Kommentar zu Finanzskandal in Bonn Vertrauen verspielt

Meinung | Bonn · Nach dem Wirtschaftsprüfbericht hat die Münsterpfarrei unter anderem den Verwendungsspielraum zweckgebundener Mittel großzügig ausgelegt. Die Kirche setzt damit Vertrauen aufs Spiel, meint GA-Redakteur Rüdiger Franz.

Ein in Ausmaß und Höhe singulärer Fall: Wer bislang dachte, im akribischen Sammeln von derlei Zuschreibungen habe diese Stadt längst ausgesorgt, der wurde jetzt vom Erzbistum eines Besseren belehrt. Das Attribut, das die kirchliche Amtsleitung in Köln dem Finanzskandal am Bonner Münster am Freitag verliehen hat, hat indes die Eigenschaft, dass es höchst unterschiedliche Interpretationen erfahren kann. Eine Nummer kleiner geht es wohl nicht, werden die Kritiker des Erzbischofs sagen, denn nur so lasse sich der „erzwungene Amtsverzicht“ Wilfried Schumachers im Mai rechtfertigen. Auch die gegenläufige Lesart ist programmiert: Das Erzbistum, so wird man sagen, habe angesichts der Dimension der wirtschaftlichen Schieflage am Münster gar nicht anders handeln können.

Das Erzbistum hat seiner Ankündigung Taten folgen lassen und die Ergebnisse der Prüfung für die Jahre nach 2014 transparent gemacht. Für eine Zeit also, in der die Finanzen der Münsterpfarre bereits eine Schräglage erreicht hatten, die der Titanic kurz vor ihrem Ende in nichts nachsteht. Dass die Kapelle im Münster trotzdem noch drei Jahre weiterspielen konnte, lag – jedenfalls laut Prüfbericht – an einem Instrumentenkasten aus kreativer Kostenstellenrechnung und großzügiger Auslegung hinsichtlich zweckgebundener Mittel.

Der letzte Aspekt ist aus Sicht der Kirche besonders gefährlich, weil er ein hohes Glaubensgut aufs Spiel setzt: Vertrauen. Wer viel Geld für eine Orgel spendet, wird sich das überlegt haben. Und er wird es sich künftig umso mehr überlegen, wenn seine Spende statt dessen Löcher bei den Personalkosten stopft. Schlimmstenfalls bleibt er ganz fern. Die Kirchenbänke im Münster wieder zu füllen, wird für den neuen Stadtdechanten dadurch nicht gerade leichter werden, zumal die Akte offenbar keineswegs geschlossen ist. Im Erzbistum legte man am Freitag Wert auf die Feststellung, es gehe zunächst um Ergebnisse, und deren Bewertung sei ein eigener Schritt. Ob es ein singulärer Schritt wird, bleibt abzuwarten.

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