Radentscheides, Sonja Thiele, nicht an der Infoveranstaltung teilnehmen, teilt dem GA aber mit, dass sie den Versuch ebenfalls begrüßt: „Die Institutionen, Unternehmen und Schulen an der Adenauerallee sind Ziele, die viele Bonnerinnen und Bonner mit dem Fahrrad erreichen möchten.“ Bereits heute nutzten täglich tausende Radfahrende die Adenauerallee trotz der unsicheren Verkehrssituation. „Das zeigt, wie groß der Bedarf für eine geschützte Infrastruktur an dieser Stelle ist.“ Nur mit sicheren Radwegen könne es gelingen, mehr Menschen für das Fahrrad als Verkehrsmittel im Alltag zu begeistern. „Wir denken da insbesondere an ungeübte Radfahrende, ältere Menschen und Familien."

Der nächste Infotermin ist am Donnerstag, 14. Dezember, von 14 bis 17 Uhr an der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (ULB), Adenauerallee 39-41. Während des Versuchs zwischen Februar und April will die Stadt Bonn weitere Dialogtermine im öffentlichen Raum anbieten, bei denen Interessierte der Stadtverwaltung ihre Erfahrungen mitteilen können. Auch online ist eine Beteiligung möglich unter www.bonn-macht-mit.de.