Motorrad-Artistik in der Stahlkugel Vier Brasilianer sind Stars des Weihnachtscircus

BONN · Bevor Alison, Diego, Valter und Gabriel nacheinander in die sechs Meter hohe Stahlkugel fahren, drehen sie eine Runde durch die Manege. Sie lassen ihre Motorräder aufheulen, jubeln dem Publikum zu. Mehr als einen Blick in die dunklen Augen lässt die Schutzkleidung nicht zu, fast alle Körperteile sind gepanzert.

 Wenn vier Motorräder mit 80 Stundenkilometern und geringem Abstand aneinander vorbeirasen, entstehen enorme Kräfte.

Wenn vier Motorräder mit 80 Stundenkilometern und geringem Abstand aneinander vorbeirasen, entstehen enorme Kräfte.

Foto: Nicolas Ottersbach

Die vier jungen Männer aus Brasilien sind mit ihrer weltweit einzigartigen Show im "Open Galaxy", wie die Kugel heißt, der Höhepunkt des Bonner Weihnachtscircus. "Damit das so werden konnte, haben wir jahrelanges Training hinter uns", sagt Alison (28).

Sie alle entstammen südamerikanischen Artisten-Familien. So wagte schon Alisons Vater halsbrecherische Stunts auf dem Motorrad. "Es ist gefährlich, aber wir leben damit. Das ist unser Job", erzählt er hinter dem hohen Vorhang des Zirkuszelts, kurz bevor die Aufführung beginnt.

Noch ist er gesprächig. In der Stahlkugeln verständigen sie sich nur mit Blicken, weil es für Worte zu laut ist. Alison hat noch etwa zwei Stunden bis zum Auftritt. Umgezogen hat er sich noch nicht, trägt eine violette Kappe und einen grauen Mantel. Nervös werde er erst, wenn er Brustpanzer und Helm überstreife. "Das muss auch nach unzähligen Shows so sein, sonst wird man unaufmerksam."

Unaufmerksamkeiten können sich die Vier nicht erlauben. Motorrad, Ausrüstung und Käfig prüfen sie stets selbst. Die Umbauten an ihren Crossmaschinen, allesamt das Modell Yamaha DT mit 125 Kubikzentimetern Hubraum, haben sie selbst gemacht. Verstärkter Rahmen, härtere Federgabeln, besonders feste Reifen und mehr PS. Vor dem Auftritt kontrollieren sie alle Befestigungen, die die fahrbare Stahlkugel an den Streben des Zelts und am Boden verankern.

Wenn vier Motorräder mit 80 Stundenkilometern, wenigen Zentimetern Abstand und kopfüber aneinander vorbeirasen, entstehen enorme Kräfte. "Löst sich etwas, fängt alles an zu wackeln und wir könnten stürzen", sagt Alison. Das ziehe "unter Garantie" schwere Verletzungen nach sich. Jeder von ihnen hatte schon Knochenbrüche und lag im Krankenhaus. "Etwa alle 30 Shows geht etwas schief, nicht immer mit schlimmem Ausgang", erzählt Alison trocken.

In Bonn lief bisher alles glatt. Dieser Todesmut, diese Perfektion gibt ihnen einen gewissen Heldenstatus. Das merkt man, wenn gestandene Männer wie kleine Jungen Alison, Diego (27), Valter (30) und Gabriel (23) nach der Show im Foyer ihren Respekt zollen. Und die wirklich kleinen Jungen wünschen sich ein Motorrad. "Trotzdem sind wir ganz normale Leute, die Filme gucken und Fußball spielen. Wir haben nur den für uns besten Job der Welt." Wie lang Alison den machen möchte, weiß er nicht. Vielleicht wird er irgendwann Stuntman-Lehrer.

Ohne hartes Training hätten sie den Heldenstatus nicht erreicht, seit etwa sieben Jahren treten sie zusammen auf. Vieles haben sie von Kindesbeinen an von ihren Verwandten gelernt, den letzten Schliff bekamen sie vom in Artistenkreisen legendären Daniel Chrystian Diorio. Er hat sie unter Vertrag genommen und schickt sie nun um den gesamten Globus.

Deshalb sind sie für Zirkusdirektoren wie Manuel Fischer die "Diorios". "Die gesamte Gruppe besteht aus etwa 20 Fahrern, die Diorios haben acht solcher Stahlkugeln", erklärt er. Vor zwei Jahren fragte Fischer das erste Mal bei ihnen an. "Die brauchen sich nicht irgendwelchen Shows anbieten. Diorios sind wählerisch und überlegen stets, ob es wirklich die richtige Bühne für ihren Auftritt ist." Der Bonner Weihnachtscircus ist so eine Bühne. Wenn sich die vier Tonnen schwere Stahlkugel horizontal in der Mitte öffnet, hat das Publikum freien Blick auf die Diorios. Und verfällt danach in tosenden Applaus. Jedes Mal.

Noch sieben Vorstellungen

Der Bonner Weihnachtscircus gastiert noch bis kommenden Sonntag auf dem Platz vor der Beethovenhalle. Die Vorstellungen beginnen am Freitag und Samstag um 15 und 19 Uhr, am Sonntag um 14 und 18 Uhr. An Silvester gibt es eine Gala um 20 Uhr. Am Neujahrstag ist spielfrei. Karten im Vorverkauf gibt es für 18, ermäßigt zwölf Euro in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

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