Verspätungen bei Buslinien in Bonn Von Endhaltestelle zu Endhaltestelle

BONN · Zentraler Omnibusbahnhof Bonn, dienstags um 15.27 Uhr: Ich habe mich gerade in den hinteren Teil der Buslinie 605 Richtung Mondorfer Fähre gesetzt, als der Busfahrer den Motor abstellt. Die Fahrgäste werden unruhig, die ersten ziehen sich ihre Ohrhörer aus den Ohren und fragen, was los sei.

 Eine der Problemlinien: Der Bus der Linie 611 wartet am Zentralen Omnibusbahnhof in Bonn auf die Abfahrt in Richtung Heiderhof.

Eine der Problemlinien: Der Bus der Linie 611 wartet am Zentralen Omnibusbahnhof in Bonn auf die Abfahrt in Richtung Heiderhof.

Foto: Maximilian Mühlens

"Ich würde ja gerne weiterfahren, aber zehn Stunden Arbeit reichen mir heute. Meine Ablöse ist noch nicht da", erklärt der Fahrer. Eigentlich hätte der Bus schon vor zwei Minuten losfahren müssen. Gemäßigten Schrittes nähert sich dem Bus ein Mitarbeiter der Stadtwerke Bonn, erkennbar an seiner Arbeitsbekleidung und dem dunklen Rucksack mit SWB-Logo. Es handelt sich um den neuen Fahrer.

Die 605 hat im Nu fünf Minuten Verspätung gesammelt. Während ein Großteil der Fahrgäste nur mit dem Kopf schüttelt, andere nur mit der Schulter zucken ("Man kennt es nicht anders"), haben die beiden Babys, die in ihren Kinderwagen sitzen und sich gegenseitig anschauen können, ihren Spaß und brabbeln munter vor sich hin.

Jeder, der in Bonn mit Bus und Bahn unterwegs ist, kennt es: Verspätungen gehören zum Nahverkehr wie das Lösen eines gültigen Tickets. Irgendwie scheint man seitens der Verkehrsbetriebe das Phänomen der Verspätungen nicht in den Griff zu bekommen - egal, ob in Bonn, Köln, Düsseldorf oder München. Verspätungen im Öffentlichen Personennahverkehr sind in jeder Stadt ein großes Thema.

Verständlicherweise häufen gerade die besonders langen Buslinien die größten Verspätungen auf. Doch woher kommen die Verspätungen? Zu spätes Losfahren ist dabei nur einer der Gründe. Als Fahrgast, der höchstens fünf Stationen fährt, kann man Verspätungen nicht nachvollziehen. Auf seiner Fahrt durch die Stadt sammelt der Busfahrer eben nicht nur Fahrgäste auf, sondern auch Verspätungsminuten.

In Bonn sind vor allem die Linien 605 (Alfter - Mondorfer Fähre), 610/611 (Heiderdof - Duisdorf Bahnhof/Heiderhof - Lessenich) sowie die 608/609 (Brüser Berg - Gielgen) für ihre Verspätungen berühmt-berüchtigt. Ich habe mich auf die Suche nach den Verspätungsminuten der Linien 605 und 608 gemacht und bin dabei jeweils von den Start- zu den Endhaltestellen gefahren. Weil das augenscheinlich nicht viele machen, wurde ich während meines Tests von einem Busfahrer gefragt, ob ich "eine Rundfahrt" mache. Mit der zuvor erwähnten 605 bin ich auf dem Weg zur Mondorfer Fähre, von dort möchte ich die mehr als einstündige Fahrt bis nach Alfter-Oedekoven antreten.

Die direkt am ZOB gesammelte, fünfminütige Verspätung sitzt dem Busfahrer spürbar im Nacken. Er drückt ordentlich aufs Gaspedal. Rote Ampeln und einparkende Autos zwingen ihn, mancherorts seinen Bus zum Stehen zu bringen. Dennoch schafft es der Fahrer, seine Verspätung auf drei Minuten zu drücken. Fahrkarten kaufen auffallend wenige Fahrgäste, wahrscheinlich sind sie alle im Besitz von Zeitkarten. Hoffentlich. Größere Baustellen, Staus oder andere Verkehrshindernisse gibt es nicht. Dennoch: An der Endhaltestelle an der Mondorfer Fähre trifft die Linie 605 drei Minuten zu spät ein. Das sind 180 Sekunden, zwar nicht pünktlich, aber noch hinnehmbar.

Während ich mir in den nächsten 20 Minuten die Mondorfer Fähre und die vielen Enten am Rheinufer ansehe (die nächste Abfahrt ist erst 20 Minuten später), macht es sich der Fahrer in seinem Sitz gemütlich. Er spielt an seinem Smartphone herum und schließt letztendlich die Augen. Dass er die Augen schließt macht mir ehrlich gesagt schon ein wenig Sorgen, möchte ich doch pünktlich um 16.16 Uhr wieder abfahren.

Meine Skepsis ist berechtigt, denn auch um 16.18 Uhr liegt der Fahrer noch mit geschlossenen Augen in seinem Sitz. Verspätung jetzt schon: zwei Minuten. Soll ich an die Tür klopfen? Nach kurzer Bedenkzeit erinnere ich mich an meinen Auftrag, den Grund für Verspätungen herauszufinden.

Eine zu lange Pause des Fahrers steht nun auch auf meiner Liste. Um 16.21 Uhr geht plötzlich die Türe auf, der Fahrer reibt sich die Augen und beginnt seine neue Tour mit fünfminütiger Verspätung. Wieder wird das Gaspedal im Rahmen des Machbaren gedrückt und schnellstmöglich Fahrgäste aufgesammelt. Das Einsteigen verläuft meistens schnell, das Aussteigen dauert manchmal, insbesondere dann wenn eine gehbehinderte Seniorin samt Rollator aussteigen möchte.

Gerade hat sie die Bremsen ihrer Gehhilfe gelöst und möchte aussteigen, schließt der Fahrer die Tür - immerhin hat er nun schon sechs Minuten Verspätung auf der Uhr. "Machen'Se noch einmal die Tür auf! So schnell geht das nicht!", fordert die ältere Dame lautstark und kann noch aussteigen. Nur aufgrund der Tatsache, dass auf dem übrigen Linienweg zwei Haltestellen wegen Baustellen entfallen, kann der Fahrer seine sechsminütige Verspätung vollends aufholen.

Über "Service" und "Verkehrsmeldungen" erhält der Buskunde über eine moderne App der Stadtwerke Bonn für Smartphones aktuelle Verspätungen. Infos gibt es auch über den Twitteraccount @SWBBusundBahn - dem nur 333 Follower folgen; viele Fahrgäste haben sicherlich auch keinen Twitter-Account.

Ein anderes "Extrem" habe ich tags zuvor mit der Linie 608 erlebt. Ärgert man sich auf der einen Seite über Verspätungen, tut man es andererseits auch bei zu frühem Losfahren. Mein Fahrer fuhr an jeder Haltestelle stets eine Minute zu früh ab. "Dass die Fahrer schon mal zu früh abfahren ist genauso normal, wie dass die Busse Verspätungen haben. Aber verspätetes Abfahren überwiegt", sagt Studentin Jana Reitz, die mit der 608 oder 609 mehrmals in der Woche zur Uni fährt.

Woher die Verspätungen meistens rühren, weiß die 22-Jährige nicht, "das bekommt man ja nicht mit. Ärgerlich ist es nur, wenn im Winter die Busse wegen Schnee oder Glätte gar nicht fahren oder an Haltestellen drehen." Wegen eines technischen Defekts am Bus musste mein Fahrer an zwei Haltestellen sein Gefährt mehrmals neu starten - durch die gute und ruhige Verkehrslage konnte er die minimale Verspätung problemlos aufholen.

Pünktlich erreiche ich die Hardthöhe/Südwache. Auf meiner Rückfahrt wird der Fahrer ein wenig ungehalten, als ein junger Mann, die gerade vor ihm geschlossene Tür wieder mit seinen Händen aufdrückt. Der Mann am Steuer bestellt den Fahrgast zu sich und stellt ihn zur Rede. Er hätte ja die Türe wieder aufgemacht, aber man müsse ja nicht alles mit Gewalt machen. Der junge Mann schüttelt nur den Kopf und entgegnet, es sei ihm schon oft genug passiert, dass man ihm vor der Nase die Tür zumacht und dann einfach abfährt.

Waren im Test vor allem die Busfahrer schuld an den Verspätungen, kann es bei anderen Fahrten wieder ganz anders sein. Ob Baustellen, Autofahrer oder Unfälle, ja sogar der Fahrgäste selbst - alle haben Einfluss auf die Verspätungen der Busse.

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