Städtischer Austausch Von Finnland lernen

BONN · Um von den Erfahrungen in ganz Europa zu profitieren, will die Stadt Bonn den Austausch mit anderen europäischen Kommunen verstärken. "Wir wollen über den Tellerrand blicken und von unseren europäischen Nachbarn lernen", sagt Hans Jürgen Hartmann, der bei der Stadtförderung für Vorstöße in diese Richtung zuständig ist.

 In Deutschland wie in Finnland wichtig, findet Tuija Valencia: Der liebevolle Umgang mit Kindern.

In Deutschland wie in Finnland wichtig, findet Tuija Valencia: Der liebevolle Umgang mit Kindern.

Foto: Roland Kohls

Eines der Projekte in diese Richtung heißt "Schritt für Schritt zum Europakindergarten". Erzieher können gefördert von der EU drei- bis vierwöchige Praktika im Ausland machen.

Das finnische Bildungswesen gilt seit der PISA-Studie als eines der besten weltweit. "Pionierarbeit", wie Hartmann sagt, hat Tuija Valencia im Frühsommer mit einer Reise nach Finnland geleistet. Vieles habe sich geändert, seit sie selbst Anfang der 70er Jahre dort in den Kindergarten ging, sagt die gebürtige Finnin und Leiterin der städtischen Kindertagesstätte am Winkelsweg (KiWi) in Friesdorf.

"Die Finnen haben erkannt, dass Bildung ihr wichtigster Rohstoff ist." Mit 19 kam Valencia als Au-pair-Mädchen nach Godesberg. Sie blieb, wurde Erzieherin. Für die Stadt Bonn ist die 46-Jährige nun wieder in ihre Heimatstadt Lappeenranta gereist, nach Südkarelien an der Grenze zu Russland.

Viele Dinge, die sie in Finnland angetroffen habe, ließen sich nicht so einfach auf Deutschland übertragen, sagt Valencia. "Das System in Finnland ist ganz anders als das deutsche Bildungssystem." Kleinkinder werden in altershomogenen Gruppen betreut, ein Vorschuljahr ist Pflicht.

Auch kleinere Gruppen wie in Finnland sind in Deutschland derzeit kaum umsetzbar. Über Schichtkindergärten für Eltern mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten, wie Valencia sie in Finnland besucht hat, wird hingegen auch hierzulande schon diskutiert - Schuldgefühle der Eltern spielen dabei in Finnland aber eine weit weniger große Rolle, sagt Valencia.

"Den Begriff 'Rabenmutter' gibt es im Finnischen nicht." Trotzdem stehe in Finnland das Kind gesellschaftlich viel mehr im Mittelpunkt als im weniger kinderfreundlichen Deutschland. Neben den großen Fragen hat Valencia aber auch ein paar praktische Tipps aus ihre Heimat mitgenommen.

"In Finnland sind die Kindergärten oft spärlicher eingerichtet, da bleibt mehr Platz zum Spielen." Auch ausklappbare Betten und einen Lesesessel sähe sie gerne in deutschen Kindergärten. Es gebe aber auch einige Dinge, die sich die Finnen von Deutschland abschauen könnten, findet Valencia, zum Beispiel das große Engagement der Eltern für die Betreuungseinrichtungen ihrer Kinder. Einige finnische Erzieherinnen hätten auch schon Interesse an einem Praktikum in Deutschland geäußert.

Auf längere Sicht soll es bei den angestrebten Projekten aber nicht nur um den Austausch von Erfahrungen gehen, sondern auch darum, Fachkräfte anzuwerben, und zwar nicht nur Erzieher, sondern beispielsweise auch Alten- und Krankenpfleger. "Wir haben in diesen Bereichen einen Mangel, während Fachkräfte in anderen europäischen Ländern wie Spanien, Polen oder Rumänien gut ausgebildet, aber arbeitslos sind", sagt Bonns Beigeordneter Wolfgang Fuchs.

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