Viele bauhistorische Schätze verschwanden für immer

Der Zweite Weltkrieg und der Wiederaufbau veränderten die Bonner Innenstadt gewaltig

  Blick vom Hauptbahnhof  in die Gangolfstraße nach dem Luftangriff Oktober 1944. Im Hintergrund der Turm des Münsters, davor der heutige "Puppenkönig".

Blick vom Hauptbahnhof in die Gangolfstraße nach dem Luftangriff Oktober 1944. Im Hintergrund der Turm des Münsters, davor der heutige "Puppenkönig".

Foto: GA-Archiv

Bonn. Kaum ein anderes historisches Ereignis hat das Gesicht der Bonner Innenstadt innerhalb einiger weniger Jahre so verändert wie der Zweite Weltkrieg und die Zeit des Wiederaufbaus: "Von 11 000 Wohnhäusern waren nur 1 200 unbeschädigt geblieben", schreibt der frühere Stadtarchivar Dietrich Höroldt in seinem Buch "Bonn: ehemals, gestern und heute".

Prächtige Gebäude wie die beiden Stadtpalais Boeselager Hof und Metternicher Hof an der Stelle der heutigen Oper überstanden den Krieg nicht, Kleinodien wie die gotische Gertrudiskapelle nahe dem Alten Zoll wurden nach der Zerstörung nicht wieder aufgebaut, das frühere enge Gassengewirr am Rhein lässt sich kaum mehr erahnen. Immerhin konnten mutige Bürger das Beethovenhaus vor den Flammen retten.

Dabei schien es bis Sommer 1943, dass Bonn von Luftangriffen geschont werden sollte. Am 12. August 1943 war es vorbei mit dieser Illusion. Der erste Luftangriff der Alliierten kostete in Bonn und Beuel 200 Menschen das Leben. Das war jedoch nur der Auftakt zu einer Serie von Angriffen seit dem Frühjahr 1944 und gipfelte in der Katastrophe des 18. Oktober 1944, als 250 Bomber die am Rhein gelegene Altstadt von der Wachsbleiche bis zur Zweiten Fährgasse innerhalb von 20 Minuten in ein Flammenmeer verwandelten. Betroffen war aber auch die Gegend um den Hauptbahnhof herum bis zur Weberstraße.

Die Universität, Kliniken, Theater, die damalige Beethovenhalle, das historische Rathaus, das Arndt-Haus und eine ganze Reihe von Schulen lagen in Schutt und Asche. Höroldt: "700 zerstörte und 1 000 schwerstbeschädigte Häuser waren das Ergebnis des schwersten der 43 Luftangriffe", der auch das Beueler Zentrum stark in Mitleidenschaft zog.

Doch Bonns Stadtväter wussten nach dem Krieg aus der Not bisweilen eine Tugend zu machen: Pläne für eine autogerechte Innenstadt beispielsweise lagen schon seit den zwanziger Jahren vor, sagt der heutige Stadtarchivar Norbert Schlossmacher. Das Straßennetz in der damaligen Altstadt - das Gebiet zwischen dem Alten Zoll, der Beethovenhalle, dem Hauptbahnhof und der heutigen Nordstadt - entsprach mit wenigen Ausnahmen dem des Mittelalters, schreibt Höroldt.

Auch das häufig vom Hochwasser überflutete Rheinufer galt es umzugestalten. Zumal an den Gassen rechts und links der alten, von den Deutschen am 8. März `45 gesprengten Rheinbrücke viele kleine und schmale Grundstücke lagen, die dicht bebaut waren.

"Bedenken, daß die aus dem 18. Jahrhundert stammenden Häuser, deren Mauern noch zum großen Teil aufrecht standen, einen Wiederaufbau in alter Form lohnen könnten, kamen nicht auf", schreibt Höroldt. Im Gegenteil: Das Uferbild galt als unansehnlich, und führende Städtebauer und Architekten riefen 1947 dazu auf: "Das zerstörte Erbe darf nicht historisch rekonstruiert werden; es kann nur für neue Aufgaben in neuer Form entstehen."

Dem Erdboden gleich gemacht wurden neben vielen anderen auch die Häuser an der früheren Maargasse: Sie wichen in den Nachkriegsjahren dem Bau der Oxfordstraße, die zur wichtigen Ost-West-Achse mit dem Bertha-von-Suttner-Platz umgebaut wurde, wo bis Kriegsende die Kreuzstraße und die Kesselgasse entlangliefen.

Und dennoch: "Bei näherer Betrachtung zeigte sich, daß ein großer Teil der Schäden mit den beschränkten Mitteln der Zeit vor der Währungsreform behoben werden konnte." Der Anteil des zerstörten Wohnraums fiel bereits vom Mai '45 bis Oktober '46 von 47,2 auf 33,2 Prozent.

Und: "Der verhältnismäßig geringe Zerstörungsgrad des Bonner Raumes stellte wenige Jahre später bei der Bewerbung um die Aufnahme des Parlamentarischen Rates und noch mehr um den Bundessitz eine wesentliche Voraussetzung dar", schreibt Höroldt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Jeder zweite Krebs ist heilbar
50 Jahre Deutsche Krebshilfe Jeder zweite Krebs ist heilbar
Zum Thema
Aus dem Ressort