Kommentar zur Behinderten-Gemeinschaft Vertrauenssache

Meinung · Das Diakonische Werk hat die Behinderten-Gemeinschaft Bonn im Streit verlassen. Diakonie-Geschäftsführer Ulrich Hamacher wirft der Vereinsspitze einen unangemessenen Umgang mit psychisch Kranken vor.

Als übergeordnete Stimme für alle Bonner mit körperlichem, geistigem oder seelischem Handicap ist die Behinderten-Gemeinschaft (BG) eine großartige Idee. Es war eine konsequente Entscheidung des Bonner Stadtrates, diesem Verein 2005 auch das öffentliche Amt des Behindertenbeauftragten in die Hände zu legen. Wer kann schließlich die Interessen der Betroffenen besser vertreten als die Betroffenen selbst.

Aktuell steht diese Frage indessen zur Disposition. Die BG hat keinen rechtmäßigen Vorstand. Das erweckt Zweifel an ihrer Handlungsfähigkeit. Es gibt zudem verschiedene Vorwürfe, dass Menschen mit Behinderungen wie auch Mitarbeiter von Mitgliedern des derzeitigen Vorstands nicht angemessen behandelt wurden. Gleichzeitig erhält die BG eine erhebliche finanzielle Förderung aus dem strapazierten städtischen Haushalt, nach der sich mancher andere Bonner Verein die Finger lecken würde. Über deren konkrete Verwendung wird zumindest nicht öffentlich Rechenschaft abgelegt. Da ist ein kritischer Blick angebracht, ob eine solche Vereinigung eine öffentliche Kontrollfunktion weiterhin zuverlässig ausüben kann. Die Stadt legt hier schon recht lange die Hände in den Schoß. Der Verwaltung sind die Umstände seit mehr als einem Jahr bekannt.

Die Frage stellt sich aber noch aus einer anderen Perspektive. Nach der Satzung der BG muss im Vereinsvorstand nur ein Mitglied eine Behinderung haben. Tonangebend sind andere Kräfte. Im Verein sind viele Träger der Bonner Behindertenhilfe versammelt. Die arbeiten gemeinnützig und sicher zum Wohle ihrer Kunden. Aber sie agieren auch wie mittelständische Wirtschaftsunternehmen. Mit ihren Leistungen setzen sie einen hohen zweistelligen Millionenbetrag um. Sie haben naturgemäß kein Interesse, etwas daran zu ändern, indem sie beispielsweise Heimbewohner konsequent verselbständigen. Die Neutralität des Amtes des oder der Behindertenbeauftragten kann so mit diesem Vereinskonsttrukt gar nicht in jedem Fall gewahrt sein. Der Richtungsstreit innerhalb der BG sollte deshalb zumindest Anlass für die Kommunalpolitik sein, das Bonner Unikat kritisch zu überprüfen.

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